Atlantiktief – rückseitig

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 14.03.2008, 18:52

Weiden kämmen sich
im Meereswind
an ihren Zweigen
zwinkern Tropfen
glätten spiegelnd
dem Morgen die Stirn

Schatten winken
scheinen begehbar
zwischen ihnen
sinkt der Fuß
in frühes Licht.

Wolken federn ostwärts.
Der Himmel
war er auch gestern
so groß, so weit -

ein Wort: genug
sich in den Tag zu lieben.


Erstfassung:

Weiden kämmen sich
im Meereswind
an ihren Zweigen
zwinkern Tropfen
und glätten spiegelnd
dem Morgen die Stirn

Schatten winken
scheinen begehbar
zwischen ihnen
sinkt der Fuß
in frühes Licht.

Wolken federn ostwärts.
Der Himmel
war er auch gestern -
so groß, so weit:

ein Wort

genug um sich
in den Tag zu lieben.
Zuletzt geändert von leonie am 18.03.2008, 17:57, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 14.03.2008, 19:07

Liebe leonie,

ich komme gerade hier vorbei und möchte dir nur sagen: Wunderschön.
Sehr poetisch und für mich absolut eingängig und stimmig.

Liebe Abendgrüße
Gerda

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.03.2008, 19:57

Ausser dem Doppelpunkt ein TREFFER.

Wirklich gut.

Moshe

Max

Beitragvon Max » 14.03.2008, 21:02

Liebe Leonie,

das ffinde ich sehr gelungen.

Der Beginn erinnert mich an Bachmanns

Tage in Weiß

In diesen Tagen
stehe ich auf mit den Birken
und kämme mir mein Weizenhaar
vor einem Spiegel aus Eis ...

Liebe Grüße
max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.03.2008, 21:33

Liebe leonie,

das fließt verspielt, fast kokett das Spiel zwischen Weiden und Wind.
Und am Ende ganz Großes: sich in den Tag lieben durch ein Wort. Wunderschön.
Der Titel führt ganz schön in die Irre, und das ist gut so.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.03.2008, 22:04

Liebe Gerda,

vielen, vielen Dank, ich freue mich über Dein Lob sehr!

Lieber Moshe,

auch Dir: Danke! Was schlägst Du vor: Doppelpunkt einfach streichen? Ich denk drüber nach?

Lieber Max,

wenn man Bachmann liest, weiß man, wo man steht...Ziemlich am Anfang...

Danke Dir, auch für die Assoziation!

Liebe Elsa,

danke Dir, schön, dass Du es magst.
Für mich führt der Titel gar nicht so sehr in die Irre, wieso meinst Du das? Würde mich interessieren.

Ich freue mich sehr über Eure Worte!

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.03.2008, 22:17

Liebe leonie,

Der Titel ist so, dass ich an Wettervorhersage knochentrocken denke und nicht an ein Liebesspiel zwischen Weiden und Wind :-)

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.03.2008, 22:21

Ah, jetzt verstehe ich.

Witzig, denn bei mir ruft der Titel sofort Bilder hervor (zum Beispiel die beschriebenen)...

Danke Dir!!!

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.03.2008, 22:22

Bitte sehr, leonie!
Herzlich,
Elsa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.03.2008, 23:12

Hi leonie,

das ist dir wirklich gelungen. Poesie pur. :daumen: Wunderbar, die federnde, leichte Stimmung, die du erzeugst. Ganz vernarrt bin ich in diesen Passus: :-)

ein Wort

genug um sich
in den Tag zu lieben.


Sehr gern gelesen!
Saludos
Mucki

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 14.03.2008, 23:27

Hallo leonie,

einfach schön. Ich kann mich den Vorkommentatoren nur anschließen.

Schönen Abend

Jürgen

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.03.2008, 19:20

Liebe Mucki, lieber Jürgen,

vielen Dank, ich freue mich sehr, dass Euch das Gedicht gefällt!

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.03.2008, 19:35

Liebe leonie,

auch auf mich wirkt das ausgereift und es spricht mich sehr an. Bei so einem schönen Gedicht mag ich das Kommentieren wieder aufnehmen.

Für mich liegt die Stärke des Textes in seinem sanften Ton, durch den es gelingt, eine Landschaft der Liebenden zu erzeugen, um es zwar kitschig, aber irgendwie auch nicht kitschig auszudrücken.

Eigentlich mache ich nicht mehr so oft Textveränderungsvorschläge, aber hier hab ich Winzigkeiten gefunden, die den Text für mich noch feiner machen würden:

Ich würde einige Kleinigkeiten überlegen: das "um" am Ende streichen (und das und davor?) und das "spiegelnd" aus rhythmischen Gründen auch streichen oder durch "mit ihren Spiegeln" oder einer vom gleichen Rhythmus getragenen Phrase ersetzen, das Partizip bricht die Melodie des Textes zu starr, finde ich. (das "scheinen" zu streichen fänd ich desweiteren Rhythmus und Bild stärkend. Den ein winken ist ja schon ein scheinendes Locken. Eine breitere Setzung schlage ich nicht vor, obwohl ich es mir vorstellen könnte - gerade weil die Zeilen so wehen.

Übrigens: der Titel klingt toll. Ich zeieh seine Magie allerdings rein aus dem Klang, "verstehen" tue ich das rückseitig nicht, aber das macht mir gar nichts in diesem Fall. Sowas passiert mir auch nicht oft.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.03.2008, 22:28

Liebe Lisa,

vielen Dank Dir für Deine Rückmeldung, ich freue mich drüber!

Ich habe Deine Ideen ausprobiert. Das "und" und das "um" kann ich weglassen, denke ich. Ich würde das "spiegelnd" gerne drin haben und finde, dass das Partizip weniger starr ist als wenn ich drei Substantive hintereinander (mit ihren Spiegeln) nehme.
Über das "scheinen" muss ich noch nachdenken. Aber dafür ändere ich noch in der Interpunktion ein wenig.

Liebe Grüße an Dich!

leonie

P.S. Wetterkundler sprechen bei Tiefdruckgebieten von deren "Rückseiten", wenn das Tief vorbeigezogen ist. Rückseitenwetter ist oft kühl, windig, aber blauhimmlig und sonnig mit Wolken. Oft ist die Luft ganz klar. Und wie man an diesem Gedicht merkt, mag ich Rückseitenwetter sehr...

Ich finde die Interpretationen dazu übrigens sehr spannend


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