Im Abend

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.03.2008, 22:46

Im Abend

(Für Ze'ev Sternhell)

Ein Schweigen im Abend
lebt uns
auf

Lebt uns vom
Baum
sehr

Die Kinder wurden
von den Bäumen geschossen

Ich ward noch übrig

Immer noch

Und habe ein Gesicht gefunden

In das ich jeden Tag schaue
Zuletzt geändert von moshe.c am 08.03.2008, 23:14, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 08.03.2008, 23:00

hallo moshe!
das finde ich sehr gelungen, auch wenn mir "lebt uns vom/baum/sehr" ein wenig zu schaffen macht. (zeilenbrüche und das "sehr") vor allem "und habe ein gesicht gefunden / in das ich jeden tag schaue" gefällt mir sehr. komma respektive punkt in den letzten beiden zeilen fänd ich streichenswert.

lieben gruß: Niko

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.03.2008, 23:14

Ich streiche die restliche Zeichensetzung ohne Frage.

MlG

Moshe

Max

Beitragvon Max » 09.03.2008, 12:00

Lieber Moshe,

auch ich finde Dein Gedicht eindrücklich, insbesondere finde ich, dass es zum Schluss hin sehr stark wird.

Die Strophe

Lebt uns vom
Baum
sehr


verstünde ich gerne, aber das scheint mir nicht vergönnt :-).

Übrigens ist der Name der Widmung beinahe schon ein gedicht :-).

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 09.03.2008, 21:59

Lieber Max!

Vielleicht hilft es ja was, wenn du das 'L' klein siehst?

Ich will es aber als eine eigenständige Aussage sehen, deshalb ist das 'L' groß.

Kannst du damit was anfangen?

Lyrik ist tückisch, denke ich manchmal für dich.

MlG

Moshe

Max

Beitragvon Max » 09.03.2008, 22:40

Lieber Moshe,

wie goß das "L" ist spielt eigentlich nicht so eine große Rolle, eher der Satzbau.

Vielleicht ist Lyrik ja tückisch für mich :-), vielleicht Deine aber auch besonders ;-)?!

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 09.03.2008, 23:05

Lieber Max!

Sei so lieb und drösel mir mal jetzt auf, was du an den ersten beiden Strophen verstehst, bzw. nicht verstehst.

Gespannter

Moshe.

Wie nennt man das in deinem Gewerbe, wenn jemand die Synergie nicht versteht?

Uff

Max

Beitragvon Max » 10.03.2008, 22:04

Lieber Max!

Sei so lieb und drösel mir mal jetzt auf, was du an den ersten beiden Strophen verstehst, bzw. nicht verstehst.


Lieber Moshe,

gerne!


Nun, ich verstehe ungefähr was das ist


Ein Schweigen im Abend


und das hier

lebt uns
auf


verstehe ich als ein "lässt uns aufleben", wobei mir nicht klar ist, warum du das dann nicht sagst. Man könnte es natürlich auch mit Strophe 2 verknüpfen und denken


Ein Schweigen im Abend
lebt uns
auf
den Baum


Das hätte den Vorteil, das Strophe 1 und 2 nun zusammenhängen, aber den Nachteil, dass man (also ich) nicht mehr weiß, was Strophe 1 bedeuten soll.

Andernfalls fragt man sich hier:

Lebt uns vom
Baum


was das lyr. Ich denn so auf dem Baum treibt, und was der Satz

"Ein Schweigen am Abend lebt uns vom Baum"

denn bedeuten könnte. Ich habe das Bild noch nie gesehen und es bleibt mir verschlossen. Ebenso, wieso man es mit

sehr


steigern kann. Das wären die Fragen der bretonischen Jury zu den ersten zwei Strophen.

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 11.03.2008, 18:38

Lieber Max!

An deinem Verständnis der ersten Strophe sehe ich gar kein Problem, denn der Inhalt ist dir klar, und ich habe es halt aus rythmischen Gründen so geschreiben wie ich es tat, um dieses dann in der zweiten Strophe mit einer Abwandlung noch mal zu wiederholen und eben eine Verbindung herzustellen, die sich auf den Baum bezieht, also konkreter wird und dann die weitere Verbindung herstellt zu der Situatuation der Erinnerung aus der Kindheit, in der die Kinder aus den Bäumen geschossen wurden im einem Ghetto.

Der Baum, der ja das Symbol für Leben ist, wird durch diese Situation ins Gegenteil verwandelt, auch noch doppelt durch die abgeschossenen Kinder.

Dieses wird durch das 'sehr' in der zweiten Strophe unterstrichen.

Es ist ein Gedicht über Erinnerung und für die Bedeutung dieser, für ein Leben, erstmal, des Ze'ev Sternhells, aber auch anderer und auch des meinigen.

Der Text ist aufgrund eines Interviews mit Ze'ev Sternhell entstanden. Er ist ein bedeutender Historiker, der in diesem Jahr den Israel-Preis für sein Lebenswerk erhalten halten hat. Dieses Interview ist in der Haaretz vom vergangenen Wochenende erschienen und auf englisch lesbar.(Bei interesse sende ich gern den Text.)

Wenn ich noch tiefere Hinweise hier geben darf, geht es mir darum Identität zu finden nach einer Situation, in der man ein Nichts war, weniger als ein Hund oder eine Katze, mit deren Kindern man nicht so umgehen würde, und dann doch nach allem sein Gesicht findet. Nicht das eines anderen. Sondern das eigene nach dieser Entmenschlichung, die er und andere ausgesetzt waren.

Ich klage nicht an mit meinen Texten, auch wenn es manchmal so gesehen wird, sondern mir geht es darum auf den Kern unseres Menschseins zu dringen und drängen.

Soweit

Mit bestem Gruß

Moshe

Max

Beitragvon Max » 12.03.2008, 12:59

Lieber Moshe,

lieben Dank für Deine Erklärungen. Der theoretische Teil dessen (inklusive natürlich Deiner hochgesteckten Ziele) leuchtet mir ein und den Kontrast vom Baum, als Symbol des Lebens und den vom Baum geschossenen Kindern ist mir einleuchtend.

Ich hadere eher mit der konkreten Durchführung, genauer mit Strophe 2, deren Verstellungen ich ohne Deine Erklärungen eben nicht verstanden hätte und deren Notwendigkeit ich auch nicht ganz sehen kann.

Der Artikel interessiert mich! (Wobei ich ihn aber erst lesen kann, wenn ich Ende März wieder zu Hause bin).

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 12.03.2008, 17:55

Lieber Max!

Das ist das Problem mit Widmungen: Wenn der Leser den Menschen, bzw. seine Außerungen, nicht kennt, geht das leicht ins Blaue.

Gern übersende ich dir das Interview, wenn du mir eine dafür geeignete E-Mail-Adresse gibst.

So long

Moshe


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