Im Dom, vorher: Mosaik

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 26.09.2007, 16:47

Im Dom

I.

Wir gingen auf leuchtenden Mosaiken
als sei es eine hohe Zeit
Im Faltenwurf meines Kleides:
Schatten, die unsere Zukunft erdeten

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen

Die reichten weit in den Sommer hinein


II.

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
unser Bildnis nahm.




Erstfassung:

Mosaik

Wir gingen auf den Bildern
als sei es der Tag unserer Hochzeit
Im Faltenwurf meines Kleides lagen
Schatten, die unsere Zukunft erdeten

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen

Die reichten weit in den Sommer hinein

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
ihr Bildnis nahm.
Zuletzt geändert von leonie am 02.10.2007, 16:57, insgesamt 8-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.10.2007, 12:05

Liebe leonie,

ich finde die neue Version (die kürzere) sehr gelungen und finde den damit letzten vers nicht vage, sondern offen, weil geheimnisvoll (er spricht in einer Sprache, die eben von dem, was erfasst werden soll, sprechen kann, weil sie es nicht ausdiffernezieren will, sondern andeuten in einer Klimax).

Aber trauern solltest du nicht...wenn für dich die kurze Version verunsichert, dann ist das der falsche Weg. ich finde es sprachlich so aber sehr stark und habe vertrauen in die Ausdruckskraft der nun letzten zeile.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 02.10.2007, 12:40

Also, liebe leonie,

ich möchte auch noch einmal, obwohl ich es schon geschrieben habe, "pro" letzte Zeile der neuen Version schreiben.
Sie ist offen, und genau richtig ... denn man weiß nicht was auf einen nach dem Sommer und überhaupt zukommt, sondern nur was gewesen ist. Auch Träume gehen nicht Jahre voraus, sondern handeln von dem, was sie aus Erlebten schöpfen können.
Ich ertappe mich immer noch viel zu oft dabei, dass ich zu wenig offen lasse, bei meinen Gedichten (na gut anderer Stil klar), aber das was du hier gemacht hast, ist für meine Begriffe sehr abgerundet und entspricht der feinen Sprache.

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 02.10.2007, 12:55

Hallo leonie,

nun häng ich mich auch noch dran. Habe jetzt nur die beiden Kommentare von lisanie und Gerda unmittelbar vor mir gelesen und stimme beiden völlig zu. Der Schlussvers der vorläufigen Fassung lässt dem Leser mehr Raum, was mir gut gefällt.
Die letzten vier Verse der anderen Fassung ergäben für mich ja schon fast ein eigenständiges Gedicht.

Liebe Grüße
Herby

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.10.2007, 14:31

Lieber Herby,

das ist doch eine feine Idee! Vielleicht lässt sich die dritte Strophe für einen zweiten Text verwenden (der nicht viel länger sein müsste als diese) und vielleicht kommen die beide Texten sogar zueinander,´; dann hätte man die Offenheit und doch ein Zusammenstimmen?

Liebe Grüße,
Lisa
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.10.2007, 14:39

Liebe leonie, liebe alle,

die Gedanken meiner Vorschreiber möchte ich gern aufnehmen. Die 3. Str. wegzuwerfen wäre schade. Sie in anderem Zusammenhang verwenden ist eine Königsidee! Und mit I und II Stufen zeigen, wäre was!

II

Einen Übergang

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
unser Bildnis nahm.

Ein Ende ev.


Interessierte Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 02.10.2007, 16:53

Hallo, Ihr Lieben,

ich glaube, so mache ich es: zweiteilen und jedes steht für sich und doch gehören sie zusammen.

Vielen, vielen Dank für all Eure Mühe und Ideen!

Liebe Grüße

leonie


Ach, und gleich tut sich ein neues Problem auf: Der Titel stimmt so nicht mehr. Grübel....

Peter

Beitragvon Peter » 09.10.2007, 22:25

Liebe Leonie,

mir kommt die Traurigkeit am Ende nicht wirklich entgegen, das liegt wahrscheinlich an den vorherigen Klischees (wie das Blau z.B. der Augen, das den Himmel entgegenwirft). Trotzdem wird mir das Gedicht durch seinen naiven Ton gerettet. Erst über diesen Verweis gehn mir die Zeilen auf. Aber - ich glaube, ich hab das schon mal gesagt - was angesprochen wird, scheint mir nur angesporchen. Ich vermisse durch die Zeilen ein Ausnutzen/ ein Gespräch/ ein Auffalten der Bilder. Z.B. der Faltenwurf im Kleid, Schatten, die die Zukunft erden. Für mich ist das noch nicht das ganze Bild. Es wirft eher den "Verdacht" eines Bildes auf. So geht das Wort selbst sich nur nach, und ist nicht da. Das zeigt sich wieder in den Titeln. Sie scheinen mir nachgesprochen, als hättest du sie im Schreiben vergessen.

Nur um zu zeigen, was ich meine:

Wir gingen auf den Minuten, den Stunden,
des Mosaiks...
Die Zeit flimmerte... Sekunden...
...als wäre es eine hohe Zeit...
Wir gingen dem Bild nach...
Du... Und der Faltenwurf meines Kleids,
schweigend... -- zieht es nicht wie Lid über das Einzelne?
Könnte das nicht gesagt sein?

Kein Vorschlag, nur... ich denke, dass die Worte hier mehr ausgeschöpft werden müssten, damit sie da sind.

Liebe Grüße,
Peter

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leonie
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Beitragvon leonie » 09.10.2007, 23:59

Ach, Peter, das war nach langer Zeit mal wieder ein Versuch. Es funktioniert einfach nicht richtig...

Danke für Deine Rückmeldung, ich freu mich drüber und werde es mir in Ruhe durch den Kopf gehen lassen!

Liebe Grüße

leonie

Peter

Beitragvon Peter » 10.10.2007, 00:12

Liebe Leonie,

wenn ich nicht schreiben kann, schreibe ich über das Nicht-schreiben-können, und wenn ich das auch nicht kann, schreibe ich über das Nicht-schreiben-können über das Nicht-schreiben-können. Oft zieht sich das Wort so weit zurück. Aber eigentlich ist es immer da. Es passt dann nur nicht in die Formen, aber man findet neue Formen.

Ich wünsch dir das.

Liebe Grüße,
Peter


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