Im Dom, vorher: Mosaik

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leonie
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Beitragvon leonie » 26.09.2007, 16:47

Im Dom

I.

Wir gingen auf leuchtenden Mosaiken
als sei es eine hohe Zeit
Im Faltenwurf meines Kleides:
Schatten, die unsere Zukunft erdeten

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen

Die reichten weit in den Sommer hinein


II.

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
unser Bildnis nahm.




Erstfassung:

Mosaik

Wir gingen auf den Bildern
als sei es der Tag unserer Hochzeit
Im Faltenwurf meines Kleides lagen
Schatten, die unsere Zukunft erdeten

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen

Die reichten weit in den Sommer hinein

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
ihr Bildnis nahm.
Zuletzt geändert von leonie am 02.10.2007, 16:57, insgesamt 8-mal geändert.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 26.09.2007, 19:26

Liebe leonie,

ein wenig traurig endet Dein Herbstgedicht. Der Herbst der Liebe? Für mich ist der Herbst (dieses Jahr?) eher eine positivere Jahreszeit.

Die ersten beiden Strophen fallen mir besonders gut. Obwohl der Begriff "begehbare Träume" ein wenig technisch klingt. So wie "Steillagenerntemaschine".

Das Bildnis in der letzten Zeile verstehe ich noch nicht.

Möchtest Du dem Herbststurm noch ein "s" gönnen?

Grüße

Paul Ost

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leonie
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Beitragvon leonie » 26.09.2007, 20:53

Lieber Paul Ost,

danke Dir für die Rückmeldung. Das Gedicht spiegelt nicht meine momentane Lage wieder, nimmt eher eine Herbstmelancholie auf und wendet sie auf eine Liebesbeziehung an.

ja, es sollte technisch klingen, ein wenig ironisch fast. Wobei ich eher an die "begehbaren Kleiderschränke" dachte.

Ich nehme das "s" gerne und warte noch ein wenig ab.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 26.09.2007, 20:55

Liebe leonie,

und gleich noch ein Lesegenuß zum Ausklang dieses Tages.

Schöne, traurige Bilder zeichnest du, um das Ende einer Liebe zu beschreiben, die mir allesamt sehr gut gefallen. Einzig mit den "Bildern" am Anfang hab ich etwas Probleme, da fehlt mir irgendwie etwas, eine Spezifizierung, bevor es mit dem "als- Satz" weitergeht. Die sind mir zu vage gehalten, aber vielleicht geht es ja nur mir so.

Was danach folgt, ist einfach "leonie - like", "die Schatten im Faltenwurf des Kleides", die auch schon aufs Ende hinweisen, die "Steine, die sich zu begehbaren Träumen" fügen, zumindest für eine (begrenzte) zeit, die "Wege, die zu Pfützen zerrinnen" (Tränen?) und schließlich die gesichtslosen Blätter, die nichts vom Frühling/Sommer bewahren konnten. Einfach wunderschön!

Frage: "die reichen weit IN den Sommer hinein?" oder meinst du tatsächlich, daß die Träume den Sommer weit hinneinreichen (wohin? zum Du und zum Ich)?

Sehr gerne gelesen und schön, daß die Muse sich endlich wieder eingestellt hat!

Herzlichst,
Monika

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 26.09.2007, 22:12

Liebe Leonie,

Wie schön! Auch du kommst mit einem richtigen Leonie-Gedicht zurück.

Die reichten weit den Sommer hinein
Sollte es nicht in den Sommer heißen? Sonst verstehe nämlich diese Zeile nicht.

Mir ist die Schlußstrophe die liebste, ach, so traurig.

Herzliche Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 27.09.2007, 02:04

Liebe leonie,

fein, dass deine Kreativität zurückkehrt. In deinem Text stecken schöne Bildideen. Manchen stehe ich noch ein wenig zwiespältig gegenüber.
Die Stellen, die meiner Ansicht nach nicht bildlogisch sind, habe ich fett markiert, vielleicht verstehe ich sie auch nur nicht richtig.

leonie hat geschrieben:Mosaik

Wir gingen auf den Bildern

als sei es der Tag unserer Hochzeit
Im Faltenwurf meines Kleides lagen
Schatten, die unsere Zukunft erdeten

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen


Die reichten weit in den Sommer hinein

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
ihr Bildnis nahm.


Liebe Grüße
Gerda

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.09.2007, 09:41

Hallo Leonie,

:-) schön, wieder etwas von dir zu lesen!

Dieses gehen auf den Bildern, hat mich ein wenig an "berührt" erinnert. Vielleicht lese ich deshalb ein wenig anders. Solange da ein "Wir" ist, ist da auch Farbe, Leichtigkeit, Träume. In der letzten Strophe steht das Ich allein, orientierungslos, es hat seine "Inspiration", sein Du, die Spiegelung verloren und mit ihm die Bilder, die Träume, die Sprache? Am Anfang sehe ich, wie sich bunte Mosaiksteinchen zu immer neuen Bildern formen, scheinbar wie von Zauberhand. Am Ende (im Heute) liegen die Mosaikteilchen (Worte?) auf der Erde, matt, nichtssagend, blind.

Die reichten weit in den Sommer hinein


Schade, dass da das "in" dazu gekommen ist. Ich fand den Gedanken, dass die Träume den Sommer (Wärme, Licht...) ins Ich hineintragen sehr schön. :sad:

In S1 verstehe ich "die unsere Zunkunft erdeten" nicht aus dem Kontext des Gedichtes heraus.

In S2 störe ich mich ein bisschen am "entgegen werfen", da es für mich ein wenig "agressiv" klingt.

Strophe 3 finde ich gerade mit der doppelten Leseart, sehr gelungen.

Die Schatten im Faltenwurf sind sehr schön!

Ich ändere mal im Text, wie ich lese, es ist kein Änderungsvorschlag, nur als Anregung gedacht!


Mosaik

Wir gingen auf den Bildern
als sei es der Tag unserer Hochzeit

(Im Faltenwurf meines Kleides
lagen schon Schatten, sie erdeten uns)

Deine Augen warfen mir blau
den Himmel entgegen in die Hände
und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen

Die reichten weit in den Sommer hinein

Heute zerrinnen mir die Wege
zu Pfützen, darin müde Blätter,
denen der erste Herbststurm
ihrunser Bildnis nahm.


liebe Grüße smile

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.09.2007, 09:48

Liebe smile,

Zitat:Die reichten weit in den Sommer hinein


Schade, dass da das "in" dazu gekommen ist. Ich fand den Gedanken, dass die Träume den Sommer (Wärme, Licht...) ins Ich hineintragen sehr schön.


Dann müsste aber ein Gedankenstrich hin, meinst du nicht?

Die reichten weit - den Sommer hinein

Fragende Grüße
ELsa
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 27.09.2007, 11:07

Hallo, Ihr Lieben,

vielen, vielen Dank für die ausführlichen Rückmeldungen, ich freue mich sehr darüber.
scarlett, ich denke über eine Spezifizierung der "Bilder" nach.

Ja, Elsa, das "in", das stand in meinem Text und ist mir irgendwie verloren gegangen. Für mich ist es mit "in" stimmiger.

Gerda, im Hinterkopf war das Bild von Mosaiken im Dom von Monreals auf Sizilien, vielleicht hilft das weiter. Die beiden laufen darüber und so entstehen die Gedanken zu dem Gedicht.

smile, ich glaube, ich kann nicht so "tiefgreifend" ändern, dann wird der Sinn für mich so anders. Aber ich denke nochmal weiter darüber nach, vor allem in der letzten Zeile das "ihr" in "unser" zu ändern erscheint mir einleuchtend.

Ich muss nochmal ein Weilchen nachdenken und melde mich dann nochmal. Auf jeden Fall vielen, vielen Dank.

leonie

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.09.2007, 11:30

Hallo Leonie,

deshalb schrieb ich ja, "nur als Anregung". ;-)

Das einzige, was mir nach wie vor unstimmig erscheint, ist die "geerdete Zukunft", die ich einfach nicht sehen kann.

liebe Grüße smile

Gast

Beitragvon Gast » 27.09.2007, 13:30

Liebe leonie,

ja, vielen Dank, nun hast du mir die Augen geöffnet ... ich habe den Titel nicht bedacht, :confused: , entschuldige, dabei ist er so fein eingesponnen.

Liewbe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.09.2007, 14:57

Liebe leonie,

ich mag dein melancholisches Gedicht und die Bilder, die mir im Kopf dazu entstehen.

Im Faltenwurf meines Kleides lagen
Schatten, die unsere Zukunft erdeten


Hier könntest du vielleicht auch "ebneten" statt "erdeten" schreiben, nur so eine Idee, da es gut zum späteren "begehbaren Träumen" passen würde.

Wegen dem Mosaik. Evtl. kannst du im Titel dieses Mosaik benennen? "Mosaik im Dom" oder so etwas in der Art, um dieses Mosaik zu konkretisieren.

Vor allem gefällt mir:

und unter unseren Füßen
fügten sich Steine zu
begehbaren Träumen


Sehr gern gelesen!
Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 27.09.2007, 15:08

Hallo leonie,

ich verstehe das "erdeten" anscheinend anders,glaube auch nicht, dass du es gegen "ebneten" austauschen kannst.
Mir scheint es ausgesprochen konnotiert gesetzt.
Das "erden" hat etwas Archaisches, was den meisten Menschen heute fehlt, denke ich.

Liebe Grüße
Gerda

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leonie
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Beitragvon leonie » 27.09.2007, 16:10

Liebe Gerda, liebe Mucki,

erstmal Euch beiden vielen Dank, dass Ihr Euch mit dem Text auseinandersetzt! Ja, das "erden" war so gemeint, Gerda, deshalb kann ich es auch schwer ändern, Mucki.
Es sollte anklingen, dass durchaus im Bewusstsein war, dass auch schwere Zeiten kommen könnten.
Schatten und "erden" entsprechen sich.

Ich habe mal versucht, die Mosaiken in den Text zu nehmen, damit das Bild klarer wird und dem Gedicht einen anderen Titel zu geben. Ich denke immer noch über die letzte Strophe nach. Mal sehn...

Liebe Grüße

leonie


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