An einem Tag

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Edith

Beitragvon Edith » 20.07.2007, 18:57

Liebes Forum,
mit dem Titel bin ich noch sehr unglücklich... aber dennoch, hier kommt eine kleine Geschichte.



An einem Tag
Edith Huber

Ich hätte Lust zu heiraten, sagte er.
Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein, während wir einander gegenüber saßen und gerade noch über irgendeine Banalität gesprochen hatten, so banal, dass sie vergessen war sobald sie über die Lippen kam.
Vor lauter Verwunderung wusste ich nichts zu antworten. Und so setzte sich mein Erstaunen zu seiner Lust und wartete.
Es war eigenartig, wie wir da so saßen, plötzlich zu viert.

Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette, die rot aufglomm im schummrigen Licht der Kneipe. Der Rauch umgab uns wie Nebel, hüllte uns ein, schirmte uns ab.

Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er ausgerechnet auf die Ehe Lust haben könnte statt auf eine Apfelschorle oder ein Bier.

Ich hätte Lust zu trinken, antwortete ich schließlich und betonte die Lust.
Aber er verstand nicht, was ich ihm damit begreiflich machen wollte, sondern schaute mich nur immer weiter an.

So saßen wir da und warteten darauf, dass die Nebel sich lichten würden.
Und als ich die dicke Kellnerin sah, winkte ich sie heran und bestellte einen Jägermeister.

Grau war der Tag nicht mehr.
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Danke, Klara! Das Licht ist schummrig geworden... und sie trinkt Jägermeister.
Danke, Max! glomm, glomm, glomm ;-)
Zuletzt geändert von Edith am 21.07.2007, 09:38, insgesamt 4-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 20.07.2007, 21:01

Liebe Edith,

allererster Blitzeindruck: Das hat Substanz, Du erzählst plastisch, dreidimensional, so dass ich, Dir die Geschichte glaube.

Ein paar Detailanmerkungen:
Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein,


Das klingt für mich - ich weiß nicht, wie es da anderen geht - als säßen die beiden draußen, dass sie dann schließlich in einer Kneipe sind, deren Atmosphäre Du übrigens gut beschreibst, kam für mich als echte Überraschung.

Und so setzte sich mein Erstaunen zu seiner Lust und wartete.
Es war eigenartig, wie wir da so saßen, plötzlich zu viert.


Das hat ein Augenzwinkern und gefällt mir.

Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette, die rot aufglimmte im Dämmerlicht der Kneipe.


Außer, das hier zum ersten Mal die Kneipe auftaucht (ich hätte sie vielleicht eher gebracht), fällt mir noch das "aufglimmte" auf .. "aufglomm" fände ich besser-

Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er ausgerechnet auf die Ehe Lust haben könnte statt auf eine Apfelschorle oder ein Bier.


Der Vergleich ist gut ...


Und als ich die dicke Kellnerin sah, winkte ich sie heran und bestellte einen Schnaps.

Grau war der Tag nicht mehr.


Ich bin definitiv für eine Amputation des letzten satzes ;-). Das klingt zu sehr nach Resümee im Schulaufsatz und es rundet den Text, wo es nix zu runden gibt.

"bestellte einen Schnaps"

ist doch ein prima Schluss!

Hab ich gern gelesen.

Liebe Grüße
max

Klara
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Beitragvon Klara » 20.07.2007, 21:15

Hallo Edith,

gefällt mir (auch der Titel, oder du titelst: "In einen grauen Tag hinein"). Du hast eine eigene Art, deine Inhalte in Sätze zu setzen, das finde ich interessant.

Kleinigkeiten:

Ich hätte Lust zu heiraten, sagte er.
Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein, während wir einander gegenüber saßen und gerade noch über irgendeine Banalität gesprochen hatten, so banal, dass sie vergessen war sobald sie über die Lippen kam.

Das "sagte er" in der ersten Zeile ist überflüssig. Ich persönlich finde auch den Anschlussnebensatz ab "so banal" überflüssig (das ist wohl Geschmackssache), denn er fügt keine Spefizierung hinzu, sondern verstärkt rein plappernd, verdoppelt die Banalität. Wenn da nach diesem erklärenden (allgemeinen) "Banalität" noch etwas kommen soll, dann sollte es etwas Konkretes sein: inwiefern banal.

Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette, die rot aufglimmte im Dämmerlicht der Kneipe. Der Rauch umgab uns wie Nebel, hüllte uns ein, schirmte uns ab.

Ähnlich wie am Anfang: Ich würde schreiben:
Er schaute mich an, seine Zigarette glimmte rot auf im Dämmerlicht der Kneipe. (schummriges Licht wäre genauer als Dämmerlicht. Dämmerlicht ist eigentlich nur draußen, oder?) Der Rauch hüllte uns ein wie Nebel, schirmte uns ab.

Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er ausgerechnet auf die Ehe Lust haben könnte statt auf eine Apfelschorle oder ein Bier.

Hübscher Satz! Komischer Effekt!
Ich hätte Lust zu trinken, antwortete ich schließlich und betonte die Lust.
Aber er verstand nicht, was ich ihm damit begreiflich machen wollte, sondern schaute mich nur immer weiter an.

"begreiflich machen" klingt hölzern. Warum nicht schlichter: "sagen"?

So saßen wir da und warteten darauf, dass die Nebel sich lichten würden.
Und als ich die dicke Kellnerin sah, winkte ich sie heran und bestellte einen Schnaps.

Wieder ähnlich wie oben: zu umständlich. Zu viel gesagt.
So saßen wir da und warteten. Ich winkte die dicke Kellnerin heran und bestellte einen Schnaps. (Ich würde den "Schnaps" sogar genauer klassifizieren, "cooler" machen: Whisky, Wodka, Fernet, was auch immer. Etwas, das zu den beiden passt oder zu der Frau gar nicht passt.
Grau war der Tag nicht mehr.

Da ist das, was ich meine! Hinschreiben und den Rest den Leser denken lassen. Der Schlusssatz ist genau richtig.

Viele Grüße
Klara

Edith

Beitragvon Edith » 20.07.2007, 21:15

Danke Max,
aufglomm übernehm ich sofort! Hat mir eh Magengrummeln gemacht!

Beim Rest überlege ich noch, danke!

Der graue Tag ist nicht auf draußen sondern auf drinnen bezogen. Drum brauch ich das wohl so.

Beim letzten Satz... hmmm... ich hab ja die Neigung zu großen Erklärungen und muss immer minimalisieren. Vermutlich hast Du recht mit der Kürzung.
Auf der anderen Seite komme ich so in einen Kreis... Das gefällt mir auch. Ich muss wohl darüber schlafen.

Glg,
Edith
Zuletzt geändert von Edith am 20.07.2007, 21:19, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 20.07.2007, 21:18

... oder muss es heißen "seine Zigarette GLOMM rot auf?" Glühte auf? Bin jetzt ganz unsicher...

Edith

Beitragvon Edith » 20.07.2007, 21:21

Ähm, hallo Klara,
danke für den Kommentar.
Siehe vor: Hang zu großen Erklärungen :-)

Glg,
Edith

Klara
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Beitragvon Klara » 20.07.2007, 21:22

Siehe vor: Hang zu großen Erklärungen


???

Edith

Beitragvon Edith » 20.07.2007, 21:24

Hallo Klara,
danke für den Kommentar.
Siehe vor: Hang zu großen Erklärungen :-) - ich schreibe oft zu erklärend, zu ausführlich.

Mit dem Nebel, die sich lichten sollen, meine ich, dass es nötig ist, eine Entscheidung zu treffen... Ganz wörtlich: wenn sich die Nebel lichten, herrscht Klarheit.
Aber das ist zu viel, findest Du?

Stimmt, Schnaps ist wohl etwas antiquiert, hm? Ich mach einen Jägermeister draus (wegen dem Klischee :-)). Danke!

Glg,
Edith

... irgendwas hab ich jetzt falsch gemacht! Das obere Posting war schon da, bevor ich es wollte, sorry. Das hier ist die richtige Antwort.

Klara
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Beitragvon Klara » 20.07.2007, 21:31

Mit dem Nebel, die sich lichten sollen, meine ich, dass es nötig ist, eine Entscheidung zu treffen... Ganz wörtlich: wenn sich die Nebel lichten, herrscht Klarheit.

Ja, das hatte ich kapiert. Aber der Nebel wurde ja schon genannt, bei der Zigarette.
Aber das ist zu viel, findest Du?

Ja. Aber das mag wie gesagt Geschmackssache sein. Ich würde sie einfach dasitzen und warten lassen. Es wäre in meinen Augen klar, dass sie nicht auf einen weiteren Gast warten, sondern auf sich selbst.

Grüße
Klara

Sam

Beitragvon Sam » 21.07.2007, 07:41

Hallo Edith,
erstmal herzlichen Glückwunsch (siehe Freu-Ecke) !

Dein Text hat wirklich Substanz. Zeigt er doch anschaulich wie schwierig sie ist, die Kommunikation zwischen Mann Frau. Wie unterschiedlich da die Worte besetzt sind.

Mit der Art, wie du den Text geschrieben hast, bin ich aber nicht ganz glücklich. Das liegt vor allem an die Unentschlossenheit, die er ausstrahlt. Ich habe das Gefühl, es will ein ironischer Text werden (was er m.M. nach auch werden sollte/müsste). Dafür hast du ihm aber zuviel Gewicht angehängt. Die Ironie aber wirkt über die Leichtigkeit.

Um zu verdeutlichen, was ich meine, stelle ich das Schwere dem Leichten mal gegenüber.

Ich hätte Lust zu heiraten, sagte er.

Klasse Einstieg, fliegt schön los.

Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein, während wir einander gegenüber saßen und gerade noch über irgendeine Banalität gesprochen hatten, so banal, dass sie vergessen war sobald sie über die Lippen kam.

Glatte Bauchlandung. Durch das in den grauen Tag hineinsagen und die Erklärung des Banalen.

Vor lauter Verwunderung wusste ich nichts zu antworten. Und so setzte sich mein Erstaunen zu seiner Lust und wartete.
Es war eigenartig, wie wir da so saßen, plötzlich zu viert.

Es hebt wieder ab. Die Personifizierung von Lust und Erstaunen um ihre Präsenz auszudrücken, sehr gut.

Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette, die rot aufglomm im Dämmerlicht der Kneipe. Der Rauch umgab uns wie Nebel, hüllte uns ein, schirmte uns ab.

Es geht wieder schwer nach unten. Und der Nebel hüllt leider dieses originelle und ironische Bild der personifizierten Lust bzw. Erstaunens ein.

Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er ausgerechnet auf die Ehe Lust haben könnte statt auf eine Apfelschorle oder ein Bier.

Steil nach oben! Kernsatz der Geschichte für mich, zeigt sich doch, wie die Prot. das Wort Lust für sich definiert. Ich würde hier nur aus einem Satz zwei machen, dann wäre die Wirkung größer.

Ich hätte Lust zu trinken, antwortete ich schließlich und betonte die Lust.
Aber er verstand nicht, was ich ihm damit begreiflich machen wollte, sondern schaute mich nur immer weiter an.

Hier wird es wieder schwerer, vor allem durch die umständlichen Formulierungen.

So saßen wir da und warteten darauf, dass die Nebel sich lichten würden.
Und als ich die dicke Kellnerin sah, winkte ich sie heran und bestellte einen Jägermeister.

So richtig kommt der Text nicht mehr hoch. Nochmal muss der Nebel her, als bedeutungsschweres Bild. Aber sie bestellt einen Jägermeister - das ist wieder sehr gut und - herrlich leicht!

Grau war der Tag nicht mehr.

Leider die endgültige Bauchlandung, weil mit diesem Schlusssatz sämtliche Leichtigkeit aus dem Text herausgenommen wird.

Sorry, wenn ich deinen Text jetzt so zerpflückt habe. Ich möchte nur deutlich machen, wo für mich das Problem liegt. Und zwar in diesem Nebeneinander von ironischer Leichtigkeit und Distanz auf der einen Seite und bedeutungsschwerer Metaphorik (vor allem der graue Tag und der Nebel) auf der anderen Seite. Das macht aus dem Text nicht Fisch nicht Fleisch.

Liebe Grüße

Sam

Edith

Beitragvon Edith » 21.07.2007, 09:35

Lieber Sam!
Danke... immerhin hat Dir der Text wohl schon besser gefallen als der letzte :-).

Ich glaube, Du hast mit Deiner Kritik genau verdeutlicht, worauf ich mit dem Text hinauswollte. Die Skurilität und die Bedeutungsschwere, die "große" Momente im Leben oft haben. DAS wollte ich. Also diese Widersprüchlichkeit in den Text kriegen...

Über die Nebel werde ich noch nachdenken...

Viele Grüße, danke fürs Zerpflücken. Ich bin froh darüber. :-)

Edith

Nifl
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Beitragvon Nifl » 21.07.2007, 09:56

Huhu Edith,

(keine Kommentare gelesen)

mir gefallen verdichtete Stimmungsszenen, so auch diese. Für mich zeigt der Text einen gewissen Wahnsinn auf, der unseren Alltag begleitet. Nämlich, dass Selbstverständliches, Unwesentliches direkt neben dem Existenziellem liegen kann. So dicht, dass sich beide Seiten gleichgültig vermischen können.

Sprachlich ist die Szene aber für mein Empfinden noch recht schwach. Für diesen kurzen Text verwendest du viele Wiederholungen und eine gewisse Formulierungssteifheit durchzieht den Text. An der Semantik würde ich unbedingt noch feilen.

Ich hätte Lust zu heiraten, sagte er.
Er sagte


Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein, während wir einander gegenüber saßen und gerade noch über irgendeine Banalität gesprochen hatten, so banal, dass sie vergessen war sobald sie über die Lippen kam.
Vor lauter Verwunderung wusste ich nichts zu antworten. Und so setzte sich mein Erstaunen zu seiner Lust und wartete.
Es war eigenartig, wie wir da so saßen, plötzlich zu viert.


ich schließlich und betonte die Lust.

Wie das denn?
Sprachlich? Dann müsste "die" weg.

So saßen wir da und

Hatten wir oben schon

Grau war der Tag nicht mehr.

Würde ich drauf verzichten. Sonst wird mir der Text zu brav. Und gerade das soll er ja nicht sein.

LG
Nifl
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 26.07.2007, 14:27

Hallo Edith

(Kommentare gelesen...)

...und deswegen sehe ich schon die wesentlichen Dinge als bereits erwähnt. Den letzten Satz empfinde ich auch als echten Schnitzer, der unbedingt ersatzlos raussollte. Den 'Jägermeister' würde ich nicht gegen 'Schnaps' austauschen, ungeachtet dessen, dass ich persönlich Jägermeister gegen fast jeden anderen Schnaps eintauschen würde. :o)

Der ist aber schön asi, dann sollte man ihn auch benennen. Denn kein Mensch sagt zum Wirt: "Mach' mir mal 'nen Schnaps!"

Ich sehe hier eine Menge Potential und Substanz in deiner verdichtenden Erzählweise. Ein bisschen Feilerei lohnt sich bestimmt.

Gruß,
Tom.

p.s. Als Titel ging mir spontan 'Der Freier' oder sowas in der Art durch den Kopf. 'An einem Tag' könnte so ziemlich jede Geschichte heißen. Ich würde da konkreter werden, ohne zu verraten.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Klara
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Beitragvon Klara » 26.07.2007, 14:40

Titelvorschlag:

Anhalten

[um die Hand, den Moment etc.]


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