Hallo Edith,
erstmal herzlichen Glückwunsch (siehe Freu-Ecke) !
Dein Text hat wirklich Substanz. Zeigt er doch anschaulich wie schwierig sie ist, die Kommunikation zwischen Mann Frau. Wie unterschiedlich da die Worte besetzt sind.
Mit der Art, wie du den Text geschrieben hast, bin ich aber nicht ganz glücklich. Das liegt vor allem an die Unentschlossenheit, die er ausstrahlt. Ich habe das Gefühl, es will ein ironischer Text werden (was er m.M. nach auch werden sollte/müsste). Dafür hast du ihm aber zuviel Gewicht angehängt. Die Ironie aber wirkt über die Leichtigkeit.
Um zu verdeutlichen, was ich meine, stelle ich das Schwere dem Leichten mal gegenüber.
Ich hätte Lust zu heiraten, sagte er.
Klasse Einstieg, fliegt schön los.
Er sagte das einfach so in einen grauen Tag hinein, während wir einander gegenüber saßen und gerade noch über irgendeine Banalität gesprochen hatten, so banal, dass sie vergessen war sobald sie über die Lippen kam.
Glatte Bauchlandung. Durch das in den grauen Tag hineinsagen und die Erklärung des Banalen.
Vor lauter Verwunderung wusste ich nichts zu antworten. Und so setzte sich mein Erstaunen zu seiner Lust und wartete.
Es war eigenartig, wie wir da so saßen, plötzlich zu viert.
Es hebt wieder ab. Die Personifizierung von Lust und Erstaunen um ihre Präsenz auszudrücken, sehr gut.
Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette, die rot aufglomm im Dämmerlicht der Kneipe. Der Rauch umgab uns wie Nebel, hüllte uns ein, schirmte uns ab.
Es geht wieder schwer nach unten. Und der Nebel hüllt leider dieses originelle und ironische Bild der personifizierten Lust bzw. Erstaunens ein.
Nichts hatte darauf hingedeutet, dass er ausgerechnet auf die Ehe Lust haben könnte statt auf eine Apfelschorle oder ein Bier.
Steil nach oben! Kernsatz der Geschichte für mich, zeigt sich doch, wie die Prot. das Wort Lust für sich definiert. Ich würde hier nur aus einem Satz zwei machen, dann wäre die Wirkung größer.
Ich hätte Lust zu trinken, antwortete ich schließlich und betonte die Lust.
Aber er verstand nicht, was ich ihm damit begreiflich machen wollte, sondern schaute mich nur immer weiter an.
Hier wird es wieder schwerer, vor allem durch die umständlichen Formulierungen.
So saßen wir da und warteten darauf, dass die Nebel sich lichten würden.
Und als ich die dicke Kellnerin sah, winkte ich sie heran und bestellte einen Jägermeister.
So richtig kommt der Text nicht mehr hoch. Nochmal muss der Nebel her, als bedeutungsschweres Bild. Aber sie bestellt einen Jägermeister - das ist wieder sehr gut und - herrlich leicht!
Grau war der Tag nicht mehr.
Leider die endgültige Bauchlandung, weil mit diesem Schlusssatz sämtliche Leichtigkeit aus dem Text herausgenommen wird.
Sorry, wenn ich deinen Text jetzt so zerpflückt habe. Ich möchte nur deutlich machen, wo für mich das Problem liegt. Und zwar in diesem Nebeneinander von ironischer Leichtigkeit und Distanz auf der einen Seite und bedeutungsschwerer Metaphorik (vor allem der graue Tag und der Nebel) auf der anderen Seite. Das macht aus dem Text nicht Fisch nicht Fleisch.
Liebe Grüße
Sam