Spiegel VII

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.11.2006, 19:55

Spiegel VII

Dein bleicher Blick
blättert in Alben.

Dort
wo wir waren
sind kleine Bilder
aufgestellt
die nur wir sehen

Am Anfang
ist der Teddybär
vergilbt

Unsere Tränen
fallen neben
unsere Hände

Unsere Worte
laufen davon
laufen in uns
im Kreis

Wir können nichts
trennen

Peter

Beitragvon Peter » 29.11.2006, 20:06

Hallo moshe.c,

hab schon manchmal in deinen (Kurz)Gedichten gelesen. Ein für mich oft fremder Weg. Mich zieht es eher zu den Landstraßen hinaus, auch oft zum Laufen. Oder ich fahre lieber, und fahre im Fahren. Aber dieses hier, dieser sehr kurze Weg zum Herz, dieses Gedicht ist mir nicht fremd.

Liebe Grüße,
Peter
Zuletzt geändert von Peter am 29.11.2006, 20:47, insgesamt 4-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 29.11.2006, 20:36

Lieber Moshe,

was mir an diesem Gedicht gefällt ist die Phrase

Dort
wo wir waren
sind kleine Bilder
aufgestellt
die nur wir sehen


Nun ja, es ist wohl schon eine ganze Strophe ;-) und bei manch einem Deiner Gedichte wäre es mehr als das ganze Gedicht :mrgreen: Hier invertierst Du sehr schön das Prinzip eines Photoalbums.

Danach ist das Gedicht an einigen Stellen mit Symbolen besetzt, die gelegentlich schon fast etwas rührseliges haben, etwa

Am Anfang
ist der Teddybär
vergilbt


oder
Unsere Tränen
fallen


Das ist ja ganz sicher extra, aber ich frage mich, was es bedeutet. Der Schlussakkord

Wir können nichts
trennen


ist für mich sehr gelungen. Er könnte unter so vielem stehen.

Liebe Grüße
max

scarlett

Beitragvon scarlett » 29.11.2006, 21:06

Hallo moshe,

das ist mal wieder eines deiner Gedichte, die in mir spontan etwas zum Klingen bringen - da eröffnen sich Räume, da wird gesehen und ... gefühlt.

Die Worte, die davonlaufen und doch im Kreis laufen, ist für mich das zentrale Bild (wen wunderts? *g*), in dem der Schlußsatz mir fast schon vorweggenommen erscheint.

Berührend auch das Bild des Teddybären (das ich anders als Max empfinde) und der Tränen, die neben die HÄnde fallen...

Sehr, sehr gerne gelesen.

Gruß,

scarlett

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.11.2006, 22:11

Hallo scarlett!

Orit sieht es genauso, wie du!

Schön, deine Bestätigung meiner Bemühungen um so ein seltenes Thema.

Moshe

Peter......!

Klara
Beiträge: 4531
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 30.11.2006, 00:16

Hallo,

auch dies Gedicht gefällt mir sehr, moshe c.!

Ich lese es als Variation auf das Thema "vergilbte Ehe" oder "Liebe mit Grauschleier"

Besonders gelungen:

Am Anfang
ist der Teddybär
vergilbt


aber der ganze Text atmet, jedes Wort ist ehrlich und ohne Künstelei - ich mag es!

LG
K

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
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Beitragvon Mucki » 30.11.2006, 12:19

für mich sind es Kindheitserinnerungen - aus der Perspektive des Alters - die quasi "rückwärts" laufen (am Anfang ist der Teddybär vergilbt) und sich die "Zeiten" und Bilder vermischen, als wär es heute (wir können nichts trennen).
Hab es sehr gerne gelesen.
Saludos
Magic

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 03.02.2007, 19:14

Eine weitere Bearbeitung:
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Spiegel VII

In Alben
blättern deine Augen.

Dort
wo wir waren
sind kleine Bilder
aufgestellt,
die nur wir sehen.

Am Anfang
ist der Teddybär
vergilbt.

Tränen
fallen neben
unsere Hände.

Worte
fliegen davon,
in uns
im Kreis.

Wir können nichts
trennen.

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leonie
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Beitragvon leonie » 03.02.2007, 21:40

Lieber moshe,

schön, Dich zu lesen! Deine Bearbeitung gefällt mir sehr, viel besser als die erste Fassung. Sie ist zarter, obwohl Du ja nur Kleinigkeiten verändert hast. Ich kann mich gut hineinfühlen, die kleinen Bilder, die nur "wir" sehen, die Trauer, das "nicht-Fassen-Können" und wie alles doch ins "Wir" eingebunden ist, untrennbar.

Ich finde die zweite und vierte Strophe besonders stark.

Liebe Grüße

leonie

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 05.02.2007, 15:00

Liebe Leonie!

Danke für deine Antwort!, und es freut mich sehr, daß dir die Überarbeitung gefällt. Ich arbeite langsam an dem Geschriebenen des letzten Jahres. Die Spiegel-Serie scheint mir ein Kernstück zu sein. Vielleicht bekomme ich noch eine Vertonung hin. Habe damit sehr vorsichtig angefangen.

Mit liebem Gruß

Moshe

Max

Beitragvon Max » 05.02.2007, 19:12

Lieber Moshe,

auch ich möchte sagen, dass ich denke, dass das Gedicht durch die Überarbeitung gewonnen hat.

Bekommen wir denn irgendwann mal die gesamte Spiegelsammlung zu sehen (wie viel sind es 10, 12?) - auf einen Schlag meine ich?

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 05.02.2007, 19:31

Lieber Max!

Es sind zehn.
Ich will versuchen sie auch alle zu lesen.
Wie und ob das dann in ein/en 'Stück/Schlag' passen könnte, weiß ich auch nicht. Vielleicht hast du ja eine Idee, wie ich es machen könnte.

Mit liebem Gruß

Moshe


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