Die Hundert in zehn Sekunden

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 02.01.2007, 16:16

Die Hundert in zehn Sekunden


Sobald die Nabelschnur durchtrennt ist
du dich zufrieden im Gitterbett streckst
spielen sie im Radio bereits
time to say goodbye

Da kannst du noch so schnell rennen
am Ende wirst du der Verlierer sein
denn der Sarg ist bereits ausgemessen
zweihundert mal fünfundsechzig

Der Tod ist schneller als Armin Hary

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.01.2007, 17:01

Hallo Manfred,

ziemlich düster, fast schon apokalyptisch, dein Gedicht.
Zuerst suchte ich nach dem Grund, warum du den ersten Mann, der die 10 Sekunden beim 100-m-Lauf schaffte, hier, quasi als Plateau für deine Gedanken verwendest. Ich dachte bei dem Satz

Da kannst du noch so schnell rennen
am Ende wirst du der Verlierer sein


dass Hary evtl. der Verlierer war, aber er war es ja gar nicht. Er konnte nicht mehr weiterlaufen aufgrund eines Unfalls und ist ins Immobiliengeschäft gewechselt. Er hat zwar insofern "verloren", weil er seinen Sport nicht mehr ausführen konnte, jedoch nicht in dem Sinne, wie ich deine Zeilen verstehe. Oder bin ich da auf dem Holzweg?
Grübelnde Magic

Perry

Beitragvon Perry » 02.01.2007, 17:55

Hallo Gabriella,
danke für deine Eindrücke und die Auseinandersetzung mit dem Text. Armin Hary steht hier nur stellvertretend für die Schnelllebigkeit, wer außer dir und mir kennt ihn heute noch (lächel).
Mit dem Text wollte ich das Gefühl des "Zeitrasens" beschreiben, dass mich manchmal am Jahreswechsel befällt. Der Tod braucht keine 10 Sekunden, um uns einzuholen, deshalb sollten wir keine Zeit vergeuden vor ihm wegzulaufen.
LG
Manfred
PS: Tolles Profil übrigens, auf deinem neuen Foto.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.01.2007, 18:32

Ja, dieses Profil gefällt mir auch sehr gut! Es sagt mir mehr, als der direkte Blick.

Ansonsten finde ich Weglaufen nicht so gut, auch nicht wegen oder mit Armin Harry.

moshe.c

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.01.2007, 18:42

Hallo Manfred,

ja, dieses Gefühl, dass die Zeit rast, einen zwischen den Fingern zerrinnt, kenne ich nur zu gut. Und mir geht es wie dir, gerade beim Jahreswechsel ist es sehr stark.

Danke wg. dem Foto. Ich hab zwar im Autorenportrait ein anderes drin, aber für das kleine 80er Pixelformat hielt ich dieses für Geeigneter,-)
Saludos
Magic

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Beitragvon leonie » 02.01.2007, 21:53

Hallo Manfred,

ich finde, Dein Gedicht beschreibt dieses Gefühl der verrinnenden Zeit und das Thema des Abschieds, das damit verbunden ist, mit starken Bildern. Für mich ist die letzte Zeile nicht notwendig für das Verständnis.

Ich könnte sie mir auch als Titel vorstellen "Schneller als Armin Hary".

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 03.01.2007, 12:20

Lieber Manfred,

das Grundgefühl, das du mit diesem Gedicht beschreibst kenne ich ganz gut.

Zu dem Gedicht möchte ich das folgende sagen:

Die Hundert in zehn Sekunden


Wenn das Gedicht allgemein die Vergeblichkeit des Weglaufens vor dem Tod beschreiben soll, so ist der Titel irreführend, denn es geht ja nicht darum, wie schnell wer 100 Meter läuft, das ist ja auch für jeden verschieden.

Sobald die Nabelschnur durchtrennt ist
du dich zufrieden im Gitterbett streckst


Komisch, mit dem Durchtrennen der Nabelschnur assoziere ich zuallererst den Geburtsschrei und nicht so sehr Zufriedenheit.

spielen sie im Radio bereits
time to say goodbye


Ich kann diese Zeile ironisch lesen und das mag ich daran.

Da kannst du noch so schnell rennen
am Ende wirst du der Verlierer sein


Hier bricht das Bild, oder? Da ist das Kind erwachsen, denn sonst hat es mit den 100 Metern auch in mehr als 10 Sekunden Probleme ;-)

denn der Sarg ist bereits ausgemessen
zweihundert mal fünfundsechzig


Das ist ein bißchen melodramatisch für mich, aber mir gefällt es trotzdem.

Der Tod ist schneller als Armin Hary


Das fände ich als Schlagzeile beim Tod Armin Harrys gut, in diesem Gedicht wäre sie nicht so notwendig ...


Liebe Grüße
Max

Perry

Beitragvon Perry » 03.01.2007, 19:09

Hallo Moshe,
ja, das Leben ist zu kurz, um es mit Weglaufen zu vergeuden.
LG
Manfred

Hallo Gabriella,
dann wünsche ich dir einen ruhigen Start ins neue Jahr.
LG
Manfred

Hallo Epos,
freut mich, dass dir meine Zeilen gefallen haben. Armin Hary sollte hier nur ein Schlussgag sein und nicht im Vordergrund stehen.
Danke für den Vorschlag und LG
Manfred

Hallo Max,
danke für deine ausführliche Kommentierung, ich denke gerne darüber nach. Vielleicht hilft es, manche Formulierungen nicht allzuwörtlich auszulegen. Was ein Baby kurz nach der Geburt fühlt, können wir wohl nur vermuten (lächel).
LG
Manfred

Max

Beitragvon Max » 04.01.2007, 12:39

Lieber Manfred,

eigtnlich tendiere ich nicht dazu, zu wörtlich auszulegen (denke ich), nur irgendwie muss ich mich ja auf den Text bezoehen ;-) ...

Übrigens heißt Epos Leonie und Epos ist Ihr Status (Leonie als Status haben wir noch nicht eingeführt :-) )

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon leonie » 04.01.2007, 12:57

Lieber Max,

leonie als Status würde weit über der Enzyklopädie liegen, selbstverständlich aber kurz unterhalb von Max.

Liebe Grüße, auch an das Meer.

leonie :-)

Perry

Beitragvon Perry » 05.01.2007, 18:15

Hallo Max,
danke für den Hinweis. Ich hoffe, Leonie verzeiht mir den Epos äh ... Lapsus .
LG
Manfred


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