Spiegel III

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 20.11.2006, 21:07

Spiegel III

Als ich mich
wiedersehe
nach so vielen Jahren
in deinen Augen
heute
in deiner ersten Hand
die mich berührte
und unsere Tränen
jetzt
weil so viel fehlte
was wir uns versprochen haben

sind deine Gewänder
anders
farbloser
schwerer
bedeutungsloser
mit den gleichen Fältchen
in den Mundwinkeln
wenn du erwachst

Uns ist kälter
je weiter wir kommen
in Wolle
und einem
elektrischen Heizkissen

Dein Muttermal
ist geblieben
Zuletzt geändert von moshe.c am 22.05.2007, 16:23, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2006, 22:29

Dieses Spiegelgedicht ist dir ganz besonders gut gelungen, Moshe.

Das Beste:

Dein Muttermal
ist geblieben


Klasse! Darauf muss man echt erstmal kommen.
Saludos
Magic

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 20.11.2006, 22:38

Ja, liebe Gabriella, das finde ich auch und Orit ist ebenfalls der Meinung.

Es ist ein heikles Thema über Liebe nicht nur aus der Perspektive von den 20igern zu schreiben.

Moshe

Perry

Beitragvon Perry » 23.11.2006, 14:35

Hallo Moshe,
die Perspektive aus einer "gereifteren" Sicht ist dir gut gelungen. Mir gefallen vor allem die Fältchen in den Mundwinkel. Ändern, bzw. weglassen würde ich den altertümlich klingenden Teil "was versprochen ward."
LG
Manfred

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 23.11.2006, 15:59

lieber moshe,

ein fürwahr schöner text.
inhaltlich stringent bis zum paradoxen ende.

der optimist der unverbesserliche in mir hat deine zeilen "übersetzt"...

war ein genuss zu lesen

salve
hakuin

Klara
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Beitragvon Klara » 24.11.2006, 11:29

Das ist eine sehr, sehr schöne Liebeserklärung, auch an die Zeit, an die Bitterkeit, ans Unabänderliche, an die eigene Schwermut.

l'amour est triste, schrieb einst René Char, und das bleibt sie wohl auch, egal wie alt.

K.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.11.2006, 12:45

Ich bedanke mich sehr für eure wohltuhenden Kommentare.

Perry: Du hast recht, ich ändere es, wenn auch mit einigen Zweifeln.

Moshe

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.11.2006, 12:55

Lieber moshe,
den Text habe ich richtig richtig gern gelesen und für mich ist es seit langer Zeit dein emotional offenster Text. Er ist nicht bemüht, er ist nah am Fühlen, tolle Bilder tauchen auf.

Details wären:

Ich stimme Perry, was das "ward" angeht zu, ich finde es fügt sich nicht natürlich in den Text.

Die einzige Stelle, die ich schwächer finde, ist die Aufzählung:
Deine Gewänder sind
anders
farbloser
schwerer
bedeutungsloser


generell mag ich, dass du durch solch eine Aufzählich deutlich machst, dass du dich annähern willst, ausdrückst, dass du nach den richtigen Attributen suchst...das gefällt mir. Ich finde in diesem Fall aber die Adjektive zu gewöhnlich, zu wenig originell um sie extra im Zusammenhang mit Gewandt zu benennen..

das "und einen" müsste nach meinen Empfinden nicht in einer Extrazeile stehen...könnte also nach oben oder unten gezogen werden.

Ansonsten ein tolles Gedicht, ein schöner Lichtwurf aus Erinnerung und Selbstbeleuchtung. Und wie magic schon schrieb, das Bild am Ende ist besonders gelungen.

Habe ich gern gelesen! Und so eine Spiegelreihe ist spannend.
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.11.2006, 13:10

Liebe Lisa!

Wir haben uns überschnitten.

Die Adjektive möchte ich hier nicht anders wählen, weil sie mir eben so nah an der Gewöhnlichkeit sind.

Das "und einem" (Ich nehme an du meinst dieses) ergibt sich bei mit aus dem Lesefluß zu einer extra Zeile, weil dann eine Betonung auf "einem" liegt, ansonsten geht für mich dieser Moment in seiner Bedeutung verloren. Oder?

Danke für deinen Kommentar.

Moshe

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.11.2006, 20:17

Lieber moshe,
zu dem und einem <---;-): Find ich nicht! Wenn du es zu "in Wolle" ziehst, wird es stärker betont als wenn es alleine steht, jedenfalls von meinem Gehirn :spin2: . Mir kommt der Bruch jetzt unnatürlich vor und die Aufmerksamkeit wird vermehrt auf das "elektrische" gerichtet, der Sog zieht sich Richtung "lek", ich wäre also gegen die Einzelzelle. Aber das bleibt natürlich deine Wahl.

Liebe Grüße, gefällt mir immer noch gut!
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 25.11.2006, 21:24

Liebe Lisa!

Jetzt habe ich die Glühbirne gefunden. :eek:

Stimmt, ist ne tolle Überlegung.

Ich schreibe da weiter und laß es sitzen samt allen Anregungen, und Anfang nächsten Jahres will ich das Ganze dann mal sehr sorgfälltig vertonen. Dabei wird es bestimmt auch Veränderungen am Text geben, da bin ich mir sicher.

Danke dir sehr

Moshe


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