Sie tanzt

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2006, 22:49


Sie tanzt

getrieben von inneren Dämonen
springt sie in die Schleudersäule
glühende Pfeilspitzen rotieren
sie tanzt
mit ihrer Eiseskälte ihnen
Erlöschen entgegen
ihr Eis beginnt zu schmelzen
sie tanzt
sich zum Speer aus Erz
tausend Pfeile zu Dolchen stoßen
haarscharf an ihr vorbei
sie tanzt
gewandelt zum Schwert
mit einem Schwung zum Todesritt
packt den Gegner am Puls
sie tanzt
ihr Herz in Stahl
lässt Dämonen lachersticken
ascheklein verwehen
sie tanzt


(c) Gabriella Marten Cortes

Niko

Beitragvon Niko » 18.10.2006, 22:30

hallo magic!

das berührt mich. ich spüre die ganze leidenschaft dieser tänzerin. tanz ist dein thema, will mir scheinen. - was ich zu gut verstehen kann. gerade dieses wiederholen von "sie tanzt" macht für mich dieses gedicht so eindringlich. ich glaube, gesprochen wäre das hier ein knaller.
ich stelle mir dabei einen argentinischen tango vor, von dem du schoneinmal schriebst. dazu würde diese stimmung auch gut passen. denn dieser tango hat was von erotik und kälte, von hitze und eis, von unnahbarem und nähe. für mich...


die "schleudersäule" ließ mich stolpern. auch deine zeilenbrüche, die du allerdings gekonnt gemacht hast um so mehrere ebenen möglich zu machen. obwohl ich es an einer stelle grammatikalisch für fragwürdig halte. nämlich hier:

mit ihrer Eiseskälte ihnen
Erlöschen entgegen (wieso lässt du das "dem" weg?)
ihr Eis beginnt zu schmelzen
sie tanzt
sich zum Speer aus Erz
tausend Pfeile zu Dolchen stoßen

haarscharf an ihr vorbei

da bin ich mir beim fettgedruckten nicht ganz klar, was du meinst. mit "stoßend" könnte ich etwas anfangen....

ich rätsele noch.... aber dennoch: man spürt das, was du schreibst. und das find ich ganz klasse!

lieben gruß: Niko

PS: stärkste stelle für mich: sie tanzt / ihr herz in stahl

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 18.10.2006, 23:40

hey magic,

ein: "sie tanzt" am ende
würde für mich viel stimmiger sein!
das geschehene bis zum ende aufsparen und dann: die erlösung:
sie TANZT

ciao
hakuin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.10.2006, 00:08

Hallo Niko,

schön, dass dir mein Gedicht gefällt:-)

Man kann es aber auch völlig anders lesen, als du es interpretiert hast, das ist dir klar, oder? ;-) Die "Schleudersäule" ist ein Hinweis darauf, worum es geht.

Das "sie tanzt" hat für mich nämlich eine völlig andere Bedeutung und hat mit tanzen gar nichts zu tun. Aber ich finde es klasse, dass man es auch so lesen kann, wie du es tust!


obwohl ich es an einer stelle grammatikalisch für fragwürdig halte. nämlich hier:

mit ihrer Eiseskälte ihnen
Erlöschen entgegen (wieso lässt du das "dem" weg?)


weil da keines hingehört. Sie "tanzt" den glühenden Pfeilspitzen Eiseskälte entgegen und bringt auf diese Weise das Glühen zum Erlöschen.

sie tanzt
sich zum Speer aus Erz
tausend Pfeile zu Dolchen stoßen
haarscharf an ihr vorbei


da bin ich mir beim fettgedruckten nicht ganz klar, was du meinst. mit "stoßend" könnte ich etwas anfangen....


Sie verwandelt sich zum Speer aus Erz, während ihr Kontrahent sich von den Pfeilen zu Dolchen verwandelt, die zustoßen, eben haarscharf an ihr vorbei. Hier habe ich das Wort "stoßen" mit hinübergezogen in die nächste Zeile, wie ich es ja öfter in diesem Text tue, damit er sich getrieben liest.

Ja, ich werde ich mal lesen.

Saludos
Gabriella

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.10.2006, 00:12

Hallo Hakuin,

hey, endlich ein Bild von dir! Und dann noch so ein cooles! :-)

Die Wiederholung von "sie tanzt" muss drin sein, weil sie eben nicht tanzt, sondern etwas ganz Konkretes tut, und dies immer wieder in anderer Nuance. Siehe mein posting an Niko. Und auch, weil ich den Text gehetzt gelesen haben möchte, ohne Pause, in einem durch.
Saludos
Gabriella

Gast

Beitragvon Gast » 20.10.2006, 02:43

Liebe Gabriella,

das gefällt mir gut, doch habe ich dazu noch ein paar Anmerkungen, weil mich einige Textstellen, wie auch meine Vorleser aus der (Lese)Bahn werfen. Ich stells mal hier drunter, was mir so spontan dazu einfiel.

Magic hat geschrieben:Sie tanzt

getrieben von innerenDämonen
springt sie in die Schleudersäule was ist das?
glühende Pfeilspitzen rotieren
mit ihrer Eiseskälte
tanzt sie ihnen
So passt die Syntax besser

Erlöschen entgegen
ihr Eis beginnt zu schmelzen der Bezug der Pronomen "ihr""ihnen" ist für mich hier nicht eindeutig
sie tanzt
sich zum Speer aus Erz
tausend Pfeile zu Dolchen stoßen
haarscharfan ihr vorbei
sie tanzt
gewandelt zum als Schwert
mit einemSchwung zum Todesritt
packt den Gegner am Puls
sie tanzt
ihr Herz in Stahl
lässt Dämonen lachersticken diese wortschöpfung klingt für mich unfreiwillig komisch
ascheklein verwehen
sie tanzt

© Gabriella Marten Cortes
17.10.2006



Alles Liebe Bea

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.10.2006, 11:18

Liebe Bea,

hier zitiere ich dich mal komplett, damit ich besser darauf eingehen kann.

Beatrix hat geschrieben:

das gefällt mir gut, doch habe ich dazu noch ein paar Anmerkungen, weil mich einige Textstellen, wie auch meine Vorleser aus der (Lese)Bahn werfen. Ich stells mal hier drunter, was mir so spontan dazu einfiel.

Magic hat geschrieben:Sie tanzt

getrieben von innerenDämonen

die "inneren" Dämonen sind ihre Feinde, gegen die sie "tanzt", sprich kämpft. Deshalb muss das "innere" drin bleiben, da es keine "äußerlichen Dämonen sind.


springt sie in die Schleudersäule was ist das?

Stell dir eine sich rasend schnell drehende (Feuer)Säule vor, gespickt mit glühenden Pfeilen von allen Seiten.

glühende Pfeilspitzen rotieren

mit dem "rotieren" möchte ich die sich drehende Schleudersäule, in der sie sich befindet, bildlich darstellen.

mit ihrer Eiseskälte
tanzt sie ihnen
So passt die Syntax besser

Erlöschen entgegen
ihr Eis beginnt zu schmelzen der Bezug der Pronomen "ihr""ihnen" ist für mich hier nicht eindeutig

Da sie die "Waffe" ihrer Eiseskälte bereits verwendet hat, um das Glühen der Pfeilspitzen zu erlöschen, beginnt ihr Eis zu schmelzen, d.h. sie muss eine neue "Waffe" zum Kampf finden.

sie tanzt
sich zum Speer aus Erz
tausend Pfeile zu Dolchen stoßen
haarscharfan ihr vorbei

das "haarscharf" soll ausdrücken, wie gefährlich/bedrohlich die Gegner (die inneren Dämonen) für sie sind.


sie tanzt
gewandelt zum als Schwert

das "gewandelt" soll die Bewegung darstellen, sie verwandelt sich zum Schwert (als Steigerung zu den Dolchen), damit sie stärker ist als die "Dolche"

mit einemSchwung zum Todesritt

auch hier soll die Bewegung dargestellt werden, mit "einem Schwung" = blitzschnelle Reaktion von ihr

packt den Gegner am Puls
sie tanzt
ihr Herz in Stahl
lässt Dämonen lachersticken diese wortschöpfung klingt für mich unfreiwillig komisch

"lachersticken", weil die "inneren Dämonen" sie verlachen, sie verhöhnen und sie diese, durch ihren Kampf, an sich selbst ersticken lässt.

ascheklein verwehen
sie tanzt

Und hier steht noch mal "sie tanzt", weil der "Tanz", also der Kampf weitergeht, noch lange nicht zu Ende ist. Also, insgesamt geht es nicht um Tanz, sondern um den Kampf gegen die eigenen, inneren Dämonen.
Saludos
Gabriella
P.S. Diese "Kriegerin" stelle ich übrigens im Bild "Krieger" (in der Rubrik Polyphon) dar und meine auch genau diesen Kampf. Und im Bild "ROT" (auch unter Polyphon) stelle ich mit den Zeilen "Im Fall sehe ich ROT" dar: Im (= In dem) Fall, dass sie (ich) falle, also den Kampf nicht gewinne, sehe ich rot (mein eigenes Rot)






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leonie
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Beitragvon leonie » 20.10.2006, 12:10

Liebe magic,

ich finde stark, wie Du die Wucht und Kraft dieses Tanzes rüberbringst, es geht um Leben und Tod, so scheint mir, um einen therapeutischen Prozeß, der absolut notwendig ist für die Tänzerin, ein Befreiungstanz. So lese ich Dein Gedicht.

Liebe Grüße
leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.10.2006, 13:39

Liebe leonie,

Es geht um Leben und Tod, genau! Deshalb die Wucht im "Tanz". Und ja, sozusagen ein "therapeutischer" Prozeß.

Ich freu mich, dass du dies so liest :-)
Saludos
Gabriella

Rala

Beitragvon Rala » 20.10.2006, 18:34

Hallo Magic!

Wow, da steckt Power drin! Eine Umwandlung von negativer Energie in positive, in Befreiung von Dämonen. Das reißt einen ganz schön mit. ich würde an der Form eigentlich nichts verändern, auch wenn die Gefahr besteht, dass man an einigen Stellen kurz hängenbleibt; einfach, weil sie so gut passt (ich nehme an, das soll auch optisch die "Schleudersäule" imitieren).

Gefällt mir sehr gut!

Liebe Grüße,
Rala

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.10.2006, 19:38

Hallo Rala,

danke dir:-) Und ja, die Optik soll eine Säule darstellen, habe extra einige Wörter gekürzt, damit es einigermaßen passt ;-)
Saludos
Gabriella

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.11.2006, 14:52

Hallo in die Runde,

ich habe eben eine Hörversion in die Hörbar gestellt.
Saludos
Gabriella

Last

Beitragvon Last » 11.11.2006, 11:08

Hallo Magic,

ich wollte schon seit längerem einen Kommentar hierzu schreiben, nur leider ist mir noch immer nicht viel eingefallen, was ich dazu sagen könnte, außer, dass es auch mir gefällt und mich an eine (die einzigst gute) Szene aus dem Stück "Nora (ein Puppenheim)" von Henrik Ibsen erinnert, kennst du das vielleicht?

LG
Last

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.11.2006, 14:10

Hallo Last,

ich freu mich, dass es dir gefällt:-)
Den Bezug zu "Nora" von Ibsen kann ich allerdings nicht sehen, da es dort um die Abhängigkeit der Frauen geht (zu ihren Männern, ihrer Rolle zu der Zeit, die Moral, klar ist auch das Element des "Kampfes" im Sinne von Emanzipation enthalten), sprich sie "kämpft" gegen äußere Elemente.
Hier aber geht es um den erbitterten Kampf gegen sich selbst, um "innere" Feinde, nicht gegen Moral oder um Emanzipation. In meinem Text "empanzipiert" sich das LI nicht, sondern schlägt eine Schlacht mit allen ihr zu Verfügung stehenden Mitteln, um zu überleben.

Hör dir mal meine Hörversion an, vielleicht kommt es dort deutlicher raus, was ich meine.
Saludos
Gabriella


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