Tierischer Tagesanbruch

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Herby

Beitragvon Herby » 12.10.2006, 18:14

Tierischer Tagesanbruch

Der Tag ist jung, die Sonne lacht,
ich sitz in S-Bahn Drei Null Acht.
’Ne Frau steigt zu mit einem Hund,
der, so wie sie, recht klein und rund.

Zu meiner Linken ist noch Platz,
sie flötet: „Mach schön Sitz, mein Schatz!“
Das Tier gehorcht und schaut bewegend,
wenn auch leicht dämlich in die Gegend,
bevor es sich, ich bin entzückt,
brav unter Frauchens Rock verdrückt.

Die Fahrt geht weiter. Aus der Höhle
ertönt Gewinsel von der Töle,
denn es ist warm im S-Bahnwagen.
Dem Hund wird blümerant im Magen.
Schon hör’ ich, wenn ich mich nicht täusche,
von unten würgende Geräusche
und plötzlich wabern durch die Lüfte
befremdlich säuerliche Düfte.

Ich will jetzt über Einzelheiten
das Mäntelchen des Schweigens breiten.
Doch sei, das ist nicht zu gewagt,
zum Schluss jetzt nur noch dies gesagt:

So hat das arme Hundetier,
zum Glück entfernt genug von mir,
dezent und unsichtbar verkrochen,
den schönen Herbsttag angebrochen.

Herby

Beitragvon Herby » 14.10.2006, 13:23

Hallo aram, Marlene, Eliane, Lisa, Paul, leonie und Gerda
( mein Jott, hoffentlich hab ich jetzt niemanden vergessen)

Zunächst danke ich Euch allen herzlich für Eure positiven Rückmeldungen. Ja, man erlebt so einiges, wenn man sehenden Auges und freier Nase mit dem ÖPNV unterwegs ist. ;-)
Schön, dass meine Verse ein Schmunzeln in eure Gesichter brachte.

@aram
Du gehst u. a. auf „bewegend“ ( im Sinne von „rührend“ ) ein und ich bin unsicher, weil ich eigentlich dachte, diese Form sei richtig. Man sagt doch auch: Er sah ( den Betrachter ) rührend an. Oder stehe bzw. sitze ich jetzt auf dem Sprachkabel?
Desweiteren würde mich interessieren, inwieweit der Vers „das ist nicht zu gewagt“ eine Leer- oder Füllformel ist. Er macht doch im Kontext dieser und der folgenden Strophe durchaus Sinn, wie ich finde.
Was Deinen Vorschlag zu I,3 betrifft, so möchte ich zunächst noch bei meiner Variante bleiben, da deine Version dann der einzige Trochäus in den ansonsten jambischen Versen wäre.

@Paul
Zu deiner Frage sei gesagt, dass es sich in diesem Falle wohl tatsächlich um eine S-Bahn handelte, die mich von Hattingen nach Bochum zurückbrachte. Auch, wenn ich kein Kind des Potts und als Autofahrer im ÖPNV eher ungeübt bin, glaube ich zumindest, dass auch hier nach wie vor eine Straßenbahn Straßenbahn heißt. Lediglich, wenn sie streckenweise unterirdisch fährt, mutiert sie zur U-Bahn. Aber da könnten berufenere Salonisten wie Lisa, Gurke, rya oder Tom sicher zuverlässiger Auskunft geben.

So ihr Lieben, nun genießt den Duft eines hoffentlich schönen Wochenendes und seid herzlich gegrüßt!
Herby

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 14.10.2006, 21:21

Hallo Paul

Zu deiner Frage, ich denke ganz korrekt im Jargon des ÖPNV ist Straßenbahn, wobei ich und diverse andere Menschen auch schon mal S-Bahn zur 308 sagen (meist nenne ich sie ja U-Bahn, da die Teile, die für mich wichtig sind, unterirdisch verlaufen). Ich denke aber, S-Bahn sollte bleiben, klingt besser und rettet den Jambus.

Du hast in der Kohlenstraße gewohnt? Ist ja lustig. Ich habe langsam den Eindruck, du hast in jeder zweiten Stadt Deutschlands gewohnt.

Schönen Abend

Jürgen

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 14.10.2006, 21:27

Lieber Gurke,

ja, ich bin ein völlig entwurzelter Großstadt-Mensch. Dabei musste ich viel zu häufig umziehen. Scheußlich. Manchmal beneide ich die Menschen, die stur in ihrer Heimat verharren.

Grüße

Paul Ost


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste