Wanderer (Nachdichtung eines Gedichts von Antonio Machado)

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Max

Beitragvon Max » 06.07.2005, 21:04

Wanderer
(nach Antonio Machado)

Wanderer, der Weg
das sind die Spuren deiner Füße
und sonst nichts
Wanderer, einen Weg gibt es nicht
dein Weg entsteht beim Gehen

Beim Gehen entsteht dein Weg
und wendest du den Blick zurück
so siehst du den Pfad
der kaum jemals wieder betreten wird

Wanderer, einen Weg gibt es nicht
für einen Moment nur beunruhigt sich das Meer

Max

Beitragvon Max » 30.09.2006, 15:39

Liebe Magic,

vielen Dank für den Hinweis, das finde ich ja eine außerordentlich spannende Seite. So tief war ich in das Werk Machados gar nicht eingedrungen.

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.09.2006, 17:05

Lieber Max,

gern geschehen;-) Ich finde diese Seite auch sehr spannend, hab mich wie eine Wühlmaus durch etliche Links und Unter-Links gegraben, bis ich diese Seite und vor allem genau dieses Gedicht fand.

Es ist, auch für mich, teilweise gar nicht so einfach, das alles auf Anhieb zu verstehen, musste es mehrfach lesen, da Spanisch sich schon teilweise erheblich unterscheidet vom Castellano, das ich spreche. Ist ungefähr so wie das Portugiesisch, das man in Brasilien spricht im Vergleich zum Portugiesisch in Portugal. Es gibt viele Worte, die es nur in einer der Sprachvarianten gibt.

Saludos
Magic

Gast

Beitragvon Gast » 02.10.2006, 02:32

Liebe Magic,

herzlichen Dank fürs Recherchieren und für die Übersetzung des Spanischen Texts.
Schade, dass ich kein Spanisch kann, auf Deutsch wird man eine solche Seite nicht finden.

Liebe Grüße
Gerda

steyk

Beitragvon steyk » 02.10.2006, 08:43

Hallo Max,

es ist immer wieder erstaunlich, welche kleinen Schätze
in den Tiefen des Salons "ausgebuddelt" werden.
Zu meinem Bedauern muß ich sagen, daß mir der Name
Antonio Machado bisher nichts sagte.
Dank dir und dieses wunderbaren Textes werde ich mich
nun ein wenig mit ihm beschäftigen.

Gruß
Stefan

aram
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Beitragvon aram » 29.10.2006, 02:49

lieber max,

ohne das original beurteilen zu können, fallen mir zwei dinge auf:

"einen weg gibt es nicht" wirkt auf mich etwas unbeholfen. besser finde ich entweder "den weg gibt es nicht" oder, in erster linie: "es gibt keinen weg"

"für einen Moment nur beunruhigt sich das Meer" - hier tendiere ich zur gegenteiligen aussage - "für einen moment nur beruhigt sich das meer" ...einfach weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass das meer wirklich nur einen "moment" unruhig ist - wenn es das mal ist, kann es sich ja nicht schlagartig beruhigen...
besser kann ich mir vorstellen: nur kurz beunruhigt sich das meer

von diesen details abgesehen finde ich das gedicht in der übertragung sehr schön - könnte in dieser ruhigen, tief gehenden art auch von max sein!

(...aber weil der aram an allem rummachen muss, eine leicht modifizierte variante:)


Wanderer
(nach Antonio Machado)

Wanderer, der Weg
sind die Spuren deiner Füße
sonst nichts
Wanderer, es gibt keinen Weg
dein Weg entsteht beim Gehen

Beim Gehen entsteht dein Weg
und wendest du den Blick zurück
erkennst du den Pfad
der kaum jemals wieder betreten wird

Wanderer, es gibt keinen Weg
nur deine Wasserspur im Meer
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Niko

Beitragvon Niko » 29.10.2006, 08:35

weiter modifizierte fassung:



Wanderer
(nach Antonio Machado)

Der Weg
sind Spuren.
Das Gehen ist der Weg.
Gehen im Rückblick.

Und Erkennen:
Da ist kein Weg;
nur unruhige Momente
des Meeres.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2006, 12:12

Lieber aram, lieber Niko,

durch eure Änderungsvorschläge entfernt ihr euch von dem, was Machado aussagen wollte mit seinem Gedicht. Max hat es jedoch sehr gut getroffen.
Es ist ein großer Unterschied zwischen:

"einen Weg gibt es nicht"

und

"es gibt keinen Weg"

und

"Da ist kein Weg"


Saludos
Gabriella

aram
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Beitragvon aram » 29.10.2006, 14:02

Es ist ein großer Unterschied zwischen:

"einen Weg gibt es nicht"

und

"es gibt keinen Weg"

und

"Da ist kein Weg"


interessant, magic - welchen großen unterschied meinst du?

liebe grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2006, 14:11

Lieber aram,

in der Deutung und Betonung des Wortes "einen".

Das Wort "keinen" oder "kein" ist ein Absolutes, grenzt jegliche Möglichkeit des Weges aus,
betont man jedoch "einen", so impliziert es für mich, dass es eben nicht nur den einen Weg gibt, sondern, dass das Schicksal einem oft mehrere aufweist, man jedoch "dem" Weg in einem fort hinterherläuft (Flucht vor der Zeit, die einen einholt) und befürchtet, keine Spuren zu hinterlassen.
Saludos
Gabriella

aram
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Beitragvon aram » 29.10.2006, 14:26

hallo magic, ich verstehe.

- um dieser lesart am gedicht gerecht zu werden, müsste die betonung in z4 auf "einen" gelegt werden:

Max hat geschrieben:Wanderer, der Weg
das sind die Spuren deiner Füße
und sonst nichts
Wanderer, einen Weg gibt es nicht
dein Weg entsteht beim Gehen


das bietet der text in dieser form aber nicht an - sowohl die silben von "einen" als auch "dein" (das analog dann auch betont werden müsste) kommen auf senkungen zu liegen.

aram, mit wandergruß ,-)
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2006, 14:35

Hallo aram,

finde ich eigentlich nicht, da durch den Folgesatz "dein Weg entsteht beim Gehen", dieses Absolute (kein Weg) ausgeschlossen wird, weil das LI ja einen Weg geht, hm?
Also, mir ging es jedenfalls so, dass ich "einen" und auch das "Dein" automatisch betont habe beim Lesen.
Saludos
Gabriella

aram
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Beitragvon aram » 29.10.2006, 15:02

liebe magic,

ich glaube, wir haben zwar unterschiedliche lesarten, verstehen aber letztlich auf verschiedene art genau dasselbe - d.h. auf tieferer ebene, jenseits der sprache.

da durch den Folgesatz "dein Weg entsteht beim Gehen", dieses Absolute (kein Weg) ausgeschlossen wird, weil das LI ja einen Weg geht, hm?


für mich liegt der reiz der aussage jedenfalls genau in dieser gegenüberstellung - der vordergründige widerspruch stört mich dabei nicht, er weist für mich auf eine synthese jenseits der dualität - was du als 'absolut' bezeichnest, ist in diesem übergeordneten sinn für mich relativ.

somit verstehen wir m.e. letztlich das selbe.

mir ging es jedenfalls so, dass ich "einen" und auch das "Dein" automatisch betont habe beim Lesen.

es läßt sich natürlich betont lesen, wie gesagt aber dann gegen das versmaß, womit der text auf formaler ebene diese lesart nicht nahe legt - kann es sein, dass du sie (zitat: "automatisch") schon 'mitbrachtest', da du zuvor das original gelesen hattest?

liebe herbstgrüße,
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2006, 16:21

Lieber aram,

für mich liegt der reiz der aussage jedenfalls genau in dieser gegenüberstellung - der vordergründige widerspruch stört mich dabei nicht, er weist für mich auf eine synthese jenseits der dualität - was du als 'absolut' bezeichnest, ist in diesem übergeordneten sinn für mich relativ.

somit verstehen wir m.e. letztlich das selbe.


Ja, verstehen dasselbe darunter:-)


kann es sein, dass du sie (zitat: "automatisch") schon 'mitbrachtest', da du zuvor das original gelesen hattest?


Ja, das ist sogar mit Sicherheit so. Ich las mit Interesse die Originalversion, die Max hineinstellte.
Und diese Zeilen:

caminante, no hay camino,
se hace camino al andar.


liest man als einen Satz und interpretiert ihn so, dass eben nicht gemeint ist, dass es keinen Weg gibt. Das würde man anders ausdrücken im Spanischen, durch exaktere Worte, wie z.B. "el camino no existe". Deshalb schrieb ich ja, dass Max es genau richtig übersetzt hat, die Intention von Machado wiedergegeben hat.

Es kann aber auch daran liegen, dass dieses Thema mich selbst sehr beschäftigt, immer und immer wieder.
Saludos ;-)
Gabriella

Max

Beitragvon Max » 29.10.2006, 16:38

Liebe Magic,

mit der Beschäftigung geht es mir genauso .... vielelicht habe ich gerade deshlab damals (es ist schon 16 Jahre her) den Machadotext von einem Freund zum Übersetzen bekommen.

Liebe Grüße
max


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