Die Lust dich zu...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
DasM

Beitragvon DasM » 15.09.2006, 16:55

Die Lust dich zu...

Der Regen störte
die leise Musik,
die ich eingelegt hatte,
um das Elend erträglicher
zu machen.

Schon drei Flaschen
billiger Wein sind
unsere Kehlen
runtergelaufen
und du
erzählst von deinen Kindern,
die bei Pflegeeltern
aufwachsen.

Dein Gesicht ist alt,
und in deinen Mundwinkeln
bildet sich weißer
Speichel wenn du lachst.

Es ist 23.30 Uhr
und den letzten Zug
schaffst du nicht mehr.
Was macht man mit
so einem gottverdammten,
einen runterziehenden
Abend?

Sie zog ihre verknitterte
Bluse aus und offenbarte mir
ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.

Ich nahm noch
einen kräftigen Schluck,
sah aus dem Fenster
und suchte die Sonne.

Dann begab ich mich
zwischen die kräftigen Schenkel
des Vergessens.

Draußen
wurde es
auch nicht besser.
Zuletzt geändert von DasM am 20.09.2006, 15:55, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 16.09.2006, 20:05

Hallo Tom!

Ich will nicht immer dieselben Werke zitieren, aber hast Du die Vorstadt von Heym gelesen? Hast Du Woyzeck gelesen?

-Das ist alles andere als Harmonie und Blümchenkunst.

Nur sah ich darin eine Aussage und eine detaillierte Beschreibung des menschlichen Elends. (Hier eben nicht. Das mag realistisch sein, aber es hat nur eine Perspektive.)

Harmonische Grüße, l.

PS: Nur weil ich so schreibe, heißt das ja nicht, dass ich das auch gerne lese...außerdem weißt Du ja gar nicht welch´ sumpfiges, sexistisches und abschreckendes Schreibmaterial sich noch in meiner Schublade verbirgt :smile: .

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 16.09.2006, 20:15

Louisa,
da bin ich aber mal gespannt. Her damit! Sexistisch kannst du weglassen, das ist unreif. Der Rest: Gerne!

Louisa, ich habe noch ganz andere Bücher gelesen. Nenne ich aber jetzt nicht. Irgendwann werden sie dir begegnen, wenn es soweit ist. Spielt auch keine Rolle, was man gelesen hat. Was man gelebt hat, ist entscheidend.

Ein Autor muss nicht unbedigt mehrere Perspektiven haben. Sollte er sogar nicht. Das ist schon wieder harmonisch und abwägend. Ich will klare Meinung (auch, wenn ich sie nicht teile) und Subjektivität. Stellung beziehen. Da beginnt für mich Literatur. Alles andere ist Ponyhof :o)))) Voll subjektiv, harr.

Auch harmonische Grüße, weil ich nur Reibung um die Sache möchte, nicht aber an den Personen herumdoktern.

Tom :o|
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Trixie

Beitragvon Trixie » 16.09.2006, 20:33

Also, entschuldige mal, Michael. Ich bin heute ohnehin ein wenig gereizt, aber eigentlich hatte ich mich gerade beruhigt. Nur sowas geht mir ein wenig gegen die Hutschnur: "ich sehe hier eine diskusion zu meinem text, der fast schon an aufnahmeverweigerung einiger (weiblicher ) mitglieder grenzt. " Du meinst Louisa und mich wohl. Ich habe dir Fragen gestellt, zur Logik und zur Form. Ob das jetzt Frauenverachtung ist oder nicht, habe ich nie unterstellt. Ich habe konkrete Fragen gestellt und keine einzige Antwort darauf erhalten, das finde ich verdammt schade, denn wie du merkst, beschäftige ich mich in letzter Zeit nur sehr wenig mit fremden Texten, sondern bin mehr an der Renovierung des Salons beteiligt und wenn ich mir dann schon die Mühe mache und deinen Text genauer ansehe, erwarte ich auch Antworten auf meine Fragen. Wenn du mir umgekehrt etwas unterstellst, dann ist dieser Thread hier für mich nun beendet, denn so arbeite ich hier nicht!

Gruß
Trixie

Louisa

Beitragvon Louisa » 16.09.2006, 20:36

Hallo Tom!
"Das Leben ist entscheidend" gefällt mir! Stellung beziehen auch, aber diese möchte ich zumindest nachvollziehen können. Wenn es richtig gute Literatur ist, kann ich auch einen Massenmörder "verstehen".

Sumpfige Grüße :smile: , l.

PS: ich denke immer das Leben ist so furchtbar, da will ich wenigstens beim Schreiben etwas Schönes erleben (so kam es ja vielleicht erst überhaupt dazu...)

rya

Beitragvon rya » 17.09.2006, 05:09

In die Runde...

Ich finde - vorweg - den Text gelungen.Er spiegelt für mich in nachvollziehbarer Weise ein tristes,hoffnungsloses Leben wieder.
Das du M,mehr auf Fragen und Anregungen eingehen könntest,finde ich allerdings auch.
@Louisa ..was ein "guter Dichter" oder "gute Literatur" ist,entscheidet (ich denke da widersprichst du mir auch gar nicht) jeder für sich selbst.Ich glaube aber diese Verweise helfen da auch niemanden.

Schöne Grüsse,Rya

Nifl
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Beitragvon Nifl » 17.09.2006, 10:03

Morgen Louisa.

Louisa schrieb:

Ach man , ich halte das in Wirklichkeit doch sowieso für Quatsch mit dem "lyrischen Ich"...aber man muss es ja nicht gleich jedem unter die Nase reiben,

und

(Hier eben nicht. Das mag realistisch sein, aber es hat nur eine Perspektive.)


Derartige Widersprüchlichkeiten nerven selbst mich langsam. Geh mal in dich und frage dich, was du eigentlich wirklich meinst. Und jetzt bitte keine schulisch auswendig gelernten Phrasen ... und kein Verstecken hinter Fremdautoren, sondern: DU!
Ich wollte nicht -wie Tom- mit dem Alter argumentieren (finde ich doof), aber ich fürchte in diesem Falle muss ich ihm Recht geben.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Louisa

Beitragvon Louisa » 17.09.2006, 11:06

Hallo Nifl,
langsam ist es aber wirklich genug. Der obere Satz spiegelt meine Meinung wieder. Ich glaube nicht, dass jemand das "lyrische Ich" so weit vom eigenen Ich trennen kann. Das kommt doch alles aus unserem Ich.

Aber weil ihr alle damit angefangen habt, wollte ich nicht schreiben: "Der Dichter scheint mir eine verächtliche Haltung gegenüber der Frau einzunehmen."

Wieso ist das ein Wiederspruch? Das "lyrische Ich" nimmt hier eine Perspektive und eine Haltung ein, die ich nicht teilen kann und noch nicht einmal nachvollziehen will, weil mir der Text dafür zu oberflächlich ist.

(Deshalb ja auch die Beispiele "fremder Autoren", die das besser können, meiner Meinung nach.)

Aber wie Rya schon schrieb:

Louisa ..was ein "guter Dichter" oder "gute Literatur" ist,entscheidet (ich denke da widersprichst du mir auch gar nicht) jeder für sich selbst.Ich glaube aber diese Verweise helfen da auch niemanden.


-dem stimme ich zu und ich denke es ist das beste, wenn wir einfach Trixies und meine Meinung gegenüber euren Ansichten hier stehen lassen, anstatt sie immer wieder auf einander los zu lassen (was hauptsächlich meine Schuld war, ich weiß.)

Also ich gelobe Besserung in meiner Kritik, aber das war wirklich meine Meinung und auf Fragen zum Text an sich ist der Autor ja bisher noch nicht eingegangen...

(ich möchte mich auch nicht mit euch darüber streiten, was gut und schlecht ist. Das bringt ja nichts.)

Liebe Grüße, l.
Zuletzt geändert von Louisa am 17.09.2006, 12:36, insgesamt 1-mal geändert.

pandora

Beitragvon pandora » 17.09.2006, 11:08

hallo m,

mir gefällt, wie du hier ein bild von tristesse und resignation zeichnest.
am titel fällt mir auf, dass er wohl eher "die unlust dich zu" oder aber "die überwindung dich zu" heißen müsste. :rolleyes:
in strophe eins frage ich mich, warum du schreibst:

"um das Elend erträglicher
zu machen."


du nimmst meiner meinung nach mit diesem teilsatz zu viel vornweg.
leise an die scheiben trommelnder regen und sanfte hintergrundmusik stehen ohnehin im krassen gegensatz zu dem, was im anschluss beschrieben wird. das muss ich als leserin eigentlich nicht schon in den ersten zeilen erklärt kriegen.
in strophe zwei muss es nach meinem dafürhalten heißen:

"Schon drei Flaschen
billigen Weins"


(an der stelle: wenn dir anmerkungen dieser art auf den geist gehen, sprich, wenn orthographie und grammatik für dich von nachgeordneter bedeutung sind, musst du das bitte sagen.)
an folgender stelle wechselst du plötzlich die perspektive:

Es ist 23.30 Uhr
und den letzten Zug
schaffst du nicht mehr.
Was macht man mit
so einem gottverdammten
einen runterziehenden
Abend?

Sie zog ihre verknitterte
Bluse aus und offenbarte mir
Ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.


nachdem die anwesende welkende frau im denken des lyrICH bis hierher wenigstens noch eine rolle am rande spielte, sieht der leser jetzt ausschließlich mit den augen LYR(er). beabsichtigt?
das bild von den brüsten und der bluse kann ich nachvollziehen. knittrig, faltig eben.

diesen vers finde ich überraschend und gut: "und suchte die Sonne."

"kräftige schenkel des vergessens" geben mir persönlich schon wieder zu viel vor. mir ist doch als leserIN klar, dass der mann tut, was ein mann tun muss. :-) er rafft sich dazu auf, weil er nichts besseres zu tun hat und vielleicht auch, weil er das ihn umgebende elend verdrängen will.
die letzten drei verse mag ich, weil sie in meinen ohren schon fast ironisch klingen.

p.

DasM

Beitragvon DasM » 17.09.2006, 12:39

hallo,

erstamal danke für die eigentlich positive kritik.

"um das leben erträglicher zu machen"
ja, genau wie du schreibst, nehme ich dem text damit was vorweg.
ich möchte schon am anfang des textes die struktur ( gefühl ) festlegen,
um sie durch ähnliche begrifflichkeiten nicht mehr als solche abzuhandeln.

"Schon drei Flaschen billiger Wein"
nein, wenn ich fehler mache, die grammatikalischer art sind, bin ich sehr dankbar, wenn man mich darauf hinweist.

die sache mit den knittrigen brüsten ist rein stimmungsmäßig gemeint.
vielleicht ( das erkenne ich durch die diskussionen hier ) ist mir das aber nicht gut gelungen.
werde ich beim nächsten mal besser überlegen.

aber, einen entscheideneden fehler hast du bei deiner beobachtung gemacht
du schreibst ein mann tut dann letztendlich das was er tun muss,
aber hier im text "tut" der mann es halt nicht, weil er es tun muss.
er weiss nicht einmal warum er es tut.

ist er auslösender faktor?
nein.
er ist nur da, die welt, die frau bestimmt über ihn.

die tatsache zum beispiel das der zug schon weg ist.
hat man ihn gefragt, ob er möchte das sie noch da ist?
nein. er nimmt es zur kenntnis, versucht noch wie schon erwähnt die uhrzeit zu revidieren, indem er um 23.30 uhr die sonne sucht.

er hat nichts im text entschieden.


liebe grüße
Michael

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.09.2006, 14:44

Hallo Michael,

pandora hat in meinen Augen schon auf die wichtigsten fragwürdigen Stelle hingewiesen - ich finde ihre Verweise sehr gelungen (Grammatikfehler würde ich dann auch verbessern in der Datei oben).

Obwohl ich sprachlich und poetisch den Text noch für überarbeitungswürdig halte, finde auch ich die gezeichnete Tristesse gut. Sie ist ehrlich, wenn ich auch durch den Titel in diesem Gefühl zu Teilen wieder zurückgeschleudert werde (siehe pandora dazu). Und sie ist nah an der Wirklichkeit. Den Blickwinkel halte ich also für gelungen. Auch einige gezeichnete Bilder dazu (Wein/Mundwinkel/Brüste/Pflegekinder)

Bei den Endzeilen frage ich mich, ob sie das Gedicht nicht schwächen. Im Grunde ergeben sie für mich auch keinen richtigen Sinn, wenn ich genau "hinlese". Mir fehlt der Bezug.

Anschließend haben sich noch ein "paar" Fehlerteufel angehäuft, die es sich lohnen würde hier und in deiner Wordtextversion zu verbessern:

Die Lust dich zu...

Der Regen störte
die leise Musik,
die ich eingelegt hatte,
um das Elend erträglicher
zu machen.

Schon drei Flaschen
billigen Weins sind
unsere Kehlen
runtergelaufen
und du
erzählst von deinen Kindern,
die bei Pflegeeltern
aufwachsen.

Dein Gesicht ist alt,
und in deinen Mundwinkeln
bildet sich weißer
Speichel, wenn du lachst.

Es ist 23.30 Uhr
und den letzten Zug
schaffst du nicht mehr.
Was macht man mit
so einem gottverdammten,
einen runterziehenden
Abend?

Sie zog ihre verknitterte
Bluse aus und offenbarte mir
ihre hängenden Brüste
im gleichen Muster.

Ich nahm noch
einen kräftigen Schluck,
sah aus dem Fenster
und suchte die Sonne.

Dann begab ich mich
zwischen die kräftigen Schenkel
des Vergessens.

Draußen
wurde es
auch nicht besser.


Diese Menge an Fehlern, ohne dir etwas vorwerfen zu wollen, finde ich schon bedenklich (mir ist das auch bei anderen Texten aufgefallen). Darauf würde ich persönlich etwas mehr achten, weil sofort der Eindruck entsteht, dass der Autor sich nicht große Mühe gegeben hat.

Dein bester Text hier für mich bisher...
viele grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

DasM

Beitragvon DasM » 20.09.2006, 16:01

Hey Lisa,
ich habe die Rechtschreibfehler, wie die Kommata korrigiert.
Allerdings bin ich der meinung, das meine Sätze



Schon drei Flaschen
billiger Wein sind


und

Ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.


grammatikalisch richtig sind.

Es wäre schön ( damit ich es nachvollziehen kann ) warum das nicht so ist.
Ich finde in man kann auch billigen Weins, oder billigen Weines schreiben. Aber
die von mir gewählte Form scheint mir grammatikalisch in Ordnung. Oder????

Danke jedenfalls, das ihr wieder bei mir seid.

Michael


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