Die Lust dich zu...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
DasM

Beitragvon DasM » 15.09.2006, 16:55

Die Lust dich zu...

Der Regen störte
die leise Musik,
die ich eingelegt hatte,
um das Elend erträglicher
zu machen.

Schon drei Flaschen
billiger Wein sind
unsere Kehlen
runtergelaufen
und du
erzählst von deinen Kindern,
die bei Pflegeeltern
aufwachsen.

Dein Gesicht ist alt,
und in deinen Mundwinkeln
bildet sich weißer
Speichel wenn du lachst.

Es ist 23.30 Uhr
und den letzten Zug
schaffst du nicht mehr.
Was macht man mit
so einem gottverdammten,
einen runterziehenden
Abend?

Sie zog ihre verknitterte
Bluse aus und offenbarte mir
ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.

Ich nahm noch
einen kräftigen Schluck,
sah aus dem Fenster
und suchte die Sonne.

Dann begab ich mich
zwischen die kräftigen Schenkel
des Vergessens.

Draußen
wurde es
auch nicht besser.
Zuletzt geändert von DasM am 20.09.2006, 15:55, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.09.2006, 17:06

Hallo M,
entschuldigung, aber ich finde das hier wirklich frauenverachtend. Es ist sowieso ungerecht, dass immer behauptet wird "Ach, die älteren Herren, die sind so erfahren und wie der Wein, aber die älteren Damen, die sind einfach nur unerotisch."

-Weil mir aus diesem Grund der ganze Inhalt nicht gefällt, bis auf die Tatsache, dass es gut beschrieben ist (wobei mir der Ort fehlt!)...will ich mich auch nicht an die Form wagen. Sowas möchte ich nicht gern in einem Gedichtband lesen.

Kennst Du Georges Moustaki? Er beschreibt das gleiche Thema auch einmal (es ist wirklich zu 100% dasselbe!) ...aber viel einfühlsamer, liebender und frauenverstehend.

Ich finde das auch nicht lustig, falls das ein Argument sein soll. Es ist ein Gedicht für Männer, glaube ich, mit denen ich keinen nähreren Kontakt haben möchte.

Pardon!

Liebe Grüße, l.

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noel
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Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 15.09.2006, 17:14

ich finde es gelungen
gerade weil es bewegt
wenn auch in abstossun
oder ekel
oder mitleid
oder
oder oder
auch durch den tempiwechsel wird man noch stärker vom text gebannt

die umschreibungen wie versucht wird
noch hoffnung ein_zu_verblenden
das sich betäuben
schön saufen
& dennoch

Was macht man mit
so einem gottverdammten
einen runterziehenden
Abend?


der abend zieht runter auch wenn die bilder, die zum `runterzeihen führen vom außen, der frau bedingt sind, so ist es ER der sich nicht innerlich bewegt.

& es ist letzten endes dennoch SIE, die ihn vergessen mAcht, will meinen, das LI kommt meines erlesens NICHt besser weg
Dann begab ich mich
zwischen die kräftigen Schenkel
des Vergessens

wenn verachtend, dann auch sich selber gegenüber
noel
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Trixie

Beitragvon Trixie » 15.09.2006, 17:14

Hallo M

Für mich ist es ein Erzählgedicht, das die Erzählgedichtekategorie bereichern würde. Unter dem Aspekt der eindeutigen Einordnung könnte ich dann auch was zur Form und Verarbeitung sagen. Ich finde es inhaltlich auch nicht so toll, vor allem, weil ich dabei einige Verständnisprobleme habe, aber ich muss es mir erst noch ein paar Mal durchlesen.

Liebe Grüße
Trixie

DasM

Beitragvon DasM » 15.09.2006, 18:11

hallo meine lieben,

dieser text ist in keiner weise frauenberachtend, denn ich liebe, achte und ehre die frauen, insbesondere meine ehefrau. frauen waren mir immer ansprchpartner in allen lebenslagen. nie habe ich sie diskriminiert oder anderes.

der text erzählt vom lyr.i. das sein leben eigentlich resigniert und demoralisiert lebt. die tatsache, das eine frau in seiner gegenwart ist, ändert diese situation weder zum guten noch zum schlechten.

selbst die eindeutige situation, das es bereits 23.30 uhr ist versuch das lyr.i. durch einen kräftigen schluck und dann einen blick aus dem fenster zu revidieren, indem es nach der sonne sucht.

die frau hier ist eigentlich nur das einzige was ihn aufnimmt. die schenkel des vergessens haben hierbei keine frauenfeindliche bedeutung, sondern sollen aufzeigen, das dei frau in der lage ist ihm vergessen zu ermöglichen.

das sich auch hierdurch nichts ändert wird durch die letzte strophe impliziert.

erstaunlich, das frauen immer noch meinen, alles was sie nicht in glanz und glorie erscheinen lässt wäre frauenfeindlich.
ich habe mal einen text geschrieben welcher "Female Ejaculation" hiess. die reaktionen hierauf waren ähnlich,.
der grund hierfür war alleine der,. das ich es als mann geschrieben habe.
komisch oder?


liebe grüße
M.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.09.2006, 18:49

DasM,
kann deine Erläuterung untersteichen und mache mir Gedanken darüber, einen 'männerverachtenden' Text zu schreiben.

Otto Dix fällt mir sofort ein.

moshe.c

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.09.2006, 19:11

Hallo M,
es mag sein, dass ich deinen Text missverstanden habe, aber mir kam es so vor, als ob das lyrische Ich das Zusammensein mit der Dame nur erträgt, wenn ein "kräftiger Schluck" genommen wurde.

Sie zog ihre verknitterte
Bluse aus und offenbarte mir
Ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.

Ich nahm noch
einen kräftigen Schluck,
sah aus dem Fenster
und suchte die Sonne.


-das kommt daher. "Zerknitterte, hängende Brüste" hört sich für mich nicht so an, als ob das lyrische Ich diese Frau liebt.

Und gleich darauf muss es erst einmal ´was trinken...

Ich meine wenn es um Liebe und nicht um Verachtung und Hervorhebung der vermeintlich "negativen" Aspekte der Frau geht, sollte man dem auch etwas Positives entgegenstellen (also nicht nur der weiße Speichel, sondern auch die gedankenvollen Augen usw.)-

Man stellst sich diese Frau zwar alt vor, so wie Du sie beschreibst. Aber nicht würdevoll, nicht schön, nicht geliebt und einzigartig und ich glaube das alles lässt sich bei genauer Beobachtung auch in älteren Damen zu Hauf finden.

Und das will ich auch lesen! Oder eine Geschichte über einen zerknitterten Herren, der die faltige Dame voll Leidenschaft liebt.

So ist für mich keine Gleichberechtigung zu finden.

Liebe Grüße, l.

DasM

Beitragvon DasM » 15.09.2006, 19:26

hallo,

es geht hier nicht um herren oder damen. die beschreibung der frau ist willkürlich, hätte auch positiv sein können. es geht hier um den zusatnd des lyr.i.
du musst unbedingt die primäre betrachtungsweise die du jetzt nicht aufgeben magst ablegen, damit dir der text in seiner tatsächlichen aussage zugänglich wird. du verlagerst es auf einen nebenschaupltz, der aber nicht bewirtschaftet wird durch den text abn sich


liebe grüße
M:

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.09.2006, 19:34

Na gut, da hast Du recht.

-Aber wenn ich nur den Text lese, dann berührt er mich nicht sonderlich (das ist vielleicht mein Fehler).

-Ich empfinde das lyrische Ich hier immer noch nicht so, als dass es mich anspricht oder ich mich mit seinen Gedanken identifizieren kann (denn es spielt ja keine Rolle ob Mann oder Frau, wie Du schon sagtest-)

Es ist für mich ein Text, den man sich gut vorstellen kann und der eine leicht trübe und gleichgültige Stimmung schafft, aber mehr nicht-

Und umso öfter ich es lese, desto weniger kann ich überlesen, dass es sich um eine ältere Dame handelt. Ich mag einfach mehr die Beschreibungen von Menschen, die zwar ehrlich sind, an denen man aber erkennen kann, das der Autor die Menschen liebt und sie sehr genau studiert.

-Das ist ein persönliches Empfinden und es muss auch nicht Deiner Vorstellung entsprechen. Aber ich dachte, es interessiert Dich vielleicht, was "eine Leserin" denkt.

Liebe Grüße, l.

DasM

Beitragvon DasM » 15.09.2006, 20:07

verstehe was du meinst, aber alter wenn man leibt kann auch anders beschrieben werden, darauf würde ich immer achten. habe dir mal meine liebeserklärung an meine frau hierhin gestellt, damit du weisst was ich meine:


Endlos


Dein Fleisch ist
welk geworden
in den Jahren
unserer Liebe
und dein Haar
verlor an Glanz.

Deine Brüste
liegen flach vor dir,
und der Po
vibriert noch lange
nach jeder Berührung.

Unsere Erregung
ist lange unterwegs,
bis sie
ihr Ziel findet.

Nie werde ich dich
mehr geliebt haben,
als ich dich
morgen lieben
werde.

Endlos.




hier im text Die Lust dich zu... war kein platz für solche romantik und liebe.


M

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.09.2006, 20:20

Aber der Herr altert nicht? Und seine Hände, die ihr Hinterteil berühren sind nicht zerfurcht?

Trixie

Beitragvon Trixie » 16.09.2006, 01:49

Hallo M!

Also, zunächst ein paar Fragen: Wieso beschreibst du in dem Gedicht in so vielen wohlgewählten Worten eine Frau, wenn du sagst, dass die Beschreibung völlig willkürlich ist? Das nenne ich schlechte Arbeit, denn eines sollte es nicht sein: willkürlich. Dann frage ich mich: Wozu schreibst du das Gedicht überhaupt? Was willst du damit sagen? Nur, dass das Lyrich beim Sex mit ihr irgendetwas vergessen kann? Weil, wer sie ist, ist ja egal, hast du ja oben geschrieben. Dann hättest du das doch auf diese eine Zeile reduzieren können: In ihren Schenkeln fand ich Vergessen. Wieso ist der Mann überhaupt mit ihr in einem Raum, es gibt doch genug Schenkel, die einem Mann Erlösung oder sonst was bieten können? Wieso sie, die so negativ von ihm beschrieben wird, was ja, wie du sagst, egal ist? Wieso beschreibst du sie überhaupt? Wieso kommt sie überhaupt in dem Gedicht vor? Das verstehe ich alles nicht. Und wenn deine Aussage nur ist, dass das LyrIch in den Schenkeln einer willkürlichen Frau Vergessen findet, dann ist mir das Gedicht viel zu lang und undicht. Dazu braucht es, meiner Meinung nach, auch kein Gedicht.

Dann zum Formalen: Wieso hast du es nicht als Prosa geschrieben? Wieso als Gedicht? Ich sehe keinen Sinn in den einzelnen Strophen, in den einzelnen Versen! Die Abbrüche teilweise...Wieso steht zum Beispiel in der ersten Strophe "zu machen" in einer extra Zeile? Gibt es da einen Grund? Und wieso steht in der vierten Strophe "Abend" in einer extra Zeile? Das ist für mich auch ein wenig willkürlich, ein wenig so gemacht, dass die Zeilen halt alle gleich lang sind. Vielleicht wäre das Gedicht schöner als ganzer Prosa Text zu lesen.

Tut mir leid, aber ich finde, da gäbe es noch einiges dran zu machen. Anderen gefällt es, aber mir fehlt da einfach was. Vor allem, wenn du sagst, die Beschreibung der Frau sei willkürlich, dann fehlt mir das Besondere, das Einzigartige, die Individualität an dem Text. Das, was ihn für mich lesenswert machen soll.

Grüßchen
Trixie

Nifl
Beiträge: 3915
Registriert: 28.07.2006
Geschlecht:

Beitragvon Nifl » 16.09.2006, 09:59

Huhu.

Ich kann mich der negativen Kritik nicht anschließen. Der Text verfügt über enorm eindringliche und originelle Bilder. Frauenfeindlichkeit kann ich auch nicht herauslesen. Das "Drama" spielt sich in meinen Augen in einem primitiven Milieu ab und das wird sehr dicht und stringent gezeigt. Das LyI lässt sich am Ende ja auch mit ihr ein, was vermuten lässt, dass er ebenfalls kein erotisches Sinnbild verkörpert und vielleicht eine Wampe hat, dass er seinen rotverschrumpelten Dödel gar nicht mehr sehen kann. Der Text ist für mich stimmig. Ich sehe ein asoziales Pärchen, das sich betrinkt (drei Flaschen!!) und dann ...

Es gibt ja den Spruch (und darauf spielt der Text ja auch an): Trinken um zu vergessen ... hier wird er noch erweitert.


und in deinen Mundwinkeln
bildet sich weißer
Speichel wenn du lachst.

Das stärkste Bild für mich (ihhhhh)

Sicher, poetisch ist er nicht, der Text und auch eher elegisch erzählend. Why not?
Die Stimmung kommt sehr gut bei mir an.


Ihre hängenden Brüste
in gleichem Muster.

Wieso gleiches Muster?
Ich hätte in "ähnlichem" geschrieben ...

Die Wiederholung von "kräftig" finde ich etwas wortarm.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Louisa

Beitragvon Louisa » 16.09.2006, 10:14

Aber ich lese nichts von dem beleibten Herrn. Nur eben das, was Dich "Ihhh" ausrufen lässt und mir gefällt es einfach nicht, wenn so über Frauen und Menschen geschrieben wird. Selbst bei den schlimmsten körperlichen "Makeln" hat jeder Mensch etwas Wunderschönes an oder in sich und das sollte man in einem "vermeintlichen Liebesgedicht" nicht ausklammern.

Oder eben beide Personen mit angeblich "hässlichen" Attributen versehen. Ich finde diese Dinge sind nicht "Ihhh"...das ist etwas, was uns alle erwartet. Das ist der Mensch und wir werden alle alt, gebrechlich und krank. Der eine früher als der andere-

Aber wir bleiben ja am Leben und wir bleiben ja Menschen. Ich will keine verklärte Schilderung, aber ich möchte eine gleichberechtigte und keine verachtende. Man kann so nicht über Menschen schreiben, finde ich. Es kann nicht nur den Speichel und die hängenden Brüste an dieser Frau geben-

Das ist aber nur meine Meinung und ich weiß, dass M das ganz anders sehen wird.

Liebe Grüße, l.

PS: Zum Beispiel Büchners Woyzeck: Der ist auch das, was Du vielleicht als "assozial" bezeichnen würdest, aber man spürt, dass der Autor seinen Charakter liebt wie er ist. Auch der Leser empfindet Sympathie und Verständniss für sein Äußeres und Inneres. Man kann sich mit ihm identifizieren. Das kann ich hier mit dem lyrischen Ich nicht, weil ich nicht so über Menschen denken möchte und ein anderes, vielschichtigeres Bild lesen will. Besonders wenn es um Liebe geht. Das ist hier einfach nur oberflächlich-


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