Liebe birke,
ich finde den Text sehr berührend, sehr schön.
Mir ist im ersten Moment fast nicht aufgefallen, dass du schreibst "... vor ihren Augen verloren ging." - einen halben Satz später dann habe ich innegehalten und dachte mir: Moment, wie das? Ich finde das mit Blick auf den Rest des Textes eine ganz wunderbare Formulierung, LyrIch ist offenbar so vieles verloren gegangen in diesen Jahren, und alles läuft in dieser Puppe zusammen. Ganz toll.
Auch die Puppensammlung greift natürlich wunderbar. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich über die Formulierung "zu ruhigerem Atem finden" denken soll - beim ersten Lesen bin ich darüber gestolpert, aber eigentlich vermittelt es eine sehr nachvollziehbare, fühlbare Atmosphäre und Situation. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich es. Glaube ich.
"Die Erinnerung ist gestochen scharf" - Hiermit habe ich so meine Probleme. Die Erinnerung woran? Den Tod der Mutter? Aber gerade das scheint mir ein Teil der verlorenen Dinge zu sein (womit ich nicht sagen will, dass es für mich wirkt, als hätte Anna hätte den Tod und die Umstände vollständig vergessen, aber sie als klar und gestochen scharf zu bezeichnen passt für mich nicht zu den aufgestauten, unverarbeiteten, verknoteten Gedanken und Gefühlen) Aber vielleicht ist es auch nicht der Tod der Mutter, sondern eine andere Erinnerung und ich bin nur gerade mit Blindheit geschlagen. Die Erinnerung an die Puppe würde für mich in den Rahmen passen, dann aber nicht an dieser Stelle, an der über die Mutter gesprichen wird. Vielleicht aber soll Anna auch nur denken, die Erinnerung sei gestochen scharf (den Gegensatz zum Sehvermögen finde ich übrigens sehr schön!) - wenn es so ist, kommt mir der Satz zu erzählerisch vor, klingt eher beschreibend als nach einer persönlichen Einschätzung des LyrIchs. Insgesamt stört es mich aber nicht sehr, es (unter-)bricht jedenfalls nicht die Stimmung. Ich hoffe es ist halbwegs verständlich warum ich darüber gestolpert bin, aber wie gesagt, vielleicht komme ich da auch einfach gerade nicht auf einen grünen Zweig und es ist definitiv die einzige Stelle des Textes an der ich tatsächlich hängen bleibe

Die relativ nüchterne Schilderung von Annas Reaktion auf den Besuch am Grab ihrer Mutter finde ich auch gut. Ich ganz persönlich würde vielleicht nur Grab, statt Kriegsgrab sagen, das ergibt für mich einen sanfteren Anstieg hin zur wortwörtlichen Bombe am Ende: Grab (oh, sie ist tot) - 1945 (aha, Krieg!) - Bombe (oh...). Den in die Landschaft geweinten Fluss finde ich im Vergleich mit der restlichen Schilderung fast zu poetisch, fast. Irgendwie passt es aber auch, denn sie wird ja davon geschwemmt von den Erinnerungen, und es löst sich ja nun der Knoten. Insofern ist das auch sprachlich hier festgehalten, und das gefällt mir eigentlich gut.
Wie gesagt insgesamt ein sehr schöner Text, der mir wirklich gut gefällt. Ich habe ihn jetzt gerne mehrmals gelesen

LG,
Ellie