Aus der Reihe

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 19.09.2011, 17:34

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Sam

Beitragvon Sam » 21.09.2011, 16:28

Hallo allerleirauh,

dein Text ist sehr berührend. Normalerweise gehe ich immer davon aus, dass ein Text (in dieser Rubrik) Fiktion ist. Deiner aber ergreift so unmittelbar, dass ich ich nicht umhin kann mir zu denken, hier geht es um einen Menschen, den es wirklich gab. Ob dem nun so ist oder nicht, dir ist hier in den wenigen Absätzen gelungen, nicht unbedingt einen Menschen zu zeichnen, sondern ein Gefühl, das sich durch Erinnerungen ausdrückt. Ein Gefühl von Verlust, das sich nicht nur auf den gestorbenen Menschen bezieht, sondern auch auf sich selbst und sein eigenes Gewordensein.

Gruß

Sam

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 21.09.2011, 20:17

lieber sam,

vielen dank für deine rückmeldung. sie rettet mir den text. ich war kurz davor, ihn wieder rauszunehmen.

lg
a

Klara
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Beitragvon Klara » 22.09.2011, 00:10

Hallo a,
der Text braucht nicht gerettet zu werden - er ist stark.

Er könnte ein Anfang sein, nicht von einem Ende, auch wenn er davon erzählt, aber er steht, wie ein Tod, für sich allein. Und doch nicht allein. Steht schwer und wirkt. Wie ein guter Text zu so einem Thema sein muss: hart.

Man möchte mehr wissen: wer? was? warum? wie?
Und man wird es nie erfahren. Weil einer tot ist.
Der Text ist es nicht.

herzlich
klara

Herby

Beitragvon Herby » 22.09.2011, 20:20

Liebe a,

die Verknüpfung von Tanz und Tod finde ich in jeder Hinsicht faszinierend. Wie gut, dass du den Text nicht rausgenommen hast.

Herzl. Gruß,
Herby

Rala

Beitragvon Rala » 22.09.2011, 21:05

Hallo allerleihrauh,

der Text hat mich heftig gepackt. Erst hat man innerhalb weniger Bilder einen Menschen sehr deutlich und lebendig vor Augen, und einen Satz später ist er tot. So dass es beim Lesen wehtut. Kompliment.

Liebe Grüße,
Rala

Yorick

Beitragvon Yorick » 30.09.2011, 20:53

Hallo Allerleihrauh,

mir gefällt der Text auch.

"Leben imitieren" fiel mir sofort ein. Alles bleibt an der Oberfläche, Körperbewegungen abschauen, angenehm machen, wohlwollen signalisieren, bestrebt sein, Vorlauf (Vorteil) verschaffen.

Gefühle nachahmen, als ob sie tatsächlich da wären. Und die Gefühle, die da sind? Nicht zeigen. Oder warum nimmt sich jemand das Leben?
Selbst die Träume (auf Bällen gut zu tanzen) wirken auf mich aufgesetzt - nicht vom LIch, dort fühlt sich das echt an, sondern vom LDu.

Dieses Aufgesetzte setzt du unaufgesetzt um, finde ich. Ich sehe einen Menschen vor mir, der keinerlei Zugang zu seiner eigenen Gefühlswelt hat und nur durch Nachahmung (was alle machen wird wohl stimmig sein) lebt. Und dann stirbt. Die Vorstellung von Leben ist kein Leben.

Sam schrieb:
"Ein Gefühl von Verlust, das sich nicht nur auf den gestorbenen Menschen bezieht, sondern auch auf sich selbst und sein eigenes Gewordensein."

Das empfinde ich als den eigentlichen "Hammer" in diesem Text: Das klingt wütend. LDu gibt auf, verrät die Träume und Wünsche vom Glück, die sich bei LIch "realer" anfühlen. Der Tod ist nur für die Lebenden tragisch. Zurück bleibt LIch mit unerfüllten Sehnsüchten und ist zu Recht wütend: lieber schwieg und starb jemand, als sich mitzuteilen -> ins Leben zu gehen, in BEZIEHUNG zu gehen.

Aber hier ist eben auch die Chance auf Veränderung und Erfüllung spürbar. Lich ist am Leben - und kann noch immer Tanzen lernen, Freude lernen. Vielleicht ist für diesen Schritt genau die Wut auf LDu nötig, um die Verantwortung für das eigenen Werden zu übernehmen.

Da hätte ich gerne noch etwas mehr gelesen, denn nur das "tragische Ableben" allein ist mir zu wenig Inhalt.

Die Verbindung aus Tanz und Leben ist fein.

Viele Grüße,
Yorick.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 30.09.2011, 21:30

Liebe Allerleirauh,
es ist schon viel Wichtiges und Wahres zu den Text gesagt worden.
Mich berührt besonders auch der Titel.
"Aus der Reihe" scheint anzudeuten, dass die Selbsttötung die erste wirklich authentische Handlung der geschilderten Person war, nachdem sie vorher nur immer "in der Reihe getanzt hat". Das tut weh, hat aber - wie ich finde - auch irgendwie etwas Tröstliches. Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Jelena

Beitragvon Jelena » 05.10.2011, 10:54

Hallo allerleirauh,

ich schleiche schon lange um den Text herum und finde zu keiner eindeutigen Meinung.
Mal denke ich, er ist gut, weil er mich so betroffen macht, mal denke ich, dass er eben gerade deshalb schlecht ist.
Warum schlecht?
Weil er den Selbstmord eines anderen zum Textknaller werden lässt, um es mal salopp zu sagen. Der Text reflektiert nicht, er packt die Tragik des Vorfalls ohne Vorwarnung in eine wirklich wundervoll, fast märchenhaft erzählte Geschichte über das Tanzenlernen mit einem Satz hinein und hat mit diesem Instrument seine atemberaubende Pointe. Das gefällt mir daran nicht. Vor allen Dingen, weil er suggeriert, dass diese Verzweiflungstat, die nie eine Leistung sein kann, weil sich eine Leistung am Ergebnis misst, ein Richtigmachen wäre. Nun gibt es ein Glück den Titel "Aus der Reihe". Nur der stimmt mich "milder", weil dieser Selbstmord so zu einem Aus-der-Reihe-Tanzen wird, aus dem Leben, und damit dieses Richtigmachen zum Glück in Frage gestellt.
Das Ende hätte das vielleicht noch verdeutlichen können:
"Und ich? Ich lebe. Ich tanze, wie ich es für richtig halte."
Bis zu dem Satz mit dem Selbstmord fand ich deinen Text super.
(Ich möchte noch sagen, dass ich als Betroffene zu diesem Thema durchaus weiß, wovon ich rede. Eben deshalb sehe ich den Text so kritisch. Ich muss das hier sagen, weil der Text hier so viel abgelobt wurde.)

LG, Jelena.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 05.10.2011, 16:42

liebe jelena,

ich muss gestehen, dass ich mit einem kommentar wie deinem gerechnet habe. ich war viel eher auf eine solche reaktion gefasst als auf die vielen "wohlmeinenden" (für die ich danke!). vielleicht wäre mein beitrag zu einem solchen text sogar ähnlich ausgefallen.

ich kann verstehen, dass du befremdlich findest, dass der suizid eines menschen zum "textknaller" wird.
im prinzip geht es mir ähnlich.
ich habe den text schnell und aus einem guss geschrieben. zu papier gebracht, ohne viel zu überlegen.
ich wollte meine erinnerung an die letzte zeit mit dem menschen festhalten. ich wollte (ausdrücklich!) weder ursachenforschung betreiben noch in irgendeiner form urteilen oder werten. ich weiß nicht, ob eine selbsttötung ein "richtigmachen" sein kann. ich vermute, dass sie einer eigenen logik folgt.

ich bin bis heute nicht sicher, ob es eine gute idee war, den text hier zu posten. für mich ist klar, dass es mein bislang persönlichster text hier ist. ich habe ihn veröffentlicht, weil ich dem blauen salon (bzw. seinen mitgliedern) (ver-)traue. "aus der reihe" ist der erste text, den ich versteckt poste.

ursprünglich wollte ich "aus der reihe" mit zur beerdigung nehmen. aus verschiedenen gründen habe ich das sein lassen. ich schätze, ich hätte es nicht geschafft, ihn mit klarer stimme vorzulesen. und ich fürchte, dass er den angehörigen vielleicht doch zu nahe getreten wäre, so, wie er dir vielleicht in verschiedenen aussagen zu nahe getreten ist.

lga

Klara
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Beitragvon Klara » 05.10.2011, 17:14

Mag sein, dass so ein Text den Angehörigen "zu nahe" getreten wäre.

Als Text finde ich solcherlei Beurteilungskriterium außer-textlich. Zu moralisch sozusagen, insbesondere, weil er ja verdeckt hier eingestellt wurde, so dass auf keinen Fall jemand direkt Bekanntes verletzt wird. Aber das ist natürlich nur meine bescheidene Ansicht dazu.

Jelena

Beitragvon Jelena » 05.10.2011, 21:03

Ich habe mich in meiner Argumentation nur an den Text gehalten. Es liegt mir fern, zu moralisieren. Jetzt wo ich lese, dass der Text spontan aus einem Guss heraus geschrieben wurde - ohne zu überlegen - fühle ich mich in meiner Kritik nur bestätigt.
Es befremdet mich jetzt tatsächlich, dass meine Stimme hier weniger Gewicht haben soll als die unüberlegten Stimmen.
Daran zu zweifeln, ob ein Selbstmord richtig oder falsch ist, ob er eine Logik hat oder nicht, halte ich für den falschen Weg. Ein Selbstmord ist immer ein Versagen.
Die Selbstmordthematik erscheint häufig in der Literatur. Sie ist dann gelungen, wenn sie das Schreckliche des Geschehens nicht ausspart. Dafür braucht es eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema.

Jelena

Beitragvon Jelena » 06.10.2011, 07:26

Möchte heute morgen noch ergänzen, dass es mir schon bewusst ist, dass ich etwas "herb" mit meiner Meinung rüberkomme. Das tut mir Leid. Mit tut ganz Ganze Leid. Sehr sogar.
Ich denke immer lange über einen Text nach, bevor ich ihn poste. Ich denke auch, dass ich es jedem Text schuldig bin, ihn lange auf mich einwirken zu lassen, bevor ich Position beziehe. Ich möchte mich in jedem Beitrag als Schreibende präsentieren, mit meinen Überzeugungen. Damit bin ich sogar der Protagonistin oben ähnlich. Ich möchte also auch alles richtig machen, aber auch in dem Bewusstsein des Paradoxen. Wir machen nämlich nicht alles richtig und werden immer den Ungeheuern ins Gesicht schauen müssen.
Ich halte es also nicht für abwegig, dass jemand nicht mehr leben will. Ich kann das nachvollziehen. Aber sich der Tatsache, dass das Leben sehr, sehr schwer und sehr, sehr endlich ist, sich zu stellen, ist für mich eben die größte Entscheidung für das Leben.
Das ist jetzt tatsächlich außer-textlich geworden, sorry dafür, Jelena.


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