Wie weit muss ich dich werfen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.04.2010, 19:54



Wie weit muss ich dich werfen

wirf keine Fragen in mein Gefängnis
sie fallen fruchtlos zu Boden
wirf keine Würfel durch die Streben
ihre Augen werden niemals zählen

Antworten gehen und gehen
fliegen wie Fliegen aus dem Kreis
wie weit muss ich dich werfen
wie weit

dreh dich endlich um
zu dir
geh



1. Fassung
Wie weit muss ich dich werfen

wirf keine Fragen in mein Gefängnis
sie fliegen fruchtlos zu Boden
wirf keinen Würfel durch die Streben
zehn werden die Augen niemals zeigen

Antworten gehen und gehen
fliegen wie Fliegen aus dem Kreis
wie weit muss ich dich werfen
wie weit geht dein Glaube

lös endlich den Anker
wirf die Leine fort
flieh aus meiner Nacht
richte den Blick zu dir

Niko

Beitragvon Niko » 01.04.2010, 21:33

hallo gabriella!
das finde ich ein sehr interessantes gedicht, weil es auf eine unbestimmte art sehr surreal anmutet. auf den ersten leseblick eben.

gleich in der ersten zeile kommt mir die assoziation von "fragen aufwerfen". die würfel durch die streben (finde ich hier auch wirklich besser als stäbe oder gitter, die du ja hättest auch nehmen können) gefallen mir. aber statt "zehn" wäre ich jetzt auf zwölf gegangen. sechs ist die höchste zahl. 6x2=12. da verstehe ich die zehn nicht....
man sagt mir ja manchmal, dass ich worte gleich hintereinander wiederhole und dass das nicht nötig sei und nicht klänge. hier finde ich wieder ein beispiel, ein bestätigendes, dass es manchmal sein muss! gehen und gehen hat etwas sehr eindringliches, finde ich. einfaches "gehen" würde da bei weitem nicht reichen! wobei mich dann doch das "geht" in der letzten zeile derselbigen strofe etwas stört. bei fliegen wie Fliegen - da bin ich mir nicht eins mit mir, ob ich das gelungen finde oder nicht. die wiederholung des titels "wie weit muss ich dich werfen" ist hier gut platziert. als kern des ganzen in der mitte.
obschon die letzte strofe mir ein wenig zu zeigefingerlyrisch ist, gefällt sie mir in der aussage sehr.

auch wenn ich ein paar dinge anders gemacht hätte (du bist ja auch nicht ich) und auch, wenn mir ein paar dinge nicht so recht zu passen scheinen, so finde ich es ein sehr interessantes und in der aussage metaphorisch gut dosiertes gedicht.
hab´s gern und gern wiederholt gelesen!

liebe grüße: Niko

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.04.2010, 22:45

Hi Niko,

danke dir für deinen Kommentar!
Die Zahl Zehn kann ein einziger Würfel ja nicht zeigen, dies können nur zwei Würfel. Durch die 10 möchte ich die Unerreichbarkeit ausdrücken.
Zu dem "geht" in der 2. Strophe: evtl. könnte ich dort auch "reicht" nehmen, muss ich mal drüber nachdenken. Es scheint mir evtl. zu überlegt. Das "geht" klingt da direkter.
Die 3. Strophe ist die offenste. Hm, Zeigefinger soll es nicht sein, sondern einfach klarer, was LI hier dem DU sagen möchte.
Ich freu mich, dass dich mein Gedicht anspricht.

Saludos
Mucki

Niko

Beitragvon Niko » 01.04.2010, 22:58

Gabriella hat geschrieben: Durch die 10 möchte ich die Unerreichbarkeit ausdrücken.

verstehe ich nicht. rein würfelisch ist 10 weit entfernt von unerreichbar. 10 ist mit zwei würfeln gut erreichbar. vielleicht dreizehn statt zehn? oder allgemeiner: "die augen treffen niemals meinen wert" oder etwas in der art?

lieben gruß: Niko

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.04.2010, 23:03

Hi Niko,
Niko hat geschrieben:oder allgemeiner: "die augen treffen niemals meinen wert"

dies wäre nicht allgemeiner, sondern sehr viel konkreter. Aber es würde etwas konkretisieren, was ich gar nicht intendierte. Es geht hier nicht um den Wert des LIs.
Wenn die Zahl zehn zu verwirrend ist, wähle ich evtl. eine andere. Ich dachte, es wäre klar, dass hier nur von einem Würfel die Rede ist, der einmal geworfen wird.
Na, ich warte mal ab, ob andere auch über diese Zahl stolpern.

Saludos
Mucki

Niko

Beitragvon Niko » 01.04.2010, 23:14

hast recht mucki!
wirf keinen würfel...........du meinst einen. und ich gehe automatisch von zweien aus. ist zwar auch nicht falsch anzunehmen, aber ganz klar kann man, muss man wort by wort von einem würfel ausgehen.......
ich bitte die unlesbarkeiten meines vorkommentierers zu entschuldigen. die andere seite meines ich´s hat wohl schon zuviel eierlikör intus....

hicks......niko + eierIch, würfelnd............hicks

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 02.04.2010, 00:57

Liebe Mucki,

ich glaube gut zu verstehen, jedenfalls gehe ich eins mit dem Verstandenen. Wann beginnt das LyrDu endlich mit dem Eigenen, wann ist endlich Schluss mit dem Glückspiel ... (Zählen, auf den Anderen, Setzen auf den Anderen, ... es gäbe noch viele Assoziationen.

Ich mag es sehr!!

liebe Grüße

Renée

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2010, 01:38

Liebe Renée,

ich freu mich, dass es dir gefällt. Hiermit
Renée Lomris hat geschrieben:Wann beginnt das LyrDu endlich mit dem Eigenen

liegst du meiner Intention recht nahe. Das freut mich.
Ja, es geht hier um Loslassen.

Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 02.04.2010, 09:20

Hallo Mucki,

ein interessanter Text, für mich aber ein bisschen viel werfen und fliegen?
Da ich die Titelzeile klasse finde, würde ich versuchen das Werfen des LDu anders zu besetzen. Und wenn es dir so wichtig ist, würde ich zumindest das erste "fliegen" durch ein "fallen" ersetzen.
Vielleicht ginge aber auch so etwas:

säe keine Fragen in mein Gefängnis
sie werden nicht keimen
kuller/roll keinen Würfel durch die Streben
ihre Augen werden niemals zeigen

Die 10 würde ich weglassen. Ich verstehe ihre Bedeutung nicht, und es gibt auch Würfel, mit einer 10, also wäre die "niemals" Folgerung dann eine Illusion und das soll es hier glaube ich nicht sein? Und um das Andauern dieses Zustandes zu zeigen müssten es auch mehrere Würfel sein, oder?

Antworten gehen und gehen
fliegen wie Fliegen aus dem Kreis
wie weit muss ich dich werfen
wie weit geht dein Glaube
Die Strophe gefällt mir, auch die "fliegenden Fliegen", aber der Glaube am Ende ist mir zu viel, zu erklärend. Das "wie weit" am Ende fände ich da viel rührender.

lös endlich den Anker
wirf die Leine fort
flieh aus meiner Nacht
richte den Blick zu dir
Das ist mir auch zu erklärend und theatralisch in den Bildern, (vor allem das "flieh aus meiner Nacht") außerdem falle ich völlig aus dem Gefängnisbild, das ich sehr stark und bildhaft finde, weil da nun ein Schiff auftaucht. Ich würde versuchen das aus der ersten Strophe aufzugreifen und hier zu zeigen, dass er doch "frei" ist zu gehen, weil es nicht sein Gefängnis ist, sondern ihres, dass er sich selbst angekettet hat und den Schlüssel in der Hand hat... irgendetwas in diese Richtung. Oder verstehe ich das ganz falsch? Oder ganz einfach ohne viel Erklären.

dreh dich doch endlich um
zu dir
geh


Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Beitragvon Mnemosyne » 02.04.2010, 09:52

Hallo Gabriella,
das ist ein ziemlich starker Text mit klarer Deutung, die sich nach dem Lesen und beim wiederholten Lesen allmählich entfaltet. Ich hatte zunächst keine Änderungswünsche, finde aber, nachdem ich Floras Kommentar gelesen habe, ihren Alternativvorschlag für die Schlussstrophe durchaus erwägenswert.
Liebe Grüße
Merlin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2010, 13:33

Hi Flora und Merlin,

danke für eure Kommentare!
Flora, ich finde einige deiner Vorschläge in der Tat überdenkenswert, vor allem bei der Schlussstrophe.
Du hast meine Intention des Textes voll erfasst. Ja, es geht darum, dass das Du sich nicht mehr an das LI ketten, sich vom Gefängnis des LI befreien soll, da es nicht seines ist und er niemals zum LI vordringen kann.
Danke dir! Ich feile noch, werde aber einiges nach deinen Vorschlägen ändern.

Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 02.04.2010, 19:09

Liebe Mucki,

ich mag die Ansätze, die der Text bietet. Gut kann ich mich vor allem mit Floras Variante anfreunden (wobei ich ganz eindeutig dafür bin, dass man eine Würfel wirft oder rollt, aber nicht kullert). Außerdem stoße ich mich ein wenig an den fliegenden Fliegen, aber das ist sicherlich Geschmacksache. Schön finde ich Floras Variante der letzten Strophe.
Interessant wird sein, in welche Richtung Du feilst :-)

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2010, 19:41

Hi Max,

ja, der Würfel wird geworfen. Dabei werde ich wohl bleiben. Dieses "Werfen" hat in meinem Text ja ganz bewusst einen ziemlichen hohen "Stellenwert", deshalb kommt es auch im Titel vor. DU soll sich nicht wegwerfen für das LI. LI fragt sich, wie weit es das DU "werfen" (von sich abwerfen muss), damit DU es endlich kapiert. Ich kann deshalb nicht auf das "wirf" verzichten. "Kullert" wäre auch viel zu niedlich, passt nicht zum Kontext. Und mit den Fliegen, die fliegen, ich weiß noch nicht. Ich habe ja hier sehr viele Whs drin, auch Absicht, klar, sonst hätte ich es ja nicht so geschrieben.
Aber der Vorschlag von Flora zur Schlussstrophe gefällt mir ausgesprochen gut.
Mal schauen. Ich werde mich morgen noch mal damit beschäftigen.
Danke dir für deinen Eindruck!

Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2010, 23:59

Hallo ihr Lieben,

habe eben eine 2. Fassung oben eingestellt.
Danke dir, Flora!

Saludos
Mucki


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