Hallo Herby,
da hast du ein wunderbares Bild gefunden, gefällt mir sehr! Ich habe trotzdem, oder gerade deshalb ein paar Anmerkungen, weil ich es so mag.

Von der Abfolge her habe ich ein wenig Schwierigkeiten, weil das Hineinwachsen und das Zweige strecken mir so direkt nacheinander seltsam widersprüchlich erscheint. Ich glaube, ich würde da lieber eine Entwicklung sehen, also die letzen zwei Zeilen der ersten Strophe erst in der vierten Strophe lesen.
Du schnittest sie zurück
mit rostigen Wortmessern.
Die erste Zeile finde ich klanglich arg unschön, auch wenn das natürlich zum Inhalt passt, empfinde ich es hier trotzdem störend.
Bei den rostigen Messern geht es mir so, dass ich das „rostig“ klasse finde, das
Wortmesser mir jedoch zu viel ist. Ich denke diese Ebene wird durch die nächste Zeile viel feiner erreicht und auch klar.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass es so wirken würde:
Meine Zweige streckten sich dir zu,
- wie zaghaft sie waren -
Du nahmst das rostige Messer.
Sehr gelungen und berührend finde ich den Einschub „wie zaghaft sie waren“, weil sich da auch die Stimme verändert, eine Pause entsteht.
Was ich dir sagen wollte,
bargen meine Knospen.
Sie fielen in der Wintersonne
deines Lächelns, vor der Blüte.
Oh das ist schön... aber klanglich bin ich nach dem Lächeln am Ruhepunkt der Strophe. Das „vor der Blüte“ erscheint mir dann nachgeschoben und eigentlich auch redundant?
Die Jahresringe wurden kleiner.
Ich wollte wachsen
und wuchs
in mich hinein.
Schön! Das wäre für mich das perfekte Ende. Ich glaube alles, was danach kommt, nimmt diesem Bild für mich nur an Kraft.
Der Baum vor meinem Fenster,
er wird auch morgen noch
dem Schnee von heute trotzen.
Mmmh, das verändert die Stimmung für mich sehr. Das Weiche wird durch das Trotzen aufgehoben. Aber wird das nicht auch schon im Titel gesagt, dass dieser Baum den Winter übersteht? Oder vielleicht könntest du es in die erste Strophe integrieren?
Winterbaum
Ich wollte wachsen
wie der Baum vor meinem Fenster
den Schnee von gestern trägt.
Meine Zweige streckten sich dir zu
- wie zaghaft sie waren -
Du nahmst das rostige Messer.
Was ich dir sagen wollte,
bargen meine Knospen. Sie fielen
in der Wintersonne deines Lächelns.
Die Jahresringe wurden kleiner.
Ich wollte wachsen
und wuchs
in mich hinein.Wie immer nur zum Anschauen, ob etwas für dich dabei ist.
Liebe Grüße
Flora