Leonore

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 26.08.2009, 22:29

:cool: :cool: :cool:
Zuletzt geändert von Renée Lomris am 27.07.2011, 19:57, insgesamt 2-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 28.08.2009, 18:56

Hallo Renée,

das habe ich sehr gerne gelesen und die Geschichte gefällt mir wirklich gut. Auch wenn ich auf Grund mangelnder Kenntnis ein wenig Mühe hatte, die rein berufliche Beziehung zwischen Anton und Max im medizinischen Ausbildungsbetrieb aufzudröseln. Aber, soweit meine ich es verstanden zu haben, war er für ihn und die anderen Studenten, darunter Leonore, verantwortlich. Daraus hat sich dann eine Freundschaft zwischen Max und Anton entwickelt, die aber eigentlich keine richtige Freundschaft ist. Zumindest eine Ungleichgewichtige, und beim mehrmaligen Lesen meine ich auch dahinter gekommen zu sein, warum. Aber das ist eigentlich nur ein Nebenschauplatz. Denn Hauptfigur ist zweifelsohne Leonore, die du mit ein paar Pinselstrichen sehr interessant und vielschichtig gezeichnet hast. Sie ist die wirklich schillernde Person in dieser Dreier- (mit Paul sogar Vierer) beziehung. Sehr distingiert, eigensinnig, divenhaft, aber von einer unabstreitbaren Ausstrahlung. Und niemand von den hier auftretenden Herren, kommt wirklich an sie heran (stünde der Text im Publicus, so hätte meine Besprechung bestimmt den Titel: Die unerreichbare Frau o.ä.).

Leonore ist der Stern, um den sich die Planeten Max und Anton drehen und der auch das Verhältnis der beiden zueinander bestimmt.
und nichts hättest du lieber gemacht, als an ihr herumzufingern. Du hättest ihre linke Brusthälfte abladiert, ohne auf Metastasen zu achten. Hastig und voreilig hättest du dafür gesorgt, dass zahlreiche Schnitte und Nähte Nährboden für die gefräßigen Zellen geschaffen hätten. Und wegen deiner Vergesslichkeit hättest du die Nachuntersuchung drei Monate zu spät angesetzt. 



Hier geht es nicht darum, dass Max seinem "Freund" fachliches Unvermögen unterstellt, sondern es ist die pure Eifersucht. Das wird erkennbar an Max Reaktionen auf die Schneegeschichte, an gewissen Äusserungen.
Beide hatten sie Leonore Nahe gestanden, ohne ihr aber wirklich Nahe gekommen zu sein. Hätte sie es bei einem der Beiden je einmal zugelassen, würde jetzt nicht noch soviel ungelöschter Brand zwischen den Männern schwelen.

Die Schneegeschichte selber wirft nochmals ein besonderes Licht auf Leonore und der Beziehung zu ihrere Umwelt. Da ist etwas Unwirkliches, hoffnungslos Verträumtes darin. Eine Wahrnehmung der Welt, die nicht nach Außen mitgeteilt werden kann. Und damit verbunden eine Verschlossenheit, die unmöglich zu durchbrechen war. Unmöglich sie rechtzeitig zu wecken - unmöglich sie zu operieren.


Du hast in dieser Geschichte sehr interessante Charaktere gezeichnet, und das in z.T. wirklich tollen Sätzen.

Dies hier finde ich wirklich sehr gelungen:


Max ballte fest beide Fäuste in den weiten Manteltaschen. Sollte er sagen, wie richtig und mutig es ihm erschienen war, dass gerade sie, die braunäugige, schmale, jungenhafte Kommilitonin, die einzige Französin unter ihnen, dieses exotische, kluge Wesen, das ihnen „le rivage des Syrtes“ vorgelesen hatte, dass dieses schwach scheinende geschmeidige Schilfrohr mit ägyptischen Augen ihnen diesen Streich gespielt hatte. Diese Geschwulst wachsen zu lassen, als handele es sich um die Veredelung einer Rose, als habe sie zur Kreation einer neuen Art beitragen wollen, zur Geschwulstrose, aus deren Schaum eine besondere Variante des Todes hervorgehen würde, ein eigener, besonders weicher und milder Todesschrei. 




Vielen Dank für diesen sehr guten Text!


Liebe Grüße


Sam

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 28.08.2009, 19:31

Hallo Sam,

Ja, ich habe mir mit Leonores "never more", mit den sie begleitenden Unglücksraben, mit der Geschwulstrose ohne Warum, mit dem ewig mangelnden Schnee große Mühe gegeben. Der Text ist besser verständlich, wenn man die frz. bizuthage kennt. Initiationsrituale demütigender und sexueller Art, die heute verboten sind.

Danke für dein Lob
:spin2:

liebe Grüße
Renée

Max

Beitragvon Max » 30.08.2009, 19:57

Liebe Renee,

ich habe den Text gespannt gelesen. Die Zeichnung der Charaktere gefällt mir, auch wenn ihgre gegenseitige Beziehung gelegentlich wohl etwas Kenntnis auch im Medizinischen verlangt.
Besonders gelungen finde ich einige Vergleiche bzw. Beschreibungen, beispielsweise

Die Zeit wäre zu einer kleinen Plastiktasche zusammengeschnurrt, zu einer Plastiktasche voll Urin


An einigen Stellen wären noch Satzzeichen einzufügen ;-).

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.08.2009, 00:20

Liebe Renée,

sehr schön geschrieben hast du diese Hommage an Leonore. Sie wirkt auf mich wie ein unantastbares und sehr geheimnisvolles Wesen, welches durch seine Ausstrahlung die Mitmenschen verzauberte, in den Bann zog. Und dies geschieht hier auch bei mir, als Leser. Da ist einerseits die Tragik des Tumors, des Schnees, den sie nie sah, doch andererseits ist man irgendwie froh, dass nicht an ihrem Körper "rumgeschnibbelt" wurde, sondern, dass auch ihr Körper unantastbar blieb, bis zum Tod. Leonore hat etwas Mythenhaftes. Und der Schlusssatz klingt nach.
Die beiden von Sam und Max zitierten Passagen hätte ich auch als Perlen zitiert.
Sehr gern gelesen!

Saludos
Mucki

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 01.09.2009, 13:34

Hallo, Ihr Lieben,

Noch einmal zu Leonore, deren Schneegeschichte (und Tumor) im Zentrum steht. Ich habe mich gefragt, inwieweit die Erzählweise 'nur' die klassisch unnahbare Frau widerspiegelt.

Sam,
vielleicht hast du mit diesem Absatz :

Die Schneegeschichte selber wirft nochmals ein besonderes Licht auf Leonore und der Beziehung zu ihrere Umwelt. Da ist etwas Unwirkliches, hoffnungslos Verträumtes darin. Eine Wahrnehmung der Welt, die nicht nach Außen mitgeteilt werden kann. Und damit verbunden eine Verschlossenheit, die unmöglich zu durchbrechen war. Unmöglich sie rechtzeitig zu wecken - unmöglich sie zu operieren.


das wahrgenommen, was ich über die magische Wirkung der Unnahbarkeit hinaus ausdrücken wollte.

Max, du schreibst, dass du mit dem medizinischen Vokabular Probleme hattest, mit welchem? Vermutlich mit dem Studium. Wenn du mir die betreffenden Stellen anzeigst, kann ich vielleicht - verbessern ...

Gabriella, danke für deinen Kommentar ... und das Lob

Liebe Grüße

Renée

Max

Beitragvon Max » 01.09.2009, 17:50

Liebe Renée,

ich glaube nicht, dass es da etwas zu verbessern gibt: Ich bin nur schlauer geworden ;-)

Liebe Grüße
Max


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