ausbreiten in mir entrinnen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2008, 20:49

Letzte Fassung (die muss bleiben)

ausbreiten in mir
entrinnen


oh ja, das will ich tun
ausbreiten in mir
mauern sprengen, kerker
oh ja, das will ich
verlassen und rennen, rennen
mauern sprengen, kerker verlassen
rennen, rennen

unter duftenden kiefern
in moosbetten liegen
hervor würgen würfel aus stein
unter duftenden kiefern
schwärzlich mit rasiermesserecken
gurrenden waldtauben lauschen
plätschernden quellen

fallen und liegen im moosbett
abschütteln alle pflicht
endlich nur ich, ich, ich ausatmen
endlich nur ich, ich, ich
doch schon keimt die frage:
doch wo bleibt dann die liebe
wo bleibt dann die liebe

so trottet mein herz zurück
so trottet mein herz zurück





Noch ein Versuch. Nr. 3

entrinnen

ausbreiten in mir
oh ja, das will ich
mauern sprengen, kerker verlassen
rennen, rennen

unter duftenden kiefern
hervor würgen würfel aus stein –
schwärzlich mit rasiermesserecken

fallen und liegen im moosbett
endlich nur ich, ich, ich ausatmen
doch schon keimt die frage:
wo bleibt dann die liebe
so trottet mein herz zurück






2. Fassung

entrinnen der pflicht

ausbreiten in mir
oh ja, das will ich tun
mauern sprengen, kerker verlassen
rennen, rennen

unter duftenden kiefern
hervor würgen würfel aus stein –
schwärzlich klumpigen morast
ein scherbengericht ausgespien

fallen und liegen im moosbett
endlich nur ich, ich, ich ausatmen
doch schon keimt die frage:
wo bleibt dann die liebe
so trottet mein herz zurück





1. Fassung

ausbreiten in mir

oh ja, das will ich tun
mauern sprengen, kerker
verlassen und rennen, rennen

in moosbetten liegen
unter duftenden kiefern
dem gurren der waldtauben
lauschen, plätschernden quellen

abschütteln alle pflicht
endlich nur ich, ich, ich
doch wo bleibt dann die liebe
so trottet mein herz zurück


ein weiteres fluchtgedicht ...
by ELsa
Zuletzt geändert von Elsa am 19.05.2008, 23:14, insgesamt 3-mal geändert.
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.05.2008, 21:31

Liebe Elsa,

das gefällt mir mit seiner selbstironischen Note, voer allem der letzte Satz!

Einzig der zeilenumbruch hinter "waldtauben" leuchtet mir nicht ganz ein.

Wie wäre:

gurrenden waldtauben lauschen,
plätschernden quellen

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2008, 21:37

Liebe leonie,

Oh, fein, du bist schon da :-)

Danke dir.

Ja, den Umbruch kann ich verändern, finde ich gut.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

DonKju

Beitragvon DonKju » 13.05.2008, 21:55

Hallo Elsa,

Toller Text !

Zusätzlich zu dem Vorschlag Leonies hab' ich noch eine Umstellungsidee für die erste Strophe :

oh ja, das will ich tun
mauern sprengen, kerker verlassen
und
rennen, rennen

weil ich das "kerker verlassen" irgendwie zusammen lese und das "rennen, rennen" in einer Zeile für sich irgendwie noch stärker wirkt, was meinst Du dazu ?

Mit liebem Gruß von Bilbo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2008, 22:27

Liebe Elsie auf der Flucht,

da ist eine ziemliche Dynamik und Inbrunst drin. Das gefällt mir. Bilbos Vorschlag finde ich gut. Ich würde sogar noch ein drittes "rennen" dazu setzen. Krass und deshalb gelungen, finde ich den Gegensatz zum Rennen zu Beginn und dann Trotten des Herzens am Schluss. So kommt die Aussage umso stärker rüber.
Saludos
Mucki

Peter

Beitragvon Peter » 13.05.2008, 23:03

Liebe Elsa,

wenn du erlaubst, eine kleine Kritik. Mir scheint das Gedicht zu sehr getragen von einem Schreibansatz, den ich als 1 zu 1 bezeichnen würde. Das Wort schwimmt mir zusehr auf der Welle, lässt sich nicht kommen, lässt sich nicht aus. Die "Gedicht-Waagen" kommen ja immer erst später, und noch viel später die Bilder. Ich würde mir wünschen, dass das Gedicht mehr Geduld haben würde, ich denke, es könnte dann nochmal und anders sein. Auf den ersten Wellen entsteht nicht viel Eigenheit. Das schlägt sich nieder in den "duftenden Kiefern" oder "plätschernden Quellen". Ich empfinde diese Stellen dann nicht als gesagt. Das Wort ist noch nicht da, so bleibt das Gedicht in einer bloßen Erwähnung.

Wenn ich raten darf, ich würde solche ersten Ansätze, die hier das Gedicht bestimmen, sei es dann eine Wut oder überhaupt eine Aufregung, einfach mal vorüberrauschen lassen, denn 1 zu 1, das ergibt, meinem Denken nach, noch nicht Raum, noch nicht Bild. Beschreib doch in einer Wut etwas ganz Stilles, und beschreib es genau. Einen Blumenstrauß vielleicht, und zwischen den Blüten wäre das Feuer, so?

Gedichte, glaube ich, sind immer eine Art Verdrängung, nicht im psychologischen Sinn, eher eine Verdrängung, die zum Vorschein bringt.

(Dann wäre "ausbreiten":-))

Liebe Grüße,
Peter

Perry

Beitragvon Perry » 13.05.2008, 23:48

Hallo Elsa,
ein Text, der einen mitreißt. Trotzdem würde ich mir auch wünschen, das "ausbreiten" beim Lesen besser in mir fühlen zu können.
LG
Manfred

Caty

Beitragvon Caty » 14.05.2008, 07:10

Liebe Elsa, der Mensch, eingespannt in Vorschrift, Gebot und allerlei Pflicht. Die erste Strophe könnte ich mir wegdenken, weil die zweite Strophe sie inhaltlich einschließt. Sie ist mir auch zu allgemein.

Logisch komme ich nicht ganz mit bei "doch wo bleibt dann die liebe". Ich finde, gerade dann, wenn eine in Moosbetten liegt, dem Gurren der Waldtauben lauscht (als Symbole der Freiheit), gerade dann ist doch Gelegenheit für die Liebe. Ich verstehe den Gegensatz nicht. Verständlich wäre er mir, schriebest du: "doch wo bleibt dann (zum Beispiel) die Ehe" (die ich nicht unbedingt mit Liebe gleichsetzen würde). Ich versuche deinem Gedankengang zu folgen, aber es gelingt mir nicht.

Herzlich, Caty

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.05.2008, 07:58

Lieber Bilbo,
Danke für den Vorschlag, ich werde ihn überdenken, und "toller Text" ist immer fein!

Liebe Mucki,
Fein, dass es dir gefällt. Ob ein 3. "Rennen", muss ich nachdenken. Ich hätte es gern so abgebrochen, glaube ich. Denn die "Dreifaltigkeit" des Wortes macht es imho zu komplett, weil eben ein spontaner Ausbruch aus dem Alltagsgefüge.

Lieber Peter,
Danke für deine Überlegungen, die werde ich mir einpacken und sehen, ob ich sie umsetzen kann.
Wie du sagst, solche "frisch geschlüpften" Texte brauchen ihre Zeit, aber ich kann gut nachvollziehen, wo es deiner Meinung nach hakt.
Gedichte, glaube ich, sind immer eine Art Verdrängung, nicht im psychologischen Sinn, eher eine Verdrängung, die zum Vorschein bringt.
(Dann wäre "ausbreiten":-))
Sehr schön getroffen!

Lieber Manfred,
dann sehen wir mal, ob ein "ausbreiten" noch zustande kommt, danke!

Liebe Caty,
Ich werde noch dran arbeiten, es genauer machen, vielleicht schaffe ich es. Es ist ein Versuch, die Liebe zu sich selbst über die zu stellen, die für die anderen empfunden wird und im Pflichterfüllen erstickt. Insofern ist es wohl vonnöten, das Vokabel Liebe spezieller zu formulieren, ja. Ich denke nach und danke dir.

Lieben Grüße
ELsa
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Beitragvon Elsa » 17.05.2008, 19:01

Liebe Saloner,

ich habe eine Dunkelfassung nach Peters Kommentar entwickelt, die näher an die Gefühle des LIs herantragen soll.

Lieben Gruß
ELsa
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Perry

Beitragvon Perry » 18.05.2008, 10:32

Hallo Elsa,
wirkt um einiges intensiver. Beim Titel würde mir "entrinnen" allein durchaus genügen. Ansonsten sind mir Steinwürfel und Klumpen etwas zuviel. Beim 3. Vers könntest du das "ausatmen" an den Anfang setzen, wäre eine gutes Wiederaufgreifen des "ausbreiten" zu Beginn.
LG
Manfred

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Beitragvon leonie » 18.05.2008, 11:32

Liebe Elsa,

mich überzeugt das gar nicht, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht, weil Du die ausgespieenen Materialien so sehr verwischst. Würfel aus Stein, finde ich ein starkes Bild, aber es wird gleich nivelliert durch den Morast und dann frage ich mich, wo plötzlich die Scherben herkommen...

Mich spricht die erste Fassung mehr an - sie klingt für mich authentischer.

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.05.2008, 11:58

Lieber Manfred,

du meinst, es ist spannender?

Liebe leonie,

du meinst, es überzeugt nicht.

Vielleicht ist es jetzt zuviel, was LI rauswürgt....

Hmpf Grüße an euch,
ELsa
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Beitragvon leonie » 18.05.2008, 12:06

Liebe Elsa,

ich würde versuchen, bei einem Bild zu bleiben (z.B. den Steinen) und das dann zu vertiefen. Was ist versteinert, etc.

In Version drei sind auch zwei Bilder, Steine und Rasiermesserecken. Mir persönlich ist das einfach zuviel.


Liebe Grüße

leonie

edit: Mir ging das gerade nochmal durch den Kopf. Vielleicht ist die Schwierigkeit doch eine andere: Ich kann diese Begriffe nicht als Metaphern verstehen, sondern sehe sie real als das, was ausgespuckt ist, vor mir. Da liebgen dann Steine, Rasierklingen, Morast auf dem Waldboden, aber nicht das, wofür sie stehen.
Vielleicht wäre es besser, das Bild zu brechen. Zum Beispiel dann die Worte, die Ansprüche, etc. herauszuwürgen, (und sie evtl. mit dem Bildhaften zu verbinden?)

zum Beispiel:

würge die alten worte hervor, zu quadraten geschliffene steine,
spucke die messerscharfen ansprüche aus, rasierklingen, die mich von innen zerschneiden

Ist auch drastisch, vielleicht muss es auch anders, ich wollte nur deutlich machen, was ich meine...

Liebe Grüße

leonie


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