meine hände riechen nach geborgenheit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.05.2008, 14:02

 

meine hände riechen nach geborgenheit


über schwellen steig ich. leg mich zu dir
träumendes gesicht. du sehnst die luft
in meinen händen. schaust mich an
als wären wir. mond und meer

so lichtern
mach ich ebbe
mach ich flut
versinke

in den weißen nächten
wenn sonnenaugen endlos fragen
hält dein herz die türen auf
in den schlaf. du dunkelst mich
so warm

find ich heim
bleibe


 

DonKju

Beitragvon DonKju » 04.05.2008, 14:59

Hallo smile,

nach dem ersten Lesen find' ich's einfach nur schön - so schwingend und klingend - sanft ...

Vielleicht les' ich es in ein zwei Tagen noch einmal und kann dann ein bißchen mehr dazu sagen ...

Lieben Sonntagsgruß von Bilbo

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.05.2008, 18:50

Mir geht es wie Bilbo.

Vielleicht könnte man das 'versinke' in 'versunken' ändern.

Aber das ist nicht sehr erheblich.

MlG

Moshe

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 04.05.2008, 21:24

Das ist wieder wunderbar, liebe smile *träum*

Manche Worte könnten Kitschalarm bedeuten: mond, meer, träumend, herztüren,

aber das tut es eben nicht! So, wie du sie verwendest, ist es einfach nur schön.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

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leonie
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Beitragvon leonie » 04.05.2008, 22:01

Liebe smile,

das schwebt so richtig, finde ich. Wobei es für mich kleine sprachliche Dinge gibt, die das Schweben durchbrechen. Das ist zum einen der Titel, das umständliche Substantiv. Wieso nicht "meine hände riechen (oder duften?) geborgen" ?

Die beiden "mach ich" würde ich ersatzlos streichen, und das versinke in "versinken" ändern, damit nicht der Eindruch des Gewollten entsteht, sondern eher des Geschehen-Lassens. Und wenn Du umstellst "dunkelst du mich", dann eröffnest Du dem leser noch mehr Spielräume für seine Phantasie.

Meine Ideen also:

meine hände riechen geborgen


über schwellen steig ich. leg mich zu dir
träumendes gesicht. du sehnst die luft
in meinen händen. schaust mich an
als wären wir. mond und meer

so lichtern
ebbe
flut
versinken

in den weißen nächten
wenn sonnenaugen endlos fragen
hält dein herz die türen auf
in den schlaf. dunkelst du mich
so warm

find ich heim
bleibe



Vielleicht ist die ein oder andere Anregung für Dich dabei!

Liebe Grüße

leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 05.05.2008, 10:02

Hallo Smile!

Fast wäre ich begeistert gewesen :smile: ! So ist mein Empfinden ein bisschen getrübt - und zwar deshalb:

Der Titel
meine hände riechen nach geborgenheit
hat mich sehr interessiert, weil mir das "meine hände riechen nach..." sehr gefallen hat. Als ich dann aber so ein Gefühlssubstantiv sah, dachte ich: Wieso? Wieso nicht nach Essig? Wieso nicht nach Limetten? Sonntag? Frühstück?

Wieso ausgerechnet "Geborgenheit" ? Das ist etwas soooo Schönes, aber es bleibt ein Gefühl... und in Gedichten ist für mich eine der tödlichsten Sachen "Ein Gefühl beim Namen nennen" - Denn das Gedicht versucht doch ein Gefühl bei mir zu erzeugen... Das ist wie wenn ein Mann zu mir sagt: "Ich will jetzt mit Dir ins Bett!" oder er sagt: "Wollen wir einen Kaffee trinken?"

= Beides läuft auf dassele hinaus, aber nur beim zweiten stimme ich zu :smile: ... (Ich hoffe Du verstehst)

Weiter im Text:

über schwellen steig ich. leg mich zu dir


Davon war ich zum Beispiel begeistert :daumen: ! Das ist sehr schön. Das ist so simpel wie eine Wiesenblume und ganz unangestrengt. Gerade deshalb so schön. Beim Lesen dachte ich "Oh, wie ein Traum!"

Und was kommt danach?

träumendes gesicht.


Mm... da gibt es, glaube ich noch andere Worte, die diese Stimmung, dieses Gesicht etwas einfallsreicher beschreiben. Ich halte mich mal zurück mit Vorschlägen.

quote]du sehnst die luft [/quote]

Hieße es nicht ER-sehnst? Was bedeutet "sehnst" in diesem Kontext? Falls es dasselbe wie "ERsehnst" bedeutet: Ich hätte es etwas einfacher, wiesenblumenartiger formuliert... "Du ziehst die Luft aus meinen Händen" -zum Beispiel-

....schaust mich an
als wären wir. mond und meer


Da gehen bei mir die Alarmlichter an :smile: ! Es begann so ungestellt und schön, aber dann kommen sie doch, die Feinde der innovativen Liebeslyrik:

"Mond und Meer" :smile: ... Da würde ich ganz, ganz schnell etwas anderes suchen. Ansonsten bleibt die Stelle für mich einfallslos und leicht hollywood-romantisch.

so lichtern
mach ich ebbe
mach ich flut


Das "so" braucht es nicht.

Die anderen zwei Zeilen gefallen mir sehr gut. Man denkt sofort an "Mach ich Liebe", aber durch diese Wortwahl wirkt es sehr subtil und wieder wiesenblumenglücklich :smile: ...

versinke
in den weißen nächten


"Weiße Nächte" habe ich schon oft gehört/gelesen. Die zwei Zeilen erscheinen mir auch nicht sonderlich notwendig. Dieses "Ebbe und Flut" machen hatte für mich schon sehr viel Versinkendes.

wenn sonnenaugen endlos fragen
hält dein herz die türen auf


Also "Sonnenaugen" mag ich ja ganz gerne... Aber das Herz, dass die Türen aufhält - Also ich meine: Stellt euch das doch mal vor! Ich sehe da ein ziemlich makaberes Comic-Bild vor mir. Ein "lustiges Herz", dass ´ne Tür aufreißt... Noch dazu gibt es ja wirklich die "Herzklappen" und wenn die nicht richtig schließen, bist du so gut wie tot...

Nee, ich verstehe im 21. Jahrhundert keine Herz-Metaphern mehr... Es sei denn sie sind wirklich sehr, sehr, sehr einfallsreich. Aber ein Herz, dass die Türen aufhält...ist für mich nicht einladend.

ABER JA, ich weiß, was du mir damit mitteilen willst :smile: ... Jedenfalls habe ich eine Ahnung. Das der andere seine Seele für die Deine öffnet, dass diese Offenheit Vertrauen und Liebe hereinlässt... All diese Gefühle, die man für mich aus unerfindlichen Gründen mit "Herz" meint... Für mich beginnt der verliebte Herzschlag immer noch im Kopf (...)

Die Türen in den Schlaf aufhalten mag ich wiederum schon etwas mehr. Aber es muss nicht unbedingt das Herz sein...
Siehe dazu:

"in den schlaf."


"du dunkelst mich
so warm"


Jemand "dunkeln" erinnert mich an Celan:

"(...)Wir wollten herüberdunkeln zu Dir,
aber es herrschte Lichtzwang"

Deshalb: Grandios, aber nicht neu. Leider. Trotzdem so schön, dass man es nachmachen "darf" :smile: .

"find ich heim
bleibe"

Kann man ebenfalls für meinen Geschmack streichen. Dieses "Heim gefunden"-Gefühl wird mir schon im Titel deutlich :smile: ...

Aber auch wenn ich hier manchmal wieder etwas zickig klang :smile: ... Mir gefällt dieses Gedicht sehr gut. Es besitzt eine Atmosphäre der Zufriedenheit, die mir sehr echt erscheint, sehr natürlich.

Ich weiß, dass dieses Glück dann unabsichtlich zum Kitsch-Vokabular verleitet (siehe auch meine Texte) -

Aber das kann man ja korrigieren.

Friedliche Grüße :smile:
l

Max

Beitragvon Max » 05.05.2008, 18:06

Liebe Smile,

ich muss zugeben, dass ich vielleicht einfach gerade in der falschen Stimmung bin, nicht in der, die ein solches Gedicht erfordert (Mathematik kann ja so nüchtern machen ...).

Ich gebe zu, dass der Text voller Wörter ist, die einen in die geeignete Stimmung bringen sollten, etwa


geborgenheit

träumendes gesicht

mond und meer

sonnenaugen


und viele mehr.

Meine Schwieirgkeit damit (neben der sehr feinsinnigen Bemerkung von Louisa, dass das direkte Benennen von Geborgenheit, diese nicht emotional erzeugt - hast Du das gesagt Lou ;-) ?) ist, dass mir diesem Hauchzarten, gewissermaßen Gehauchten wenig entgegensteht, was ich real und direkt lesen kann, mir fehlt eine Realität um daran festzumachen ...

Verzeih, wenn ich ungerecht sein sollte ... es liegt dann an der Mathematik.

Liebe Grüße
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.05.2008, 18:11

Ich fang mal von hinten an. :-)

Liebe Louisa,

Der Titel
Zitat:
meine hände riechen nach geborgenheit
hat mich sehr interessiert, weil mir das "meine hände riechen nach..." sehr gefallen hat. Als ich dann aber so ein Gefühlssubstantiv sah, dachte ich: Wieso? Wieso nicht nach Essig? Wieso nicht nach Limetten? Sonntag? Frühstück?

Wieso ausgerechnet "Geborgenheit" ? Das ist etwas soooo Schönes, aber es bleibt ein Gefühl... und in Gedichten ist für mich eine der tödlichsten Sachen "Ein Gefühl beim Namen nennen" - Denn das Gedicht versucht doch ein Gefühl bei mir zu erzeugen... Das ist wie wenn ein Mann zu mir sagt: "Ich will jetzt mit Dir ins Bett!" oder er sagt: "Wollen wir einen Kaffee trinken?"

= Beides läuft auf dassele hinaus, aber nur beim zweiten stimme ich zu ... (Ich hoffe Du verstehst)


Mir geht es so, dass ich das Wort „Geborgenheit“ einfach wunderbar klingend finde, es trifft in meiner Vorstellung genau das, was ich sagen wollte, es lässt Raum für individuelle Erinnerungen, Assoziationen, die jede konkrete Benennung für mich zerstören würde. Ich glaube nämlich, dass Geborgenheit für Jeden anders riecht, aber immer unmittelbar dieses sichere Wohlgefühl entsteht. Das hat vermutlich damit zu tun, dass man als Baby und Kind durch den Geruch der Mutter beruhigt wird, dieser Ursicherheit.
Ich finde es manchmal sehr erfrischend, wenn etwas beim Namen genannt wird, man muss nur den richtigen dafür finden. :-)
Zitat:
träumendes gesicht.


Mm... da gibt es, glaube ich noch andere Worte, die diese Stimmung, dieses Gesicht etwas einfallsreicher beschreiben. Ich halte mich mal zurück mit Vorschlägen.


Mir war so, als sei das genau richtig. :-) Ich glaube das Träumen trifft es hier, weil es sowohl im Schlaf, als auch im Wachen, sowohl bewusst, als auch unbewusst möglich ist und man träumend ehrlich ist, ungeschminkt, maskenlos.

du sehnst die luft


Hieße es nicht ER-sehnst? Was bedeutet "sehnst" in diesem Kontext? Falls es dasselbe wie "ERsehnst" bedeutet: Ich hätte es etwas einfacher, wiesenblumenartiger formuliert... "Du ziehst die Luft aus meinen Händen" -zum Beispiel-

Ich hatte es so gedacht: Du sehnst dich nach der Luft. (Vielleicht wäre auch möglich, dass LDu ev. die Luft in den Händen mit einer Sehnsucht füllt?) Die Luft herausziehen trifft es nicht, da sonst für mich ein leerer Raum entstünde, das Du dem Ich etwas wegnähme.
"Mond und Meer" ... Da würde ich ganz, ganz schnell etwas anderes suchen. Ansonsten bleibt die Stelle für mich einfallslos und leicht hollywood-romantisch.

Ich habe mir bei Mond und Meer schon etwas mehr gedacht, als Happy-Blümchen. Gerade auch im Kontext mit Ebbe und Flut und dem Versinken hatte ich etwas anderes im Sinn, als du gelesen hast. Es geht für mich um Annäherung, Loslassen, Anziehungskräfte, Illusionen, Bewegung, wechselseitiges, Vorstellungen, Irrtümer... Vielleicht funktioniert das so nicht, aber mit dem romantischen Wiesenblumenglücklich gefällt es mir auch. :-)

"Weiße Nächte" habe ich schon oft gehört/gelesen. Die zwei Zeilen erscheinen mir auch nicht sonderlich notwendig. Dieses "Ebbe und Flut" machen hatte für mich schon sehr viel Versinkendes.
Zitat:
wenn sonnenaugen endlos fragen
hält dein herz die türen auf


Also "Sonnenaugen" mag ich ja ganz gerne... Aber das Herz, dass die Türen aufhält

das Versinken gehört zum Ebbe und Flut-Gedanken
Wiki:
Weiße Nächte sind Nächte, in denen die Sonne nur für kurze Zeit untergeht, sodass es auch nachts hell ist.
Ursprünglich sprach man von „passare le notti in bianco“ (die Nächte im Weißen verbringen), um auszudrücken, dass eine Person die ganze Nacht wach verbrachte.
Deshalb gehören da die Sonnenaugen dazu. :-)

Das Herz, ja, wie soll ich das jetzt verteidigen. Ich brauche es hier. ;-)Und es hat ja für dich, wenn auch widerstrebend doch einen Sinn ergeben. Das ist vielleicht der Vorteil von gebräuchlichen Metaphern.

Dein Celan-Zitat finde ich klasse, das kannte ich nicht.

"find ich heim
bleibe"

Kann man ebenfalls für meinen Geschmack streichen. Dieses "Heim gefunden"-Gefühl wird mir schon im Titel deutlich ...


Ich glaube das ist unverzichtbar. Weil zwischen Titel und der vorletzten Zeile eine Umkehr stattfindet. (Ähnlich wie bei „und das gedicht wurde welt“) Im Titel ist die Geborgenheit beim LIch zu finden, am Ende findet es selbst Heim.
Das natürliche, das du beim lesen empfindest, finde ich sehr schön. Danke für deinen Komm., hat Spaß gemacht darüber nachzudenken.

liebe Grüße smile


Liebe Leonie,

dank auch dir für deinen Komm.
Weshalb findest du denn das Wort Geborgenheit umständlich? Das finde ich interessant, für mich ist es ein sehr rundes Wort. Ein bisschen was habe ich Louisa schon dazu geschrieben.
Wenn ich schreiben würde:
Meine Hände riechen geborgen
Würde das für mich die Aussage umkehren.
Nicht die Hände sind geborgen sondern ihr Duft steht für das, was LDu beim LIch finden kann (könnte).

Die „mach ich“ möchte ich nicht streichen. Ich glaube es geht mir hier nicht um ein geschehenlassen, sondern um das Bild, das LDu von der Beziehung hat.

„du dunkelst mich“ hatte ich synchron zu „du sehnst die luft“ gesetzt
Weshalb würde es dem Leser mehr Spielraum lassen das umzukehren?

liebe Grüße smile


Liebe Elsa, lieber moshe und bilbo

freut mich, dass es euch gefällt. :-)

liebe Grüße smile
Zuletzt geändert von Ylvi am 05.05.2008, 20:37, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Ylvi » 05.05.2008, 18:24

Hallo Max,

entschuldige, das hat sich überschnitten. Vielleicht ist das Gedicht gar nicht so unwissenschaftlich. ;-) Zumindest was Mond und Meer anbelangt.
Und den Geruch (da gibt es bestimmt Forschungsergebnisse dazu :-)) und die weißen Nächte...
(Es steht auch gar nicht unter Liebeslyrik .-) )

liebe Grüße smile
Zuletzt geändert von Ylvi am 05.05.2008, 20:17, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 05.05.2008, 20:04

Nur dies:

Max, es liegt garantiert nicht an Mathe :smile: !

Max

Beitragvon Max » 05.05.2008, 20:12

Liebe Lou,

wenn du wüsstest, was alles an Mathe liegt *zuckt vor sich hin*

Liebe Grüße
Max

DonKju

Beitragvon DonKju » 07.05.2008, 20:34

Hallo smile,

es ist zwar irgendwie eine Wiederholung, aber ich find's immer noch schön, genau so wie's ist - Manchmal wirkt ein Text einfach in seiner Gesamtheit, da scheint's mir wenig Sinn zu machen, an dem einen oder anderen Wort rumfeilen zu wollen.

Lieben Gruß von Bilbo

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Beitragvon Ylvi » 07.05.2008, 21:51

Hallo Bilbo,
das finde ich wirklich schön, dass du dich nochmal dazu gemeldet hast. Danke :blumen:

liebe Grüße smile

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.05.2008, 19:19

Hallo Smile!

Ich bin auch froh, daß sich nichts verändert hat.

MlG

Moshe


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