Wenn der Wind...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.05.2008, 20:32

Wenn der Wind...

Wenn der Wind schlecht weht
vom nahem Feld

Nächste treiben
Narben reißen

Sagt einer:

Es ist ihre Kausalität

Und du fällst in seine Arme
atmend tief.


------------------------------------------
1. Version:

Wenn der Wind...

Wenn der Wind schlecht weht
vom nahem Feld

Nächste dich nur treiben
Narben bluten

Sagt einer:

Es ist ihre Kausalität

Und du fällst in seine Arme
atmend tief.
Zuletzt geändert von moshe.c am 04.05.2008, 18:45, insgesamt 1-mal geändert.

DonKju

Beitragvon DonKju » 01.05.2008, 21:24

Hallo Moshe,

auch wenn ich mit Deinem Text nach ein bis dreimal Lesen immer noch nicht ganz fertig bin, so habe ich mit einer Sache wohl auch nach dem x-ten Durchlauf noch Schwierigkeiten :

Wie weht Wind schlecht ? Ich meine, er kann sanft, lau, heftig, stürmisch oder so wehen, er kann vielleicht ein guter oder schlechter sein ...

Na ja, es ist ein erster, frischer, ungeschminkter Eindruck

mit lieben Grüßen von Bilbo

ecb

Beitragvon ecb » 02.05.2008, 15:24

ich denke, "wenn der Wind schlecht weht" ist eine aussage von der art subjektivität, wie sie ein gedicht braucht.

dagegen empfinde ich die zeilen 3 und 4 als zu pathetisch, sie sollten vielleicht sinnlich und athmosphärisch in eine beziehung zum wind gesetzt werden, möchte ich mir gern vorstellen?

die erleichterung, die durch die restlichen vier zeilen geht, ist sehr deutlich spürbar.

wenn also das pathos gemildert werden könnte zugunsten eines mehr lakonischen tones in zeile 3 und 4 - der auf mich paradoxerweise eine stärkere wirkung hätte - fände ich dieses gedicht wirklich gut.

ich seh grad noch einen tipser, moshe: "vom nahen feld"

lg eva
Zuletzt geändert von ecb am 02.05.2008, 18:32, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.05.2008, 17:10

Hallo Moshe,

bin mal mit Anregungen im Text:

Wenn der Wind schlecht weht --> mir gefällt diese Wortwahl für: wenn dir eiskalt ins Gesicht geblasen wird"
vom nahem Feld

Nächste dich nur treiben --> "Nächste" und "nahem" von der Vorzeile. Eines ersetzen oder "nahem" streichen. Das "nur" würde ich streichen.
Narben bluten --> vielleicht: Narben aufreißen?

Sagt einer: --> Du hast mit "Wenn" begonnen. Deshalb würde ich konsequenterweise hier schreiben: und einer sagt:

Es ist ihre Kausalität --> klasse!

Und du fällst in seine Arme --> hier würde ich wieder umdrehen, wegen des "Wenn", also: fällst du in seine Arme
atmend tief. --> tief atmend

Also insgesamt wäre meine Idee dann folgende:

Wenn der Wind...

Wenn der Wind schlecht weht
vom umliegenden Feld

Nächste dich treiben
Narben aufreißen

und einer sagt:

Es ist ihre Kausalität

fällst du in seine Arme
tief atmend


Was meinst du?
Saludos
Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 03.05.2008, 21:15

Also, vielen Dank für eure Kommentare.

Bilbo, kannst du jetzt mehr verstehen?

Die ersten beiden Zeilen und die letzten vier sehe ich als nichtverhandelbar. :smile:

Ich sehe da keinen Grund etwas zu ändern. (Es sind zwei Strophen.)

Aber der Reihe nach:

Die Zeilen drei und vier könnten besser sein, ohne Frage.

Vielleicht:

Nächste treiben
Narben wehen

Also:

Wenn der Wind...

Wenn der Wind schlecht weht
vom nahem Feld

Nächste treiben
Narben wehen

Sagt einer:

Es ist ihre Kausalität

Und du fällst in seine Arme
atmend tief.

Gerade die letzten beiden Zeilen möchte ich auch garnicht verändern, weil sie im Gesatz zum Vorherigen eine Tiefe bringen, die Eva sehr treffend als Erleichterung beschreibt, eine Erleichterung in Richtung Selbstfindung und Bestätigung.

MlG

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.05.2008, 22:28

Hallo Moshe,

diese Version finde ich besser, ja. Nur: "Narben wehen"? Wie soll man sich wehende Narben vorstellen? Da würde ich dann "bluten" stehen lassen. Auch wegen dem dann sonst doppelten "weht" und "wehen".
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 04.05.2008, 10:39

Lieber Moshe,

ich möchte unumwunden zugeben: Mit der ersten Hälfte des Gedichts bis einschließlich

"Narben bluten"

bzw.

"Narben wehen"

kann ich etwas anfangen (einschließlich des "schlecht wehenden Windes", der mir erklärlich ist, wenn auch vielleicht nicht gerade ein vollkommenes Bild), also mit dem Temporalsatz, der lustiger Weise inhaltlich wie ein Kausalsatz daherkommt. Danach verstehe ich nichts mehr.

Wieso sagt einer

Es ist ihre Kausalität


und wessen Kausalität ... grammatisch wäre es die der Narben, aber haben Narben eine Kausalität, hat überhaupt irgendetwas eine Kausalität und anderes nicht, oder gibt es diese vielleicht nur - oder eben auch nicht.

Und was machst das lyr. Ich in den Armen des anderen, warum will es da sein?

Fragen über Fragen.

Liebe Grüße
Max

DonKju

Beitragvon DonKju » 04.05.2008, 13:46

Hallo Moshe,

gut, das mit dem "schlechten" Wind kann ich jetzt besser einordnen & akzeptieren, vielleicht habe ich mich da zu sehr auf das einzelne Wort beschränkt und zu wenig nach dem dahinter gedachten Sinn gesucht ...

Allerdings bin ich bei der 2. Version mit Mucki einer Meinung, daß das "Narben wehen" a) eine Wiederholung ist und b) irgendwie nicht passt; Da ja, wenn ich richtig gezählt habe, diese Zeile zu den "verhandelbaren" zählt, ist vielleicht Muckis Vorschlag mit dem "aufreißen" noch mal zu überdenken, es paßt immerhin gut zu Wind - wehen - treiben, was meinst Du ?

Mit Sonntagsgrüßen von Bilbo

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.05.2008, 14:25

Hallo Max,

die Kausalität beziehe ich hier auf die Nächsten, die das LI treiben, verwunden.
Und als LI das begreift, fällt es aufatmend in die Arme desjenigen, der es sagt, LI also frei von Schuld spricht.
Kausalität ist m.E. so gemeint, dass die Ursache des Handels der anderen (das Treiben/Verletzen) aus dem eigenen Erleben der anderen entstammt und nichts mit dem LI zu tun hat.
Saludos
Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.05.2008, 18:42

Liebe Mucki!

Sehr richtig!

Sehr richtig ist ebenso, daß 'Narben wehen' wirklich nicht gut ist.

Ich denke, daß ich diese Zeile in 'Narben reißen' umschreibe.
'Aufreißen' passt mir nicht vom Rhytmus und 'reißen' allein bringt mir auch den gewollten Sinn.
Also ich ändere das dann mal oben, bin aber für weitere Kritik offen.

Was meinst du, Bilbo?

Lieber Max!

Kannst du es jetzt verstehen? Ich wäre erleichtert!

MlG

Moshe

P.S.: Ich versuche hier einen kurzen Text aus dem Talmud zu interpretieren, der mich persönlich auch im beruflichen Bereich tangiert:

-------------------------------------------------------------

Ablehnung einer kausalen Ableitung

Wenn Züchtigungen über einen kommen, wenn Krankheiten über einen kommen oder einer seine Söhne begräbt, soll man zu ihm nicht dergleichen sagen, wie zu Hiob seine Gefährten sagten: Ist deine Ehrfurcht nicht deine Zuversicht und deine Hoffnung die Rechtschaffenheit deiner Wege? Bedenke doch: Wer ist schuldlos verdorben?

Bawa mezia 58 b

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.05.2008, 18:50

Fein, Moshe!

so ist es für mich jetzt sehr stimmig und ich würde auch nichts mehr ändern. :daumen:
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 04.05.2008, 19:27

Lieber Moshe,

ich kämpfe noch immer mit

Es ist ihre Kausalität


Zum einen, weiß ich noch immer, auf was sich das "ihre" bezieht und zum anderen wird, wenn ich die Talmudstelle richtig verstehe, dort ja nicht die Kausalität an sich abgelehnt, das wäre eher Hume, der sie hinterfragt als der Talmud ;-), sondern viel mehr, dass man den Grund für eigenes Leid nicht in kausalem Zusammenhang zu eigenem Handeln und Glauben setzen soll, oder?

Liebe grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.05.2008, 20:06

Lieber Max!

Mucki hatte doch nun für mein Verständnis sehr gut erklärt, worauf sich die Kausalität hier bezieht.
Um es zu versuchen mal einfach auszudrücken: Wenn ein Kind von seinen Eltern misshandelt wird, ist der Grund nicht im Kind zu suchen. (Das ist EIN Beispiel)

Natürlich wird die Kausalität hier nicht generell abgelehnt, sondern nur in diesen und ähnlichen Fällen.

Es kommt auf den Kontext an, den ich hier versuchte zu zeigen. Wenn du so willst, habe ich den Versuch unternommen diese Aussage im Talmud zu präzisieren.

Der Text aus dem Talmud steht auch im Kontext 'Der Nächste'. Es mag jetzt mein Fehler sein, nicht darauf hingewiesen zu haben. Insofern bitte ich um Endschuldigung.

MlG

Moshe

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.05.2008, 20:25

Lieber Max!

Ich überlege noch, wie ich es dir sagen kann.

Es geht darum, nicht alles auf sich zurückzuführen, also nicht überall eine Kausalität zu sehen, die auf sich selbst zurückgeht.
Natürlich wird dadurch nicht die Verantwortung für sein eigenes Handeln und dessen Folgen in Frage gestellt.

MlG

Moshe


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