Ich versuche

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 19.04.2008, 22:08

Ich versuche.
Ich versuche mich.

Ich versuche nicht nachzusprechen:

DU SOLLST NICHT MORDEN

von einem Berg,
sondern unten
ein fröhliches Gesicht
zu machen.

jondoy
Beiträge: 1662
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 01.05.2008, 01:23

Lieber Moshe,

mein Dank geht an Dich, an deine offenen Worte.

Deine Worte machen mich nachdenklich.

An deinem Text hab ich mich mehrfach versucht, hab mit ihm ein paar Mal gerungen, nur komm ich an ihm im Moment einfach nicht weiter.
Bisher hast du dich zu meiner Textinterpretation nicht geäußert. Ist sie denn immer noch Lichtjahre weit vom Ursprungssinn entfernt?

Zu deinem bildhaften Eindruck, den du mir da schilderst, wie ich unwillkürlich auf dich wirke, vermag ich im Moment nicht allzuviel zu sagen,
er hat seltsamerweise (nach meinem Empfinden) einen biblischen Klang, er hört sich in meinen Ohren wie ein Gleichnis an, dass auch in der Bibel stehen könnte:
„Dieser Mann verhält sich wie ein Hausbesitzer, der vergessen hat, dass sein Haus auf Grundmauern steht“.
So ähnlich könnte es dort heißen.
Es kommt im Moment kein Impuls aus mir heraus, diesen Eindruck zu dementieren. Heisst jetzt aber nicht, dass ich ihn als zutreffend empfinde.
Ich müsste eben genauer wissen, was du damit und wie du es meinst.

Ich will versuchen, auf deine Ausführungen näher eingehen.

Es kann sein, dass die Bibel das meistgedruckte Buch überhaupt ist, aber dies beweist in meinen Augen noch nicht, dass (vom ganzen Buch will ich ja gar nicht reden, beschränken wir uns mal auf...) ...wenigstens zehn (...soll jetzt eine spielerische Anspielung auf Abrahams Handel mit Ihm sein) größere Passagen dieses Buches von den Menschen, die ein solches Exemplar besitzen, auch gelesen werden.
In meinem Echtzeit-Mikrokosmos (der realen Alltagswelt, in der ich lebe), sind (nach meinen Erfahrungen) Bibelkenntnisse nur noch diasporid (...hab ich eben als eigene Wortschöpfung von dem wort diaspora abgeleitet) anzutreffen.

Zur Evolution, ich persönlich vermag keine "grundlegende" Evolution im Wesen des Menschen zu erkennen, ich seh eher um ihn herum eine grundlegende Evolution (u.a.eine gen-) technische „Evolution“, eine körperliche Evolution (die Menschen werden größer und allergiöser), darüberhinaus eine in meinen Augen sehr seltsame Kombination von „Freiheits- und Sicherheits-Evolution“, vielleicht auch, wie du sagst, eine geschichtliche Evolution (die Prunkbauten in aller Welt werden wieder größer, aufgrund dieser und weiterer Indikatoren neige ich eher zur Annahme, dass es, geschichtlich gesehen, wieder „rückwärts“ geht), aber das Wesen des Menschen selbst hat sich in meinen Augen im Laufe der Evolution nicht grundlegend evolutioniert, sein archaischer Kern kommt gerade im Kleinen tagtäglich zum Vorschein, find ich. Der Mensch ist eben so, er bleibt Mensch, beim Sex sieht man es ja sehr deutlich, wenn man sich da gehen lässt, ist das schon sehr berauschend.

Seit Wochen liegt bei mir unter dem Bildschirm so ein Zettel (hintendrauf steht ein Rezept für Waffeln mit Zimtsahne und frischen Heidelbeeren) rum, auf dem ich einen Gedanken notiert hab, der mir nach einer Fernsehreportage in den Sinn gekommen ist:
„So wie die Zerstörung der Bhuddahs von Barmiyan durch die Taliban betreiben heute westliche Talibans die Zerstörung ihrer eigenen abendländischen Kultur. Sie gehen dabei genauso verblendet von ihren Ansichten zu Werke, wie ihre afghanischen Vettern, sie betreiben Bildersturz, wo es geht, und sind gegen alle Bilder oder zumindest gegen alle Bilder der anderen“
Ich denke in verschiedene Richtungen, will ich damit ausdrücken.

Nein Moshe, ich wiegele nicht die Bedeutung des Textes und seinen Hintergrund ab, ich spreche davon, dass viele nicht mehr davon wissen.

Aus Becks BGB-Einleitung hab ich in Erinnerung, dass seine ursprüngliche Form auf dem früheren französischen Code Zivile gründet, und dass geht vielleicht auf römisches Recht zurück und dieses greift vermutlich wiederum ältere Rechtsvorstellungen auf.
Ob letztendlich das gesamte Werte- und Rechtssystem „meiner“ Gesellschaft (gefühlsmäßig wohne ich doch oft auf dem Mars und denk mir verwundert, was tun die Menschen da um mich herum) auf alte jüdische Texte oder gar im speziellen auf Moses zehn Gebote zurückgeht, wie du überzeugt zu sein scheinst, das glaub ich nicht, das find ich jetzt doch sehr weit hergeholt. Alle alten Stammesgesellschaften hatten in irgendeiner Form ein Rechts- und Wertesystem, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass alle aus derselben „Rechtsquelle“ ihr “Rechtssystem“ schöpfen.

Ich hab mal gelesen, bei uns im frühen Mittelalter wurde Mord nicht mit Tod oder „lebenslänglich“ bestraft, der Täter musste eine Sühnezeit ableisten und zuletzt ein Sühneopfer bringen, beispielsweise ein Steinkreuz (Sühnekreuz) am Ort des Geschehens aufstellen.

In einem hast du recht, die Ethikdebatte, welche die deutsche Ge und die internationale Ge seit Jahrzehnten beschäftigt, interessiert mich wenig, ich möchte gar nicht wissen, was so manche hochbezahlte Wissenschaftler in ihren hermetisch abgeriegelten Kämmerchen so treiben, ich glaube, im Inneren merkt jeder erwachsene Mensch sehr genau, was „gut“ und was „schlecht“ ist, dass kann mir keiner erzählen, nur im Verdrängen und Beiseiteschieben ist er„Weltmeister“.

Dass ein Unterschied zwischen Töten und Morden besteht, ist selbst mir selbstredend klar.
Mir ist nicht klar (um das nochmals herauszustellen), wie sich der Unterschied zwischen den Begriffen „.....TÖTEN“ und„.....MORDEN“ hier speziell auf die Aussage deines Textes niederschlägt.

Selbst wenn ich deinem Beispiel folge, und das Wort „Abtreibung“ mir beim Lesen des Textes versuchsweise an die
„vor meinem geistigen Auge-Pinnwand“ hänge, erschließt sich der Text für mich nicht wirklich. Wenn er tatsächlich die Aussageintension - „für“ oder „gegen“ Abtreibung - in sich tragen sollte, was ich mir nicht so recht vorstellen kann, wäre es als Ergebnis für mich enttäuschend. Vielleicht ist es einfach kein Text für mich.

Viele Grüße,
Stefan


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