aber gestern

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Niko

Beitragvon Niko » 22.04.2008, 16:41

vom Autor gelöscht
Zuletzt geändert von Niko am 07.06.2009, 16:39, insgesamt 2-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 22.04.2008, 19:28

Lieber Niko,

obwohl dein Gedicht einige wunderbare Bilder enthält - so z. B. in der Eingangsstrophe bis zum Semikolon, ferner die tauben,die zu schwertern werden und "am aufstieg unbegangener berge" - finde ich keinen richtigen Zusammenhalt zwischen den Zeilen, so dass mir letztendlich die "Gesamtaussage" etwas unklar bleibt.

Gegen das Zerbrechliche ist kein Kraut gewachsen aber - so heißt es - "die Freude an leicht zerstörbarem". Das erscheint mir ein Widersinn zu sein. Ich würde das deshalb weglassen, die pusteblumen, seifenblasen, die gefühle drücken das ja indirekt aus, zudem den Sinn des "Vergänglichen".

Dann die "ehrwürdigen eichen" - müssen die ehrwürdig sein?

Und schließlich die gepresste rose - aus tagen toter leidenschaft - also, ich hätte ja gedacht, dass die Rose gerade aus Tagen stammt, in denen die Leidenschaft nicht tot war ...????

Die "klarheit", gegen die die Rose gehalten wird, bleibt mir irgendwie etwas verborgen ... aber vielleicht hab ja nur ich Tomaten auf den Augen, who knows? :pfeifen:

NIx für ungut und liebe Grüße,
scarlett

Niko

Beitragvon Niko » 22.04.2008, 20:10

liebe monika!

alles ist eine sichtweise. dein eindruck zum gedicht insgesamt, so auch die betrachtung einzelner bilder aus selbigem...

wenn gegen etwas kein kraut gewachsen ist, so bedeutet dies ja nicht, dass man nicht freude an "leicht zerstörbarem" (immer noch eine nuance anders als zerbrechliches!) haben kann.

die eichen müssen unbedingt ehrwürdig sein. sich unter jungen eichen küssen ist ja was völlig anderes, als unter einem baum, der 100 jahre vor mir da stand und 100 jahre nach mir wahrscheinlich auch noch....

die toten leidenschaften......da hast du schon recht. habe es auch im original schon längst geändert, weil es mir auch aufstieß. hier hab ich es noch überlesen. werde es gleich in "vergessene leidenschaften" umwandeln!

wieso schafft "klarheit" bei dir keine klarheit???

dank dir für deinen komm!!!

lieben gruß: Niko

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annette
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Beitragvon annette » 22.04.2008, 22:42

Lieber Niko,

die ersten beiden Zeilen finde ich ganz toll, ein wunderbarer Einstieg!

Was Du über zerbrechliche und leicht zerstörbare Dinge schreibst, ist für mich etwas doppeldeutig, missverständlich - vielleicht ja beabsichtigter Weise:

Bei
gegen das zerbrechliche
ist kein kraut
gewachsen


frage ich mich, ob die Aussage ist, dass kein Kraut gewachsen ist gegen die zerbrechlichen Dinge oder gegen ihre Zerbrechlichkeit. Entweder bedauert das Ich also die Zerbrechlichkeit der Dinge oder es betont die Kraft, die von diesen Dingen ausgeht, die sie auf uns ausüben.

die freude an leicht
zerstörbarem


kann sowohl die Freude an den Dingen sein, die leicht zerstörbar sind, als auch daran, dass sie es sind.
Ein bisschen klingt das für mich sogar so, als ob das Ich Freude daran hätte, die Dinge zu zerstören. Da ich nicht annehme, dass das so gemeint ist, würde ich das anders formulieren - oder wie Scarlett vorschlägt, weglassen:

die freude an
pusteblumen seifenblasen
und dem gefühl von nähe


Andererseits sagst Du selbst, dass Dir der Unterschied wichtig ist zwischen "zerbrechlich" und "zerstörbar", also vermutlich die Willkür, die in "zerstörbar" steckt. Ich bin etwas ratlos mit dieser Stelle.

"ehrwürdig" gefällt mir auch nicht. Natürlich ist es wichtig, dass die Eichen alt sind, aber kannst Du das nicht anders ausdrücken? Wie wäre "erhaben"?

"superlative" passt für mich sprachlich nicht gut.
In den letzten beiden Strophen ist mir die Bildlichkeit etwas zu traditionell, zu herkömmlich: Tauben, Schwerter, Herz, Rose.

Die letzten vier Zeilen sind dann wieder ganz mein Geschmack, ein tolles Bild, die gepresste Blume gegen die Klarheit zu halten. Ich stelle mir vor, wie man dieses zarte durchscheinende Häutchen ins Licht hält, fast transparent. Ebenso gefällt mir der aufstieg unbegangener berge.

Gruß - annette

aram
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Beitragvon aram » 23.04.2008, 03:30

lieber niko,

der ausdruck dieses textes und sein feiner duktus sprechen mich sehr an.

in s1, s3 und bis zur letzten zeile von s4 würde ich kein wort ändern. "die freude an leicht / zerstörbarem" finde ich anders als annette gerade in ihrem mehr-sinn treffend. s2 empfinde ich als abschweifend und 'erklärend', sie nähme ich ganz raus. (verzeihung wegen dieses radikalen ansinnens. den direkten übergang von s1 zu s3 fände ich sehr schön.)

der klare, illusionslose, aber nicht harte blick von s4 bildet einen ruhigen hochpunkt. er ist es, der nach meinem gefühl ermöglicht, begriffe wie herz, rose, leidenschaft, zerbrechlich etc. zu verwenden, ohne damit ungewollte abziehbilder zu produzieren - was ich an sich schon bemerkenswert finde. ('küsse unter ehrwürdigen eichen' sind mir dann allerdings ein 'zu viel', bzw. hier geht der text nach meinem gefühl auch ins komische)

"am aufstieg unbegangener berge" finde ich noch etwas unglücklich formuliert - berge haben keinen 'aufstieg', und es ist ja nicht gemeint, dass die berge aufsteigen.
das bild dahinter, wie ich es verstehe, gefällt mir sehr - "am einstieg zu unbegangenen aufstiegsrouten", so lese ich es.
die doppelte beziehbarkeit finde ich dabei wunderbar.

einer der texte, die nachschwingen und in ihrer aussage bei mir bleiben.

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annette
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Beitragvon annette » 23.04.2008, 08:35

Hallo aram und Niko,

aram hat geschrieben:in s1, s3 und bis zur letzten zeile von s4 würde ich kein wort ändern. "die freude an leicht / zerstörbarem" finde ich anders als annette gerade in ihrem mehr-sinn treffend.


ja, wenn tatsächlich die Freunde daran mit gemeint ist, etwas zerstören zu können, bzw. es in der Hand zu haben, diese fragilen Dinge zu zerbrechen - dann muss diese Stelle so bleiben.

Gruß - annette

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.04.2008, 08:57

annette hat geschrieben:
ja, wenn tatsächlich die Freunde daran mit gemeint ist, etwas zerstören zu können, bzw. es in der Hand zu haben, diese fragilen Dinge zu zerbrechen - dann muss diese Stelle so bleiben.


Gerade das ist es ja, was auch ich mit Widersinn meinte - aber wenn der gewollt ist, OK.
Mir schien es aber gerade darum eigentlich nicht zu gehen.

Gruß,
scarlett

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Beitragvon aram » 24.04.2008, 01:09

liebe annette, liebe scarlett,

vielleicht stimmen wir überein, vielleicht sehe/beurteile ich die situation etwas anders als ihr -

annette hat geschrieben:ja, wenn tatsächlich die Freunde daran mit gemeint ist, etwas zerstören zu können, bzw. es in der Hand zu haben, diese fragilen Dinge zu zerbrechen

die frage ist, was bedeutet "gemeint" - der text 'propagiert' keine 'freude am zerstören' - es schwingt bloß mit; der leser muss das 'verkraften', beobachten, was es mit ihm macht - wie dieses mitschwingen das fragile des beschriebenen unterstreicht.
in einem von leonies texten ging es kürzlich auch um das mitschwingen von etwas, das da nicht 'stand' - brachte man es mit dem, was da stand in verbindung, zog es dieses ins komische/verballhornte. hier ist das anders, das assozierte verleiht dem beschriebenen präkarität - also ist es m.e. keine 'unerwünschte nebenwirkung'. trotzdem kommt nicht alles 'in einen topf', der leser bleibt gefordert zu unterscheiden, was er assoziert, und was er liest.

Catrin

Beitragvon Catrin » 25.04.2008, 08:43

Hallo Niko,

ich habe dein Gedicht spontan so verstanden. dass gegen die Zerbrechlichkeit des Schönen und Geliebten kein Kraut gewachsen ist (obwohl der Satz strengenommen das Gegenteil sagt: das Zerbrechliche setzt sich durch wie eine Krankheit, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Anmerkung von der (Zahn-) Artzhelferin ;-)).
Auch die irritierende "freude am leicht zerstörbaren" wird durch die nächsten Zeilen für mich richtiggestellt.
"pusteblumen seifenblasen" erzeugen für mich eine sehr kindliche Freude, die stark mit dem "gefühl von nähe" in Spannung gerät, weil sie es vergänglich (Pusteblume) und illosorisch (Seifenblase) macht.
Die Worte des Lyr-Ichs sind auch kein Schlüssel zu einem Paradies der Unvergänglichkeit (Himmelsschlüsselchen).

In der 2. Strophe erzeugt die "Ehrwürdigkeit" der Eiche eben genau den Konflikt, den die Superlatvie auslösen, "wenn man nicht liebt"!
Weil diese Zeile zur vorigen wie zur folgenden gezogen werden kann, interpretiert sie den törichten Kuss und die Superlative (und die Ehrwürdigkeit) vom Standpunkt der Nüchternen aus, die nie "vom Tisch der Sehnsucht" gekostet haben.
Ebenso der Flügelschlag: er weckt auf und wird zugleich zu Schwertern, weil er etwas Schönes wachruft, das inzwischen tot ist, also den Schmerz.

"ich hielt die gepresste rose
aus tagen (nun) toter
leidenschaften gegen
die klarheit
und begrub sie
am einstieg unbegangener berge"


Die Kleine Veränderung kürzt m.E. nur ein überflüssiges nehmen bzw. halten.
Aber das "nun" kann auch fehlen, weil es unbewusst ergänzt wird.
"Tot" ist jedenfalls mehr als "vergessen" (siehe vorige Strophe).
Du könntest den Genetiv vermeiden: Einstieg zu ...
Ich kann an dieser Stelle Annette, Scarlett und Aram nicht ganz folgen: der Sinn erschließt sich auch gegen scheinbar widersprüchliche oder "unsachliche" Formulierungen.
Und das gilt besonders für die letzten Zeilen!
Toll!

Liebe Grüße von deiner Zahnfee

Niko

Beitragvon Niko » 25.04.2008, 14:34

huiiiiiiiii....ich hab jetzt ne ganz persönliche zahnfee!!!!!!!!!!!!!!! :bumper:

danke catrin! ich sag ja immer: ich schreibe lyrik, weil ich nicht(s) erklären kann. du hast das so hervorragend erklärt, das mir hier wirklich die spucke weg bleibt (kannst also dieses saugdingen wieder in die halterung stecken, liebe stuhlassistentin *g)

mit dem beantworten der komms hab ich nicht geschlunzt, sondern hab etwas "auf zeit gespielt", weil ich jetzt nach aachen fahren werde. aber catrins kommentar lies mir keine wahl. ich MUSSTE antworten. schon alleine wegen der zahnfee ;-)

ich verspreche, nach dem wochenende gleich und etwas differenzierter zu antworten....

lieben gruß: Niko


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