Der Friseur-wieder eingestellt (Alles Banausen v. Openmike!)

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Louisa

Beitragvon Louisa » 17.04.2008, 23:14

Meine Haare waren zu lang gewachsen. Die splissigen Spitzen drifteten auseinander in Angelhakenform. Ich musste einen Friseur aufsuchen, hatte aber nur zwanzig Euro und in Monaco sind zwanzig Euro einen Scherenschnitt wert.

Ich nahm also den Bus nach Nizza. Er las die Fahrgäste am Hafen auf. Ich wartete, bis die Damen eingestiegen waren. Sie sahen von hinten jung und von vorne alt aus. Sie hatten sich wie immer überschminkt und schienen im ständigen Streitgespräch mit der Zeit.
Der Bus raste an der Cote d´Azur entlang. Mir gegenüber befand sich eine der Damen. Sie war mager, ihr Haar so weiß und fein wie Spinnenfäden. Ihre Lippen rosa und auf ihrem Oberteil glitzerte ein silberner Playboy-Hase. Der Bus bremste rabiat an einer Kreuzung und die Dame taumelte mir an die Brust. Ich war benebelt von einer Wolke aus Puder und Parfum und half ihr erschrocken auf ihren Sitz zurück. Sie entschuldigte sich und hob ihr Handy vom Boden auf. Beschämt sah sie zu den anderen Damen herüber.
"Sind sie nicht gestürzt?"
"Nein, aber wenn, hätte das nichts ausgemacht. Ich bin schon behindert."

Die Damen kicherten und sahen wieder stumm aus dem Fenster. Ich spielte mit meinen kaputten Spitzen.
In Nizza angekommen schlenderte ich durch die Straßen. In einer engen belebten Gasse saßen drei Mädchen in einem Café. Der Ober stellte drei Sandwiches auf den Tisch. Die Mädchen unterhielten sich. Ein Penner kam zu ihnen, begrüßte sie höflich, nahm die Sandwiches und rannte davon. Ich freute mich. Das war ein schöner Tag. Ich hatte das Gefühl heute könnte ich mich allmählich wieder mit dem Leben vertragen, denn wir hatten uns gestritten. Manchmal ist es ziemlich unfreundlich zu mir. Wir wissen beide, dass es keinen Gott gibt und kein Schicksal, sondern nur uns beide. So eine lange Partnerschaft (mittlerweile sind wir schon zwanzig Jahre zusammen) birgt auch immer Konflikte in sich. Das ist natürlich. Jeder, der genauso lebt wie ich, kennt diese Probleme.

Aber heute, wie erwähnt, verstanden wir uns wieder besser. Ich fragte die Mädchen nach einem preiswerten Friseur.
"Immer geradeaus!" Ich steckte mir eine Zigarette an und befolgte den Ratschlag.
Die Friseursalons, bei denen ich ankam, hatten keine freien Termine mehr. Ich lief ziellos die blinkende, hupende und enge Gasse entlang und suchte nach weiteren Schildern mit der Aufschrift "Coiffeur".

Ein Mann in schwarzem Mantel kam mir entgegen. Seine Haut war zimtfarben und sein Haar kaffeeschwarz. Er lief so elegant über die Straße wie ein Modedesigner und rief mir zu: "Du hast Beine wie ein Star!" Ich bedankte mich geschmeichelt und sah an meinen Starbeinen herunter. Seine schwarzen Augen funkelten erfreut zurück.
"Danke, wissen sie wo hier ein Friseur ist? Nicht zu teuer."
Er breitete die Arme aus und rief voller Glück:
"Ich bin ein Friseur! Was möchtest du machen lassen?"
Er betastete neugierig meine kaputten Spitzen.
"Meine Güte, ich habe heute wirklich Glück! Also...ich wollte sie einfach abschneiden lassen. Die Spitzen sind splissig... Vielleicht bis zu den Schultern, ja das wäre gut."
"Ja, bis zu den Schultern!" Er sah mich an wie ein Bildhauer einen Steinklotz.
"Willst Du erst einmal einen Kaffee mit mir trinken?"
"Na fein."

Wir tranken einen Kaffee zusammen. Auf dem Weg in das Café hatte er diverse Friseure, die ich zuvor konsultiert hatte, begrüßt und mich vorgestellt. Er kannte den Namen unserer Kellnerin. Er erschien mir wie der König dieser Straße.

"Warum siehst du mich immer so genau an? Das bringt mich zum Lachen."
"Ach, nur so...Ich finde andere Menschen immer spannend. Besonders Männer."
Er grinste.
"Ich schneide Dir bei mir zu Hause die Haare, wenn Du willst. Du brauchst nichts zu bezahlen."
Ich überlegte und rührte in meiner Tasse. Er kannte alle Friseure dieser Straße. Wieso sollte er sie kennen, wenn er kein Friseur war? Wie erkennt man einen Friseur? Ich schaute auf sein Haar. Es war schwarz, einige Strähnen fingen an zu ergrauen. Es war kurz und zurück gekämmt. Nicht besonders einfallsreich.

Wir schwiegen eine Weile. Schließlich kamen wir über die grundlegenden Dinge ins Gespräch. Wie heißt Du? Woher kommst Du? Was machst Du hier? Wie lange bleibst Du noch? Gefällt es Dir?
Er hieß Guy. Seine Eltern waren Italiener, aber er war hier in Nizza geboren. Er war geschieden und suchte eigentlich eine Frau in seinem Alter. Er sang jeden Mittwoch in einer Bar und schrieb die Lieder auf englisch. Er fühlte sich einsam. Er wollte nur jemand, mit dem er manchmal ausgehen kann, mit dem er essen kann. Um fünf Uhr kommt eine Frau zu ihm und lässt sich die Haare schneiden.

Wir brachen auf. Seine Wohnung lag gleich um die Ecke. Er stand mir gegenüber im Fahrstuhl und rauchte. Ich überlegte, ob es an manchen Tagen immer so einfach sei, dass zu finden, was man sucht. Er war mit einer Frau zusammen und ich hatte meinen Friseur. Meinen singenden Friseur.

Seine Wohnung war chaotisch und klein. Auf dem Boden lagen eine rote Matratze, Koffer, Zeitungen, ein Aschenbecher, Hemden, ein Fernseher und ein alter Fön verstreut.
Wir begaben uns auf den Balkon. Man blickte auf einen Hof. Die Häuser schienen das Spiegelbild unseres eigenen, nur das gegenüber niemand auf dem Balkon saß. Der Ausschnitt des Himmels über uns war grau und vor unseren Köpfen wehte eine Palme.

"Wo wollen wir denn die Haare schneiden?"
"Einen Moment."
Er stand auf und durchwühlte sein Zimmer. Er kam mit einer blauen Papierschere, einer alten lila Plastikbürste, einem braunen Handtuch und dem alten kleinen Föhn wieder. Er deponierte die Utensilien auf dem Tisch. Ich schluckte.
"Alles, was wir brauchen."
"Fast! Du musst dir noch die Haare waschen! Hier, nimm das Handtuch! Die Dusche ist gleich da drüben!"

Ich betrat das winzige Badezimmer und wusch mir die Haare. Der Abfluss war voller Haare. Haare anderer Kunden, dachte ich und atmete auf. Während ich mir die Haare mit dem einzig vorhandenen Aprikosen-Shampoo von Lidl wusch spielte er im Wohnzimmer und sang:

"My lovely girl is washing her hair, lalala... My lovely girl is washing her hair...and I wait for her, and I wait for her..."

Ich lachte und kam mit einem Turban aus dem Badezimmer. Ich saß auf dem Balkonstuhl und legte das Handtuch ab. Er kämmte mein Haar glatt und nahm die Schere in die Hand. Er schnitt in Windeseile Zentimeter um Zentimeter ab. Er schien nicht einmal dabei nachzudenken. Ich hörte nur das Schnittgeräusch der Schere und sah die feuchten Strähnen auf meinen Rock fallen.
"Ist das nicht ein bisschen kurz?"
"Mach Dir keine Sorgen! Ich lasse das Wichtigste dran!"

Ich machte mir Sorgen und versuchte mich zu beruhigen, indem ich die Palme betrachtete, die gelassen im Wind schaukelte. Nach drei Minuten war er fertig und begann mich zu föhnen.
Mir geschahen andauernd skurrile Dinge, aber das war mit Abstand das eigenartigste erste Rendezvous, was ich je erlebt hatte.

Nachdem er einzelne Strähnen in Form gekämmt hatte, durfte ich mich in das kleine Badezimmer begeben und mich ansehen. Furchtsam sah ich in den Spiegel. Ich sah gut aus. Die Haaren fielen in perfekten leichten Stufen bis zu den Schultern. Er war ein kleiner Meister, dieser singende Friseur.

Wir standen auf meinen nassen Haarsträhnen und küssten uns zum Abschied.
Ich stieg belustigt in den Bus ein und strich mir noch etwas unsicher durch das gekürzte Haar.
"Eine Fahrkarte, bitte!"
Der Busfahrer sah mich an wie eine Fee und stotterte:
"Mit großer Freude, Madame."
Ich lachte und ein älterer Herr hinter mir murrte:
"Für mich auch eine Karte! Mit großer Freude, bitte!"





Änderungen:

1. man kÄmmt sich die Haare

2. Zentimeter und nicht Cent :smile:
Zuletzt geändert von Louisa am 19.11.2008, 23:57, insgesamt 9-mal geändert.

Peter

Beitragvon Peter » 18.04.2008, 00:32

Liebe Louisa,

mich fasziniert etwas an deinem Schreiben, und ich glaube das ist, dass es in deinen Texten (auch jener aus dem Prosalog) keinen Unterschied gibt zwischen Wirklichkeit und Sprache. Der Text erscheint so leicht erzählt, als wäre da kein Abstand, als müsste man nicht übersetzen, um zu sprechen.

Ein anderes ist, dass ich denke: Warum erscheint mir das nicht banal? Also, ich kann ja solche Texte eigentlich nicht lesen, sie langweilen mich aus dem Hintergrund. Aber hier: Da spielt etwas, wie ein Band im Wind, da ist etwas, das so fein durch die Zeilen leuchtet. Und wie man weiter liest, wird man von diesem Band getragen, und merkwürdig wird dadurch alles glaubhaft.

(Zum Beispiel die letzte Szene, ja, da ist eine Fee, ich glaub das. Das Textmaterial selbst aber müsste an der Stelle seinem Gewicht nach kokett wirken, wird aber überstimmt.)

Vielleicht ist das das Faszinierende? Da ist eine Sprache, die kein Versagen an sich kennt, sie geht, wie die Protagonistin selbst, vorüber, an allerhand vorüber, fließt, flüchtig, leuchtet, wird verändert (der Haarschnitt), und doch nicht verändert, ganz haltlos, wie auf Besuch, während rings, meinem Lesegefühl nach: die Dinge versinken, in ihren Absichten, wer weiß z.B., wie jener Friseur wirklich dachte, er erscheint ja nur als Bild in jener Sprache selbst.

Darf ich zitieren? In deinem Prosalog-Text heißt es: "Mir und dem Frühling ist das vollkommen egal." Irgendwie scheint mir das diese Licht-Dimension des Textes.

Liebe Grüße,
Peter

Mucki
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Beitragvon Mucki » 18.04.2008, 01:13

Hallo Louisa,

diese Geschichte habe ich in einem Rutsch gelesen. Du schreibst hier wunderbar flüssig und so locker, luftig. Alles ist irgendwie so selbstverständlich. Und, was mir auch so gut gefällt, ist die Bildhaftigkeit. Als Leser sehe ich alles vor mir und bin mitten drin. Und dann schreibst du solche tollen Sätze:
Ich freute mich. Das war ein schöner Tag. Ich hatte das Gefühl heute könnte ich mich allmählich wieder mit dem Leben vertragen, denn wir hatten uns gestritten.

die ich einfach klasse finde.
Es spielt in dieser Story gar keine Rolle, ob Fantasie oder Realität. Es geschieht einfach und reißt mich mit. Als ich zu Ende gelesen hatte, dachte ich: so leicht und unbeschwert möchte ich gerne durchs Leben gehen,-)
Sehr gerne gelesen!
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.04.2008, 09:20

Liebe Louisa,

Es liest sich wie ein französischer Film sich ansehen lässt.

Bezauberte Grüße,
Elsa
Schreiben ist atmen

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 12:50

Coucou :smile: !

Lieber Peter,

dein Kommentar hat mich sehr geehrt und glücklich gemacht! Dankeschön :blumen: !

Ich möchte fast zugeben: Ja, das ist vollkommen banal :smile: - Aber selbst die Banalität der meisten Erlebnisse übt eine gewisse Faszination auf mich aus. In Berlin zum Beispiel haben mich zwei Dichter-Freunde gefragt: "Und, verstehst Du Dich gut mit Deiner Gastmutter?"
..und ich meinte einfach ganz "banal": "Ja, wir benutzen dasselbe Klo."

...Worauf die beiden Herren gleich in Freude und Staunen versetzt waren, was ich im Grunde verstehen kann. Das ist eine Banalität, die mich fasziniert und die oft viel mehr aussagt, als eine hochtrabende, dramatische Geschichte. Ich lese auch sehr gerne banale Dinge von anderen, aber keine gewöhnlichen. Da liegt noch einmal ein Unterschied, glaube ich. In "Montauk" zum Beispiel, was ich sehr gerne las, gefällt mir sehr, wie die beiden alleine am Strand liegen und die Dame Sand nach ihm wirft. Das ist ja an sich banal, man kann aber -ich kann aber :smile: - jahrelang darüber nachdenken :smile: ...

Jedenfalls hat mich das sehr beruhigt, dass diese Sprache dennoch ankommt, weil mein Roman so ähnlich formuliert ist... Noch ein bisschen absurder und stellenweise dramatischer :smile: ... Wobei auch die Dramatik darin ziemlich absurd ist :smile: ...
(Ein Sterbender im Krankenhaus beantwortet vor seinem Tod noch die im Fernsehen gestellte "Eine-Million-Frage" bei Wer wird Millionär. Es geht dabei um das Mark der Kokussnuss.... usw :smile: ... Aber das ist ein anderes Thema :smile: ...)

Ich frage mich aber auch: Wenn ich so eine Protagonisten habe, die sich von der Welt berieseln lässt und so durch die Geschichte hindurch gleitet, eher beobachtend, als teilnehmend: Wird das nicht zu unglaubwürdig oder anstrengend nach zehn Seiten?
Ich habe etwas davon vorgelesen (von dem Roman)...und es wurde gefragt, ob denn die Figur keine Emotionen, keine Ängste, keine Befürchtungen kennt. Ob dieses ganze Wirrwarr, in dem sie sich befindet, denn keine Schockierung bei ihr auslöst!?

Ich fand die Frage natürlich überraschend :smile: ... Ich dachte: Nein, wieso denn? So ist doch das Leben :smile: ... Aber vielleicht kann man diese Haltung nicht nachempfinden.

Was meinst Du/ihr?

Wieder zurück zur Geschichte und ihrer Banalität: Für mich geht es hier, wie immer, eigentlich auch um erstens die Frage von Vorurteilen und Vertrauen und zweitens um mein Lieblingsthema: Menschen, die sich ohne es zu wissen in einer absoluten Parallelwelt befinden.
Ich meine: Dieser Mensch ist ja kein Friseur, kein Sänger, kein König, kein "Star" :smile: ... Aber sobald er sein Haus verlässt setzt er diese Identität wie eine Maske auf und klammert sich an seine Träume, so wie alle.

Das passiert mir andauernd, bei fast allen Bekanntschaften :smile: ... Ich will gar nicht darüber urteilen :smile: ... Es fällt mir nur zunehmend auf.

Danke jedenfalls vielmals für deine Beurteilung!

Liebe Mucki, auch deine Worte erleichtern mich sehr! Vielen Dank! Am Schönsten finde ich ja, dass du meinst es sei egal, ob Fantasie oder Realität.
Ja, das ist wirklich egal :smile: ! Schön, dass es verstanden wird :smile: !

Ich weiß nicht, ob euch das allen in eurem Alltag so ergeht, aber bei mir ist das wirklich egal geworden :smile: ... Meine Fantasie kommt mit meinen echten Erlebnissen schon gar nicht mehr mit.
Gestern hat mir meine Gastmutter eröffnet, dass sie mir versichert sich umzubringen, wenn der Vater die Kinder öfter als jetzt sehen darf.
Ich habe betroffen genickt und die Spaghettie serviert.

Also Mucki...ich glaube, wenn man erst einmal ganz tief in seinem Ich akzeptiert hat, dass wirklich alles sinnlos und gleichgültig - Aber manches glücklich und anderes traurig ist... und das sich die zwei Letzten zwangsweise abwechseln, solange man lebt: Dann kann man sich entweder die Kugel geben oder sich das alles hier anschauen, bis es vorbei ist :smile: ...

Bis zu dieser Erkenntnis hat es bei mir aber einigen Irrsinn gebraucht.

Danke Dir!

Liebe Elsa,

ich hoffe nun, dass man einen französischen Film gut ansehen kann :smile: !

Französischer Film ist auch nicht gleich französischer Film... Leider sind die nicht in den 70iger Jahren zu Eis erstarrt, hier :smile: ...

Danke euch allen!

l mit neuer Frisur :mrgreen:

aram
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Beitragvon aram » 18.04.2008, 13:51

liebe louisa,

obwohl mich prosa im salon selten anspricht, habe ich diesen text mühelos und ohne langeweile gelesen.

zum glück hat peter diesen kommentar formuliert. den kann ich, obwohl ich es selbst nie so fassen könnte, in allem ganz und gar unterstreichen.

(mit deinem roman würde ich diesen text nicht vermischen, die von dir zitierte stelle mit dem quiz am sterbebett passt nach meinem gefühl weniger zu "der friseur" - bzw. das, was du darüber sagst scheint nicht zu passen, wie du es dann beschreibst vermutlich schon - siehe peter...)

(mit der zeit scheinst du in monaco einige wörter zu verlernen - zurück gekemmt, er kemmte mein haar, in form gekemmt, centimeter um centimeter .-)


die erzählweise zeichnet sich durch eine sprunghafte kontinuität aus, die zum teil sehr eng geflochten ist (ausgezeichnet!), sich zugleich aber zeit nimmt, auch in den sprüngen atmet, immer im rhythmus bleibt, auch wenn er wechselt. (in der musik gäbe das eine polyrhythmische struktur, die fein variiert ist, so dass sie kaum auffällt, insgesamt 'gleitend' wirkt)

das ende finde ich hervorragend.

sehr gern gelesen.



p.s. Das passiert mir andauernd, bei fast allen Bekanntschaften ... Ich will gar nicht darüber urteilen ... Es fällt mir nur zunehmend auf.

yep - genau danach suchst du ja - vielleicht wird dir das aktive, intensive daran erst bewusst.
Zuletzt geändert von aram am 18.04.2008, 14:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon leonie » 18.04.2008, 14:05

Liebe Louisa,

das ist ganz wunderbar erzählt. Ich kann mich den Vorkommentatoren nur anschließen. Peter bringt es auf den Punkt!

aram hat es angesprochen: Kämmen, Zentimeter, Fön sind mir aufgefallen.

Das habe ich sehr gern gelesen!

Liebe Grüße

leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 14:37

Guten Nachmittag ihr beiden!

Danke aram! Besonders für die Rechtschreibhilfe :smile: !

Ja, die Romanstelle war als Exempel schlecht gewählt :smile: ... Aber ich meinte ja auch: Es ist derselbe Erzählstil, nur dramatischer und absurder. Die Stimmung bleibt aber genauso "leicht" wie hier. Ich wollte den Unterschied zu dieser Geschichte gerade mit diesem Bild erklären und mich ein bisschen erkundigen, ob das funktionieren könnte...
(Aber ja, dafür ist zu wenig erzählt...)

Mmm...ob ich danach suche :smile: !? Ich habe eigentlich nur einen Friseur gesucht und sonst einen Freund :smile: ... Was mir danach passiert, erfreut mich immer sehr, aber ich würde nicht behaupten, dass ich genau das gesucht habe, was ich dann finde. "Freude" sucht man natürlich auch, das stimmt.

Danke Dir und auch Leonie!

Grüße im Fön :smile: !?
l

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.04.2008, 14:51

Liebe Louisa,

das hab ich so gern gelesen - ich glaube, das Geheimnis, das Peter toll beschrieben hat, liegt darin, dass du eben gar nichts willst damit, keine Großartigkeit und dass dir das auch noch gelingt.

Ich habe nur zwei Anmerkungen:

1. Die Friseursalons, an denen ich ankam (Komma hier einfügen) hatten

2. Den Text aus dem Prosalog bitte ebenfalls als Geschichte auf dem PC speichern, die ist mindestens ebenso großartig - du solltest solche Gesichte sammeln und einen Band mit ihnen herausgeben...toll!

Ich finde wirklich du bist eine tolle Erzählerin, das macht so viel Freude - Lebenslust sogar.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 15:05

Ja, ich mache mir auch selbst Lebenslust! Du weißt ja: "Ich bin 20 Jahre alt."

*lach*

Ihr habt alle Charmeur-Bonbons gelutscht, glaube ich :smile: !

Hihihi...dann habe ich ja wenigstens eine Beschäftigung gefunden, danke Lisa! Geschichten sammeln. Ich hatte noch nie so eine komische Arbeit wie diese hier. Ich tue hier nichts! Nichts! Ich warte schon sehnsüchtig darauf, dass die Sprachschule wieder anfängt! Dann darf ich wieder Bus fahren! Juhu :smile: ! Was mache ich bloß immer in Berlin, dass ich da nie zu Hause bin :spin2: ?

Zur Geschichte: *kicher*

Aber ich will doch etwas :smile: ! Na gut, vielleicht nicht gerade mit dem Vorschlaghammer, aber ich will etwas :smile: !

Hehehehe...den Text aus dem Prosalog habe ich gestern in meiner Langeweile noch ein bisschen verbessert. Er heißt jetzt: "Der Frühling ist ein Croupier" und somit habe ich eine Verbidnung zum Thema "Spiel" geschaffen, die es mir ermöglichte, ihn bei einem kleinen Wettbewerb einzuschicken. Wenn ich gewinne, habe ich 3000 Euro! Damit kann man 3000 Wein trinken, vier Mal nach Indien und zurück fliegen oder 3000 Mal im Karussel fahren. Wundervoll!

Zu Deinem Punkt zwei :mrgreen: : Ja, wieso nicht? Ich sollte vielleicht auch eine Rakete bauen und mich auf den Mars schießen :smile: ! Hihi...

Ich füge das Komma hinzu! Bestimmt wimmelt es im Text von den bösen kleinen Wanzen, die die Kommas aufgefressen haben :angst_2: ... Wusel, wusel...

Schönen Tag und danke nochmals, ich lutsche jetzt auch eure Chameur-Bonbons!
l

PS: Ich glaube man sagt auch: "bei denen ich ankam" und nicht "an denen ich ankam" oder?

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 16:39

PS II: Oh, ich sehe gerade, dass ich mich verlesen habe... Man kann nur 300 Euro gewinnen. Naja :smile: ... Mm. Damit kann ich mir immer noch einen Wellensittich kaufen :smile: ... Lalala...

Peter

Beitragvon Peter » 18.04.2008, 17:23

Liebe Lou,

ich glaube das Attraktive deines Romans könnte sein, dass du, wie auch in jenen Beispielen, die du erzählst, eine Hand dafür hast, von den Dingen einen Schleier wegzuziehen. Weißt du? Man ist ja, als Leser oder als Konsument, gewohnt, dass es große Vorhänge gibt, aber diese kleinen Vorhänge oder doch eher Schleier, wie du sie aufziehst, sind doch fast unbekannte geworden. Man atmet auf daran, weil sie, denke ich, einen Ort aus der Ferne, oder einen abhanden gekommenen Ort, wieder zurückholen: Sie zeigen auf, jetzt, ja, das Leben ist da. Und vor allem zeigen sie, das Verblüffende: dass zu leben heißt, in einer Aussage zu sein. Es ist doch so, als würde, auch oben in der Geschichte, jemand gehen und überall Worte finden, sie liegen verstreut und man muss sie nur aufheben und sie haben das schönste Licht. Das machst du, und das meine ich mit Schleier. Sicher sind es banale Dinge, aber das Banale an ihnen ist eben nur die Unachtsamkeit, die wir ihnen gegenüber haben – und du hebst diese auf, also im Sinn von, dass du sie wegnimmst.

Zu diesem Einwurf, als du vorgelesen hattest: Ja, vielleicht, es könnte im Lauf des Romans zu einem Problem werden. Deine Figuren, stelle ich mir vor, werden wie in deinen Geschichten nur angedeutete sein. Der Leser wird dann nach mehr verlangen, und es könnte sein, dass sich dadurch (indem du dem Leser gerecht werden willst) der Roman verläuft. Das Besondere an diesen kleinen Geschichten ist ja (auch), dass sie sexy sind, man bekommt sie und bekommt sie doch nicht, sie „verraten nicht ihre Schwelle“, und da könnte es sein, dass der Roman dich dazu zwingt, Dinge weiter auszutragen, als du sie eigentlich austragen willst und die dann dem Ansatz deines Sagens, Erzählens widersprechen. Deshalb wären vielleicht Kurzgeschichten die bessere Form, oder scheinbar lose einzelne Kapitel mit Überschriften wie oben, „Der Friseur“ usw., die eben dann auch formal dieser leichten, eigentlich unverbindlichen Sprache gerecht werden.

Ich kann mir wirklich vorstellen, dass daraus was werden könnte. (Und wünsch dir viel Glück!)

Liebe Grüße,
Peter

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 21:04

Juhu! Es sind Kapitel mit Überschriften :banana_1: !!!

Ich antworte gleich ausführlicher. Ich esse :smile: .

(Habe ich schon erwähnt, dass der Roman sich bereits in der Überarbeitungsphase 1 befindet :smile: ?)

Danke, Peter, bis später :blumen: !
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2008, 22:21

Huhu noch einmal!

Mmm...ich glaube ich muss doch einmal ein Kapitel einstellen... Die Figuren im Roman sind schon deutlicher dargestellt, als hier, aber sie haben alle dieselbe Macke in anderen Ausformungen. Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass es "Die Miesmuscheln" heißt...

Die Miesmuschel, habe ich überlegt, ist keine Muschel, die man am Strand besonders beachtet, hübsch findet und als Gedenkobjekt aufsammelt. Man isst sie höchstens, aber schenkt ihr keine Bewunderung. Sie ist im Grunde sehr simpel.
Zudem saugen sich die Miesmuscheln in ziemlich zahlreichen Bündeln aneinander und an den Felsen fest...
Alle Personen im Roman, bis auf den leicht philosophierenden Penner Kasper, sind nun im Grunde ebenso simpel. Sie sind "nichts Besonderes". Niemand, den man sonderlich schön oder beachtenswert finden würde und allesamt saugen sie sich fest-
Sie saugen sich an einer Unmöglichkeit, an einem Traum, an einem Glauben, an einem Beruf, einem anderen Menschen oder an etwas Materiellem fest wie die Miesmuscheln und wollen dieses Etwas auch nicht mehr loslassen, komme was wolle.
Es kommt aber "was wolle" :smile: ... und dann stehen sie in der Patsche.

Die Hauptcharaktäre sind ein Mädchen, die viel von mir hat, namens Mascha. Sie ist überzeugt davon Intendantin beim Theater zu werden :smile: und lebt durch ziemlich skurile Umstände bei einer pariser Familie, die Zeugen Jehovas sind. Auf dieser Reise und in ihrem Verlauf trifft sie auf vier Menschen, die eine größere Rolle spielen. In den einzelnen Kapiteln wird ihr Dilemma deutlich.

Madu, der Flöten-Komponist aus Afrika, der in den Pariser Hochhausvierteln neben der Jehova-Familie wohnt und sich zu Tode säuft. Den Sohn dieser Familie, der sie bekehren und heiraten will. Seinen Vater, der mit 13 einen Autounfall hatte, der ihn um den Verstand und einen geraden Gang brachte. Später in der Geschichte, in Südfrankreich am Meer auf einen Barkeeper, der aussieht wie Al Pacino und es auch gerne wäre. Joseph, der zwar selbst nicht auftaucht, der ein ehemaliger Mathelehrer und späterer Heiratsschwindler ist, sorgt dafür, dass der Barkeeper und Mascha (das Mädchen) einen Sack voller Miesmuscheln auf einer Miesmuschelfarm in Toulon auffinden...

...ich will nicht alles erzählen, aber der Jehova-Sohn hat schließlich auf den Felsen (an denen sich die Miesmuscheln fröhlich festsaugen) einen schweren Unfall und kommt ins Krankenhaus. Sein Leiden wäre nicht gravierend, es wird aber lebensbedrohlich, weil er als Zeuge Jehovas ja keine Bluttransfusionen annehmen darf...

Viele kleine Geschichten in einer Großen. Es geht um mein Lieblingsthema: Menschen, die in ihrer Unmöglichkeit festgewachsen sind und nicht mehr herausfinden.

Bis auf den Penner, dessen Lieblingsfrage lautet: "Warum mache ich nichts?"
(Weil er erkannt hat, dass er nicht das Unmögliche tun kann.)

Das war ein kleines, chaotisches Résumée :smile: ...

Ich hoffe es spricht jemand an!

Ich habe gedacht ich schicke es bald einmal Herrn Kurkow :smile: und frage, was er dazu meint. Hach ja, der ist wirklich toll... Er hat einmal Tee mit mir getrunken im Winter...Früchtetee... Das war auch einer dieser Wundertage *schwärm* :smile: ...

Aber bestimmt interessiert ihn dieser Muschel-Quark herzlich wenig :smile: ...

Spinnende Grüße!
l


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