herzbrot

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 18.03.2008, 21:07

vom Autor gelöscht
Zuletzt geändert von Niko am 07.06.2009, 16:40, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.03.2008, 22:06

Lieber Niko!

Du lockst mich in dein Land und ich folge gern.
Für mich bildest du langsam einen Kosmos, deinen Kosmos, und den mag ich gern.

Allein schon dieser Weg gefällt mir.

Hier mag ich nur das 'überm' nicht so recht. Einfach 'über dem' fände ich passender.

MlG

Moshe

scarlett

Beitragvon scarlett » 18.03.2008, 22:16

Lieber Niko,

das finde ich äußerst gelungen.

Die schweren/schwerwiegenden Einwände, die in Leichtigkeit einfallen wie Möwen über den Abgrund - eine tolle Metapher.
Die vorgehaltene Hand: ein Schutzschild? oder doch eher in dem Sinne von "vorenthalten"?

Zwischen Zweifel und Gewißheit, zwischen den Extremen Tag und Nacht hin und hergerissen bleibt das Auge trocken? Ein Widerspruch - scheinbar. Kann aber auch als Gelassenheit gelesen werden, als Ruhepol dazwischen.
Auf jeden Fall ist es das, was das Ich am Leben erhält, das "herzbrot" darstellt.

Bevor ich mch jetzt weiter versteige, hör ich lieber auf.

Ich finde das gut, Niko.

Herzlichst,
scarlett

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 18.03.2008, 23:25

Lieber Niko,

ich glaube, ich lese dein Gedicht völlig falsch. Nachdem ich mosches und scarletts Kommentare gelesen habe, habe ich es direkt noch vier mal gelesen, aber es klappt nicht mit dem 'herzbrot'. Ich lese da eher eine Kapitulation, herzgift , ich lese da so ein Leider, ein großes sogar.
Du beginnst mit '
herzbrot'
als Titel. Das Wort finde ich schonmal toll.
Dann folgt ein 'und doch', was mich sofort aufhorchen lässt, da es mir sowas sagt wie : Das ist zwar meines Herzens Nahrung, jedoch/aber - und dann folgt das 'Gift' (mir fällt kein passenderes Wort ein, tut mir leid.)
Zwischen weichen Federn liegt der harte Stahl, bestehend aus dem, was nicht gesagt wird/wurde
aus vorgehaltner hand geschält
was Fieses, um es mal so zu sagen, hinter dem Rücken ausbaldovert, Gerüchteküche, Gemeinheiten.
und gelassen
möwen überm abgrund

Hier kann ich 'gelassen' in zwei Varianten lesen. Ein mal im Bezug auf den Stahl aus vorgehaltener Hand gemünzt, der einfach, obwohl er erkannt wurde, 'gelassen' wurde, jetzt da ist und nie weg kommt. Dann aber auch im Bezug auf die darauf folgenden Möwen, die einfach gelassen über dem Abgrund schweben (hat ja eher was statisches, das Schweben...), beobachten, was dort passiert.

Dann lese ich es so: Ein Tag riecht wie die andere Nacht
sieht in den Zwischenzeiten


Der Tag trägt also die Spuren der Nacht davor, kann im Gegensatz zur Nacht aber Dinge sehen, erkennen, sofern, und nun schwafele ich mich in die letzte Zeile, die Augen trocken bleiben. Sofern also nicht Tränen und Trauer die Sicht nehmen.

Lieber Niko, das wurde unfreiwillig lang, aber nur, weil mir dein Gedicht so gut gefällt.
Darf ich es bitte weiter so theatralisch und 'herzgift' lesen?

lg

Rebekka

Max

Beitragvon Max » 19.03.2008, 19:24

Lieber Niko,

das finde ich wieder sehr stark

aus vorgehaltner hand geschält


ist zum Beispiel ein sehr eigenständiges Bild.

Warum das "überm" nicht ein "über dem" sein kann, verschließt sich mir etwas.

Dafür aber ist die 2. Strophe sehr stark, kein Wort zu viel, kein Bild zu dick aufgetragen ...

Chapeau
Max

Niko

Beitragvon Niko » 21.03.2008, 10:17

vielen dank für eure kommentare!

moshe, max......mit "über dem" habt ihr recht. habs geändert. es schien mir flüssiger, "überm" zu schreiben, aber das macht nur eine nuance aus und ist nicht gravierend.
danke, scarlett, für die darlegung deiner lesart. freut mich, dass du es so verstehst! und natürlich freut es mich sehr, das es dir gefällt. :-)
liebe rebekka....*räusper*

der titel "herzbrot" ist ja gewissermaßen eine vorgabe. brot ist grundnahrung und somit weist der anfang "und doch..." darauf hin, dass man (lyrich) nicht vom leichten, gleichen, vom oberflächlichen sich nährt, sondern das es die widersprüchlichkeiten sind, das erkennen und reagieren auf missstände, die das eigentliche brot des herzens sind...
die vorgehaltne hand.... ja. sie macht auch mir zu schaffen in ihrer zwielichtigkeit. denn sie stellt genau das auch dar, was du beschreibst mit fies und hässlich, aber das vorgehaltne birgt auch vorhaltung in sich. zeigt auch das "sich nicht zeigen"können / wollen. verschlossenheit, unsicherheit.
die vorgehaltne hand ist für mich nur etwas bedingt negatives.
gelassen liest du völlig richtig in den doppelsinnigkeiten. gelassen wie entspannt, gelassen wie einfach zulassen und mit dem von dir angeführten bezug.
tag / nacht / zwischenzeiten: letzteres sind für mich aufgänge, untergänge, das "werden" von etwas, was wir nur bedingt beeinflussen können und es doch andererseits nur unseren regeln unterliegt. will heißen: alles, was ist, was war, was sein wird ist produkt unseres denken und fühlens. nichts anderes. und die zwischenzeiten, die aufgänge und untergänge, die ja eigentlich auch ein aufgang sind (jedes ende ist ein anfang) sind die einzig "neutralen", die wachen phasen. was auch die trockenen augen erklärt... - ich hoffe, ich konnte mit meiner sichtweise ein wenig erläutern.
nochmal danke, max. wie allen anderen auch für die kommentare und das einlassen!
karfreitagsgrüße: Niko

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 21.03.2008, 20:09

...ich hatte mich so schön warmkommentiert, Niko... ;o)

Caty

Beitragvon Caty » 21.03.2008, 22:45

Niko, so recht komm ich mit diesem Gedicht nicht klar. Das beginnt bei der Frage: Was will uns der Autor sagen? Reden, Einwände hinter vorgehaltener Hand, mit dem "geschält" in diesem Zusammenhang kann ich nichts anfangen (schäl mal Stahl zwischen Federn). Dann aber nach Stahl und Federn Möwen überm Abgrund. Mir kommt es so vor, als ob hier die Bilder ein bisschen willkürlich gesetzt sind. Dann auch noch Tag und Nacht, trockene Augen - ein ansehliches Ensemble von Allgemeinsprüchen, zumal es mir nicht gelingt, die Frage nach der Prämisse mir anhand dieses Textes zu beantworten. Herzlich Karoline

Niko

Beitragvon Niko » 21.03.2008, 23:03

hallo karoline!
immerhin ein ansehnliches ensemble. aber dennoch ist ein genaues lesen vorteilhaft. denn dann würde auffallen, dass es nicht stahl ist, den man aus der hand schält, sondern der bezug auf die einwände zielt.
was dir der autor sagen will? die frage ist doch: was sagt es dem leser. wenn es dir nichts sagt, dann hat es dir keine bedeutung und bleibt nicht beachtungswürdig. ich glaube, wenn man einen text nicht nachempfinden kann, dann nutzt alles hineindenken und versuche zu analysieren nichts. auch nicht seitens des autors.

liebe grüße: Niko

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.03.2008, 21:44

Lieber Niko,

ich kam hier schon vor ein paar Tagen vorbei, dann war irgendwas, gottseidank hab ich jetzt nochmal hier geforscht: die zweite Strophe finde ich ästhetisch und von ihrer poetischen Kraft her perfekt, ohne das perfekt etwas Totes an sich hätte. ich finde, da ist dir wirklich etwas ganz Besonderes gelungen.
Umso mehr mag ich sagen, wovor ich mich meist hüte, weil es ja - ohne Bedacht - auch tatsächlich etwas Hohles hat, aber hier stimmt es für mich: Obwohl ich nicht angeben kann, wovon der Text eigentlich erzählt, macht er trotzdem etwas mit mir. So wie wohl ein abstraktes Gemälde oder eine Musik auch auf einen wirkt: es gibt auch Gründe dafür, aber man kennt sie nicht.
Ebenso gelungen finde ich den Titel - darin liegt für mich am stärksten das: aus vorgehaltener hand geschält und das, was nicht die zwischenzeit ist, in der die augen trocken bleiben.

Die erste Strophe kommt auch ansprechend daher, sie zerfällt für mich aber stilistisch (besonders trauere ich, dass die geniale, feine Möwenzeile so gar nicht in das Umfeld passen will, also einfach nur vom Bildkontext. Diese perle würd ich zum Kern eines weiteren textes machen. Hier geht sie auf dem Weg zu Leser verloren.
Das "stahl zwischen federn" ist dann auch durchaus gelungen (auch wenn es schon etwas mein geschmack ist, ich kann aber trotzdem erkennen, dass sie Wirkkraft haben). aus vorgehaltener hand geschält finde ich dann auch wieder stark, aber schon wieder ist es ein anderer Duktus, das ist mir zu viel verschiedene Stile durcheinander, weshalb ich nicht hineinkomme.

Bestimmt ein anmaßender Vorschlag, aber ich würde mir die einzelnen Teile der ersten Strophe für andere texte aufbewahren und diesen texten jäten:



herzbrot

ein tag riecht
wie die andere nacht sieht
in den zwischenzeiten
bleiben die augen trocken

(oder:


in den zwischenzeiten


ein tag riecht
wie die andere nacht sieht
in den zwischenzeiten
bleiben die augen trocken

)



Wie auch immer, das war für mich ein schöner Fund, dieser Text.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 29.03.2008, 08:49

hallo lisa!
schon nach erstem nochmaligen lesen dachte ich für mich: die zweite strofe...-ja! die ist dir gut geraten. und die erste....da gefiel mir nur das ende. und dann fand ich wieder, dass die zweite strofe schon die erste braucht um ihre existenz zu berechtigen.
mich persönlich würde interessieren, was du genau mit "zerfällt stilistisch" meinst, bezüglich strofe 1. sie ist sicher ein kleineres kaliber als strofe zwei, aber hat sie nicht ihren eigenständigen charakter? und können zwei strofen mit eigenem charakter nicht auch eine einheit bilden? die frage ist nicht retorisch gemeint, sondern eine echte frage.
die erste strofe ist im grunde eine aufzählung. die sich alle auf die einwände beziehen. einwände sind: stahl zwischen federn, aus vorgehaltner hand geschält, (gelassen) möwen überm abgrund. dem gelassen kommt eine doppelbedeutung zu.
ob´s deine meinung ändert, weiß ich nicht, aber vielleicht kannst du die machart der einzelnen elemente so ein bischen mehr nachvollziehen?

lieben gruß: Niko

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Beitragvon Lisa » 08.04.2008, 12:31

Lieber Niko,
dass die Strophe 1 stilistisch zerfällt, das meinte ich nicht in Bezug auf Strophe 2, sondern dass sie in sich zerfällt. Die Einzelbilder (stahl zwischen federn, aus vorgehaltner hand geschält, möwen überm abgrund) finde ich für sich genommen alle relativ stark und aussagekräftig, aber ihr Zusammenspiel passt für mich nicht - die Bildkontexte sind so verschieden - Stahlfedern, Möwen, etwas aus vorgehaltener Hand schälen - ich kriege da auf der Bildebene keinen Zusammenhang, und da der Text sehr stark durch Bilder spricht, bin ich als Leser etwas orientierungslos, bekomme es nicht zusammen. ist das so besser ausgedrückt? :-)

Ich bin übrigens nicht sicher, ob der text die erste Strophe wirklich braucht :-) (auch wenn ich sie wie gesagt zwar etwas zerfallen, aber nicht schlecht finde!)

liebe Grüße,
Lisa
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Niko

Beitragvon Niko » 08.04.2008, 12:39

hi lisa!
wie fändest du es denn, wenn ich stahl und federn entfernen würde? das sähe dann so aus:

herzbrot

und doch sind es einwände
aus vorgehaltner hand geschält
und gelassen
möwen überm abgrund

ein tag riecht
wie die andere nacht sieht
in den zwischenzeiten
bleiben die augen trocken

ginge dir das (nicht) weit genug?
fragt mit liebem gruß: Niko

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Beitragvon Lisa » 19.04.2008, 22:07

Lieber Niko,

doch - das macht es für mich erstaunlich rund! Denn jetzt entsteht für mich zwischen "vorgehaltener hand geschält" und den möwen ein bildlicher (meerkontext)zusammenhang, ja, das fände ich sehr gelungen! (hab ich gar nicht gesehen)

Liebe Grüße,
Lisa
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