Das Wort

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Herby

Beitragvon Herby » 11.03.2008, 11:47

Das Wort

„Pa-limp-sest!“ Zunächst nahm er nur ein Flüstern wahr, kalt, abgehackt, irgendwoher aus der Schwärze. Dann schwoll es an, fordernd, kam näher, griff nach ihm. „Palimpsest! Palimpsest!“ Er wälzte sich hin und her in dem Versuch, es abzuschütteln. Sein Atem ging stoßweise. Unaufhaltsam nahm es Besitz von ihm. Hämmernd. Röhrend. Allerfüllend. Er zitterte, wand sich, sein Schädel drohte zu platzen. „Palimpsest! Palimpsest! Palimpsest!“

Als er erwachte, war er ein anderer.
Zuletzt geändert von Herby am 12.03.2008, 22:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.03.2008, 08:16

Herby hat geschrieben:Hoffentlich hab ich jetzt keinen vergessen

Mich auch Bild

Liebe Grüße smile
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Herby

Beitragvon Herby » 13.03.2008, 11:09

Hüch, du lieber mein mon dieu...

Liebe Elsa, liebe smile,

bitte entschuldigt, offenbar falle ich bereits der präsenilen Vergreisung anheim :confused:
Smile, du schreibst, du findest die Frage nach dem Grund spannend. Es würde ja genau diesen Effekt zerstören, käme ich jetzt mit einer (vermeintlich) tiefsinnigen Antwort daher. Wenn der Text dich zum Nachdenken anregt, so ist das doch wunderbar, oder? Dann fragst du:

Ist es wirklich ein Überschreiben, oder ist es ein Sichtbar-machen von etwas?


Kann es nicht sogar beides sein? Das schließt sich für mich nicht aus.

Elsa, du schreibst:

Lassen sich Charakterzüge einfach so überschreiben durch Ereignisse (geträumt oder erlebt). Meiner Erfahrung nach nicht.


Im Traum geht das sicherlich. Was das reale Leben betrifft, bin ich unsicher. Geht die Gehirnwäsche nicht in eine zumindest ähnliche Richtung?
Der von dir angesprochene Aspekt, dass man sich eine "Überschreibung" wünscht, ist sicher nicht von der Hand zu weisen, ja.

So, nun grüße ich euch beiden vergessenen Mädchen ;-) sehr herzlich und wünsche einen schönen Tag.

Herby :a045:

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.03.2008, 12:01

präsenile Vergreisung


Hihi, das ist wunderschön, lieber Herby :-)

Die Gehirnwäsche hat glaube ich, nichts mit Charakterüberschreibung zu tun, ich würde das ehe in Verhaltensveränderung sehen. Denn wenn ein Anlass das neue Programm ausradiert, ist der alte Charakter wieder da, wenn auch verblüfft, erschöpft, traumatisiert. Denke ich halt.

Lieben Gruß
ELsa
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Herby

Beitragvon Herby » 13.03.2008, 13:00

Liebe Elsa,

Die Gehirnwäsche hat glaube ich, nichts mit Charakterüberschreibung zu tun, ich würde das ehe in Verhaltensveränderung sehen.


Ja, aber bedingen sich Charakter und Verhalten nicht gegenseitig? Hm...


LG Herby

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.03.2008, 13:30

Lieber Herby,

Ja, aber bedingen sich Charakter und Verhalten nicht gegenseitig? Hm...


Aber nicht doch bei Gehirnwäsche! Da wird das Ursprungsverhalten doch "gewaschen"?

Lieben Gruß
ELsa
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Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.03.2008, 10:47

Huhu Herby.

(keine Kommentare gelesen)
Der ganze Text dreht sich um ein Wort "Palimpsest". Ein Wort, das ich mit meiner bescheidenen Allgemeinbildung nicht kenne. Leider bin ich nach dem Lesen deines Textes auch nicht schlauer und so lässt er mich unbefriedigt zurück. Es muss sich um ein virtuoses Geräusch handeln, welches durch Steigerung der Lautstärke (die einzige Entwicklung im Text) eine Art Metamorphose vollzieht.

Formal kommt der Text übersättigt bei mir an.
Die Adjektivketten klingen unbeholfen.
Da wird mir z.B.. was von einem "abgehackten Flüstern" erzählt, was ich mir nicht vorstellen kann. Das wäre ja wie "grelle Farben" in der Nacht. Beim Flüstern besteht "technisch" gesehen ja ein ungünstiges Amplitudenverhältnis, wodurch m.E. ein Flüstern immer weich und nicht abgehackt ist. Ach ja, und "kalt" ist es auch noch. Kalt?

Dann schwoll es an, fordernd, kam näher,

Entweder "anschwellen" oder "näher kommen" ist redundant

[Quote]
Hämmernd. Röhrend. Allerfüllend.
[Quote]

Ein bisschen erinnert mich die Szene vom Stil her an Hohlbein...

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max

Beitragvon Max » 16.03.2008, 11:44

Lieber Herby,

auch ich kannte das Wort Palimpsest vor der Lektüre Deines Textes nicht und ich gebe Nifl Recht, dass der Text ohne Kenntnis des zentralen Wortes schwer zu entschlüsseln ist - von der rein formalen ebene kann man ihn anscheinend nicht verstehen.
Wenn man sich aber die Mühe macht es nachzuschlagen, so ergibt sich ein sehr sinnvoller Text, einen, den ich von Deinen Texten mit am meisten schätze. Die vielen Adjektive werden benutzt um das Stakkato der Sapnnung des Traums zu erzeugen, Die von Nifl erwähnten Redundanzen ließen sich sicherlich leicht beheben.

Mir hat's gefallen.

Liebe Grüße
Max

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 16.03.2008, 11:46

Hallo Herby!

"Palimpsest" ist mir noch aus den alten Mediaevistik-Zeiten vertraut, so dass die Ideen, die mir bei deinem Text so kamen, gleich in eine andere Richtung gingen als zu Außerirdischen (obwohl ich ganz gerne SF lese).

Bezüglich des Austauschs zwischen Elsa und dir scheint mir interessant, dass die ursprüngliche Schrift ja nicht automatisch verloren ist, sondern in vielen Fällen wiederhergestellt werden kann?!

Insgesamt habe ich den Text ganz gerne gelesen, ohne dass er mich endgültig überzeugen konnte. Das liegt vielleicht daran, dass er doch relativ viele Standard-Wendungen ("der Kopf platzt") nutzt?! So kritisch wie Nifl sehe ich das ganze alelrdings längst nicht :-)

Hast du eigentlich mal die Wirkung der "Präsens-Version" mit der des aktuellen Textes verglichen?!


Hallo Nifl!

"Ein bisschen erinnert mich die Szene vom Stil her an Hohlbein... " grenzt ja wohl an literarischen Rufmord :-)

Ansonsten stimme ich dir nicht völlig zu. "Redundanz" liegt hier doch, wenn überhaupt, nur auf der Bedeutungsebene vor. Wenn Herby den Schwerpunkt aber auf die Herstellung eines drängenden, gehackten Rhythmus legt, müssen andere Apekte doch dahinter zurücktreten, oder?

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Max

Beitragvon Max » 16.03.2008, 12:05

"Ein bisschen erinnert mich die Szene vom Stil her an Hohlbein... " grenzt ja wohl an literarischen Rufmord :-)


*g* gedacht habe ich dss auch ... nur fiel mir dann ein, dass auch den Rezensenten in kein allzu positives Licht rückt ...

Liebe Grüße
Max

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.03.2008, 16:11

*hihi

"Ein bisschen erinnert mich die Szene vom Stil her an Hohlbein... " grenzt ja wohl an literarischen Rufmord

Da ich hier keine Literaten sehe, kann ich auch keine ermordet haben. Und ja, ich gestehe, ich habe schon Hohlbein gelesen…

Ich muss den Bezug noch kurz belegen:
Ferdi schrieb:
dass er doch relativ viele Standard-Wendungen ("der Kopf platzt")

Yepp, oder
Unaufhaltsam nahm es Besitz von ihm

oder
Er wälzte sich hin und her

oder
Sein Atem ging stoßweise

…viel bleibt nicht über @Max, würde man diese Stellen ausmerzen… und "anspruchsvoller" als Hohlbein ist er sicher auch nicht…

Wenn Herby den Schwerpunkt aber auf die Herstellung eines drängenden, gehackten Rhythmus legt, müssen andere Apekte doch dahinter zurücktreten, oder?

Naja… aber nicht durch bloße Aneinanderreihung, sondern sich verstärkend, sich entwickelnd, sich zuspitzend…

LG
Nifl

Max

Beitragvon Max » 16.03.2008, 17:50

… und "anspruchsvoller" als Hohlbein ist er sicher auch nicht…



Lieber Nifl,

sicher, wenn Du auf die Ebene der einzelnen Wörter gehst, wirst Du überrascht feststellen, dass sowohl Hohlbein (ich frage mich, was der für das "bein" bezahlt hat), als auch Böll (irgendwo in der Mitte der Anspruchsleiter), als auch, was weiß ich, Arno Schmidt oder Paul Celan, Texte schreiben, die aus Wörtern bestehen. Offenbar kann man das Anspruchsniveau daran nicht so recht festmachen.

Vielleicht hat Herby nicht die ungebräuchlichsten Wendungen gesucht, aber den Anspruch bezieht der Text aus der Verknüpfung des "Palimpsest" mit der Bewusstseinsebene des Protagonisten ... ich gebe zu, dass das schwer zu erkennen ist, wenn man das Wort nicht nachschlägt oder kennt.

Liebe Grüße
max

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Beitragvon Nifl » 16.03.2008, 18:16

Na Max.

... ich gebe zu, dass das schwer zu erkennen ist, wenn man das Wort nicht nachschlägt oder kennt.

Sicher habe ich auch gespickt… aber wie ich schon schrieb, erwarte ich von einem guten Text, dass ich das nicht muss.

wenn Du auf die Ebene der einzelnen Wörter gehst, wirst Du überrascht feststellen, …. Texte schreiben, die aus Wörtern bestehen. Offenbar kann man das Anspruchsniveau daran nicht so recht festmachen.

… mach dich um des Friedens Willen nicht lächerlich, Max.

LG
Nifl
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Max

Beitragvon Max » 16.03.2008, 18:20

… mach dich um des Friedens Willen nicht lächerlich, Max.


Weil ich Frieden will, anwtorte ich Dir nicht ...

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.03.2008, 18:40

... okay
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)


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