Scherben

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 08.03.2008, 07:16

Scherben

Einerlei wars mir zuletzt, was uns
Draus werden sollt. Zweierlei lagen wir
Laken an Laken. Dreierlei Wort,
Als die Dämmerung wich.

Dass wir uns stahlen das Sehnen,
Bleichte den Augengrund, erschlaffte
Die Adern, sang uns kein
Amselhahn des Morgens.

Im Haus die Spiegel verzerrt.
Deiner Brauen Schwalbenflug
In Starre. Könnt ich, ach könnt ich
Noch lieben die unwirsche Geste.
Zuletzt geändert von Caty am 08.03.2008, 16:35, insgesamt 2-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.03.2008, 14:01

Liebe Caty,

die zweite Strophe wirkt auf mich etwas lyrisch überzogen, wie eine zu kräftige Farbe, natürlich ist das Absicht, weil es eine Art Betrachtung dessen ist, was verloren gegangen ist, Honig schmeckt vielleicht in der Erinnerung auch immer süßer, um so länger man ihn nicht mehr genascht hat. Das mag innerhalb des Erzählten sogar passen, weil es ja eine Art Heraufbeschwörung des Vergangenen ist, die in dieser kondensierten (märchenhaften) Art nur gelingt, eben weil es real nicht mehr vorherrscht; trotzdem stößt es mir auf ästhetischer Ebene auf - (?). (im Grunde macht das nur: bleichte das Lippenrot)

Strophe 1 und 3 dagegen finde ich gekonnt und stark gesetzt - vor allem das unauffällige unwirsch gefällt mir ausgezeichnet - meiner Meinung nach ist es perfekt als Beschreibung ausgewählt und eröffnet dem Leser das ganze Verständnis, indem es die Bandbreite des Verhätlnisses der beiden zulässt: dass man die Geste (ver-)liebt und dass man sie nicht mehr sehen kann und dass es dafür eben auf etwas ankommt, was bestimmt, wie es ist.

Den Titel finde ich von der Motivwahl etwas weit weg (auch wenn man ihn schon auf Spiegel und übertragen lesen kann).

Insgesamt eine feine Komposition. Schade, dass die Aussage so trefflich ist .-)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 08.03.2008, 14:47

Liebe Caty,

Lisa sprach in ihrem Kommentar bereits das "erbleichende Lippenrot" an, noch überzogener in eine andere leicht, komisch anmutende Richtung, tendiert für mein Empfinden der "kühne Amselhahn".
An der Stelle bin ich raus aus dem Text und frage mich, ob es vielleicht parodistisch gemeint sein könnte.

Liebe Grüße
Gerda

Caty

Beitragvon Caty » 08.03.2008, 16:10

Liebe Lisa,

ich bedanke mich für den Kommentar. Ich verstehe deine Schwierigkeiten mit "bleichte das Lippenrot" nicht. In welcher Hinsicht ästhetisch?

Gerda, ich hab das "kühn" herausgenommen. Obwohl gerade das mir gefallen hat, es hatte gar nichts mit Parodie zu tun, sondern nur mit dem Ungewohnten deinerseits, wie ich annehme. Ich hoffe, jetzt musst du nicht mehr kichern.

lg Caty

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.03.2008, 16:27

Liebe Caty,

der text liest sich mit und ohne kühn gut, finde ich (mich hat das kühn aber nicht gestört). Das "bleichte das Lippenrot" empfinde ich als sinnlichen Verweis motiviert - es drückt - dein Gedicht sagt es natürlich viel weniger platt, als so ein Interpreationssatz - dass den beiden auch die Sinnlichkeit abhanden gekommen ist - was ja eine elementare Seite des "zusammen getrennt zu sein" ist. Ich empfinde den Satz sprachlich aber als zu süß (ich weiß nicht genau, woran das liegt, an dem häufigen Gebrauch der roten Lippen in schlechten Gedichten? an dem romantischem Touch? Kann ich nicht genau sagen, mich wirft es einfach raus, sogar wenn ich wie gesagt abziehe, dass eine gewisse Süßlichkeit sogar von der Komposition her trefflich ist, weil es ja eine Phantasie ist, die sich aus vergangener Tatsächlichkeit (aus Eindrücken) speist - da landen Menschen oft bei Kondensaten. Nur ist mir die Zeile in dieser Interpreation (was vielleicht nicht mal deine Intention war?) nicht gesichert genug (nicht deutlich genug von der Autorin als reflexiv markiert). So ging es mir jedenfalls beim Lesen.

Liebe grüße,
Lisa
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Caty

Beitragvon Caty » 08.03.2008, 16:36

Aha, das kann ich akzeptieren, Lisa. Habs schon geändert. Zumindest ist das "Süße" raus. Besser?
lg Caty

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Beitragvon Lisa » 08.03.2008, 16:42

Liebe Caty,

hu - nun erschreckst du mich! :-)), das geht mir zu schnell, lass mich den text bloß nicht zerstören. Also: Meines Erachtens kann man aus der neuen Stelle (die natürlich sprachlich "schöner" klingt), schwieriger bis gar nicht die Sinnlichkeit lesen und den Aspekt, den fand ich ja gut?

Wäre der text nicht rhythmisch so genau ausgetüftelt, würde ich die "bleichte-passage", wenn schon eher streichen? Vielleicht ist es aber auch nur das bleichte, was das Lippenrot unlesbar machte? Aber so schnell weiß ich da nichts geeignetes.

Nun hast du mich verwirrt :hut0039: .

Liebe Grüße,
Lisa
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Caty

Beitragvon Caty » 08.03.2008, 16:46

Nun lass ichs erst mal. Wer das Lippenrot noch haben will, soll es sagen. Caty


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