Februarstarre

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 19.02.2008, 16:53

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Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2009, 20:48, insgesamt 3-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 19.02.2008, 23:29

Liebe Monika,

Befindlichkeit im Spiegel jahreszeitlicher Symbolik - das spricht mich sehr an. Ganz besonders die letzten anderthalb Verse gefallen mir in ihrer zaghaft-skeptischen Vorausschau gut:

doch wessen
wird im Herbst die Ernte sein?


Was mir noch nicht ganz eingeht, ist auf der einen Seite das schwarze Eis und auf der anderen das "gläsern", zumal dies ja auch als strophenübergreifendes Enjambement dient. Ich assoziiere es mit Transparenz und Fragilität, was sich aber am Schwarz des Eises bricht.

In der ersten Strophe solltest du noch entweder das Verb in den Plural oder das Subjekt in den Singular ändern. ;-)

Liebe Grüße
Herby

scarlett

Beitragvon scarlett » 20.02.2008, 11:45

Lieber Herby,

dank dir für die Beschäftigung mit meinem Text und die geäußerten Zweifel, was das "gläsern" anbelangt.

Nun ist es ja so, dass dieses Wort auch noch andere Konnotationen aufweist außer durchsichtig/transparent: kalt, starr, helltönend, klirrend, schneidend, scharf, zerbrechlich, trüb, glatt bis hin zu geringwertig.
Auch gibt es ja farbiges Glas und auch schwarzes.

In diese Richtung hatte ich gedacht und durch die Krähen wird das schwarz auch weitergeführt.

Meinst du, dass du es jetzt nachvollziehen kannst oder bleibt es nicht eingängig?

Liebe Grüße,
Monika

Nachtrag:
das Verb bzw. Substantiv der ersten Strophe zu ändern, ja könnte man, muss aber nicht sein, wenn man sich hinter der ersten Verszeile einen Doppelpunkt oder einen Gedankenstrich für das weggelassene "sind" dazudenkt. Vielleicht sollte ich eines von beiden dazu setzen, was meinst du?

Max

Beitragvon Max » 20.02.2008, 21:56

Liebe Monika,

insgesamt habe ich einen sehr positiven Leseeindruck von Deinem letzten Gedicht. Gerade die von herby angesprochenen zeilen gefallen auch mir.

Etwas verwirrt bin ich über die Umbrüche bei

aus buntgefiederten Träumen
klirrt nur vereinzelt noch ein Wort

mir herüber gläsern

schmeckt die Sprachlosigkeit
der Krähen und das Saatgut


(also in der Mitte). Zum einen fehlt mir eigentlich ein "zu", zum anderen sehe ich, dass Du mit dem Umbruch wohl meine Lesegewohnheit irritieren möchtest. Doch wenn sie erst irritiert ist, weiß ich nicht, zu welchem Zweck ...

Vielleicht kannst Du das ja noch aufklären, bitte :-).

Liebe Grüße
Max

Perry

Beitragvon Perry » 21.02.2008, 17:18

Hallo Scarlett,
ein nachdenkliches Gedicht in dem ich Trauer (schwarze Fahnen/ bzw. Flor) aber auch Traumhoffnung (buntgefiedert) lese.
Als Anregung vielleicht statt "klirrt" "zirpt oä.", weil dies laut- und bildnäher am Gefieder wäre. Der "Herbst" im Schlussbild wäre ev. entbehrlich, weil die Ernte meist im Herbst ist. Gern gelesen!
LG
Manfred

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 21.02.2008, 19:49

Liebe Monika,

Irgendetwas ganz Schlimmes hat sich im Kopf des LIs manifestiert. Ein Einbruch scheint widerfahren zu sein, und das in einer Zeit - Februar - wo man auf den Frühling hofft und eher guter Dinge ist.
Das Wort, das herüberklingt ist vermutlich ein Scheußliches. Eines, das stumm macht.

Es gibt gute Saat und vergiftete. Vor Herbst wird das LI nicht wissen, welcher Art sie ist.

Ich lese ein trauriges, erschrockenes Gedicht, die Hoffung lebt nur in den Träumen. Ein wenig.

Sehr gern gelesen!

Lieben Gruß
ELsa

edit: gläsern meint wohl, hinter einer Wand, als Hall, weil es nicht verarbeitet werden kann?
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.02.2008, 09:43

Liebe Kommentatoren.

habt Dank für die Beschäftigung mit meinem Gedicht.
Es scheint, als ob es noch einer gewissen Aufklärung bedürfe, was dann natürlich nicht für das Gedicht spricht.

@ Max:

es klirrt mir herüber - ein Wort; habe ich absichtlich so verwendet, ohne "zu", in Anlehnung an es fliegt mir .. es singt mir ... herüber, vielleicht ungewöhnlich, aber ich denke, das kann man schon machen. Das "zu" stört den Lesefluss, außerdem stünde es so am Anfang der Zeile und das will ich nicht haben - ABER: ich ändere die letzte Verszeile und die abgesetzte noch ein wenig, wobei das allerdings nicht das "zu" betrifft.
Ich möchte das "gläsern" sowohl auf das Wort, das es aus den vormals buntgefiederten Träumen herüberweht bezogen wissen, als auch auf die Sprachlosikeit der Krähen, deshalb diese Stellung.

@ Perry:

mit der Ernte im Herbst hast du prinzipiell nicht unrecht, d h Herbst wäre somit entbehrlich. Darüber muss ich noch nachdenken.
Das "klirrt" wird aber bleiben, weil es zwar aus dem Buntgefiedert kommt sich aber jetzt an der Starre, am Eis bricht.
Danke für das "gern gelesen".

@ Elsa:

mit dem schlimmen Einbruch hast du recht, etwas ist vorgefallen, das die Gedanken (die Fahnen) des Ich erstarren ließ. Alles, was noch aus dem Davor, aus den buntgefiederten Träumen herüberkommt, bricht sich an diesen eisigen Gedanken.
Ja, es macht stumm, sprachlos - wie die Krähen, die schwarzen Gesellen, die neben dem Saatgut schon warten - wem wird die Ernte gehören?
"gläsern" - kann man so lesen, wie du es tust, Elsa; ich stelle mir darunter etwas Schmerzhaftes, Unwirkliches, Knirschendes, Schneidendes vor ...
Es freut mich, dass es dir gefällt, Elsa.

Mit lieben Grüßen an euch alle,
Monika

Caty

Beitragvon Caty » 27.02.2008, 09:30

Ein schmerzhaft-schönes Gedicht, Scarlett. Unersättlich aber, wie ich bin, wünschte ich mir ein Gran des Anlasses für so viel Schmerz. lg Caty

scarlett

Beitragvon scarlett » 28.02.2008, 10:48

Liebe Caty,

... ein "Mehr" kann ich / will ich in diesem Fall nicht bieten. Es läßt doch so, wie es dasteht, viel Spielraum zu, da will ich die Phantasie, die Assozitionskraft des Lesers nicht einengen.

Aber: ich hätte da noch eine ganz andere Frage.

Was hieltest du (oder auch andere) von folgender Struktur?

Die Fahnen in meinem Kopf:
erstarrt zu schwarzem Eis

aus buntgefiederten Träumen
klirrt nur vereinzelt mir

ein Wort herüber gläsern

schmeckt die Sprachlosigkeit
der Krähen Saatgut liegt

bereit doch wessen wird
im Herbst die Ernte sein?

Solltest du nochmal drüberschauen wollen, wär ich dankbar.

Liebe Grüße,
scarlett

Caty

Beitragvon Caty » 28.02.2008, 11:42

Liebe Scarlett, ich würde noch streichen: "nur vereinzelt mir", sodass es dann also hieße: "aus buntgefiederten Träumen klirrt ein Wort herüber". Du willst das Stocken des "Gesprächs" ausdrücken. Wenn es mein Gedicht wäre, würde ich so schreiben: "aus buntgefiederten Träumen klirrt ein Wort herüber, eines nur, dann und wann". Aber das wäre meine Schreibe. Das eingefügte "nur vereinzelt mir" macht nicht so recht deutlich, dass das "Gespräch" tröpfelt, wenn du es als Epiphrase anfügst, verstärkst du die Aussage.

Ich würde das "gläsern" aus derselben Zeile mit "schmeckt die Sprachlosigkeit" doch eher in einer Verszeile sehen. So richtig überzeugt mich der Zeilenbruch an diesem Gedicht nämlich nicht.

(Ich habe hier wieder sämtliche Gebote übertreten, huch, ich hoffe, du fühlst dich nicht geschulmeistert).

lg Caty

lg Caty

scarlett

Beitragvon scarlett » 28.02.2008, 12:44

ABer nein doch, Caty, ich habe ja ausdrücklich darum gebeten.
Schön, dass du dich noch einmal geäußert hast.
Ich werde jetzt noch eine Weile darüber nachdenken und dann entscheiden.

scarlett


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