Warum mein Kopf raucht ...

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Max

Beitragvon Max » 03.02.2008, 13:40

Ein kleiner Versuch


Wovon mir der Kopf raucht


Ja, es ist wahr, ich bin Raucher – genauer: Neuraucher. Ich rauche exakt seit dem 1.1. 2008, es war mein Vorsatz für das neue Jahr. Nicht, dass mir Zigaretten nun einzigartig schmeckten, ich vertrage sie noch nicht einmal sonderlich. Als Gott den Raucher erschuf, hat er gewiss nicht an mich gedacht. Nach jedem Lungenzug quillt mir der Rauch aus allen Körperöffnungen und ich sehe aus wie ein Tabakvulkan. Nein, ich rauche, weil Rauchen für mich „Freiheit“ bedeutet. Nicht die Freiheit sich auf einem Pferd im Monument Valley filmen zu lassen, die sowieso wohl nur Amerikaner richtig fühlen können, sondern die kleine bescheidene Freiheit, einem einfachen Genuss zu frönen – selbst dann, wenn es das Rauchen ist.

„Aber Rauchen schadet Deiner Gesundheit“, höre ich Euch klagend murmeln. Stimmt! Aber immerhin ist es meine Gesundheit. Und wenn Euch meine Gesundheit so bekümmert, wieso sagt dann niemand etwas, wenn ich mir einen fetttriefenden Hamburger zwischen die Kiemen schiebe oder eine halbe Flasche Whiskey trinke. Warum dürfen Menschen Bungee-Jumping machen oder auf Motorräder steigen, die 300 Kilometer in der Stunde fahren? Ist das nicht auch gefährlich?

„Aber denk doch mal ans Passivrauchen“, jammert Ihr wieder, „denk doch mal daran!“ Und wieder habt ihr Recht. Ja, Passivrauchen kann anderen schaden, besonders, wenn ich zwei Packungen am Tag rauche und jemandem den Rauch direkt in die Lungen blase. Aber kann es anderen nicht auch schaden, Atomtransporte durch das Land und Schwerlaster durch Innenstädte zu fahren? Hat jemand deshalb schon einen Schwerlaster mit der Aufschrift „Ein Zusammenstoß mit diesem Fahrzeug macht impotent“ gesehen? Warnen wir, dass uns der Innenminister dieses Landes unserer Freiheit beraubt und müsste nicht konsequenterweise George W. Bush ein Tattoo tragen: „Vorsicht, dieser Präsident gefährdet ihre Gesundheit“?

Bush, genau! Er ist das richtige Stichwort. Haben wir nicht bei den Amerikanern gesehen, wie man einen Raucher richtig verfolgt? Aber wir könnten noch sehr viel mehr lernen. Aus Chicago beispielsweise hört man, dass die Leitung einer Isolierplattenfabrik schon 1987 beschlossen hat, ihren Arbeitern das Rauchen nicht nur im Betrieb, sondern auch in den eigenen vier Wänden zu verbieten. Wenn ein Lungentest positiv ausgeht, sollen rückfällige Sünder entlassen werden. Die Herstellung ihres Produktes, so begründet die Firma ihr Vorgehen, sei sowieso schon gesundheitsschädlich.

Aber möchten wir wirklich unsere Kultur von einem Land beeinflussen lassen, das sich auf eine Gruppe Puritaner beruft, die aus England rausgeflogen sind, weil die Einwohner ihnen zu genusssüchtig waren (wohlgemerkt, wir reden nicht von Frankreich oder Italien, sondern von England, wo man noch heute zu Nudeln Pommes frites serviert)? Einem Land, das so prüde ist, dass man in Georgia Schaufensterpuppen nur hinter Vorhängen entkleiden darf, einem Land, in dem man glaubte nicht nur die sexuelle Belästigung von Mülleimern, sondern auch den Sex mit Stachelschweinen verbieten zu müssen, und wo in 22 Bundesstaaten das Küssen der Brüste der Frau und Oralsex unter Ehepartnern unter Strafe steht. Ja rauchst Du noch, oder bläst Du schon?

Nein, denke ich, Rauchen war doch auch immer ein Zeichen von Kultur. Es gab Rauchsalons und Raucherclubs, in denen man Menschen von Geist traf. Sie waren die Orte für gute Gespräche. Und schon die Indianer beendeten ihre Friedensverhandlungen mit dem gemeinsamen Genuss einer Pfeife. Ich zweifle daran, dass der Austausch von Nikotinpflastern zwischen George W. Bush und Osama Bin Laden einen ähnlichen Erfolg hätte.

Ja, ich bin Raucher, ich rauche für einen guten Zweck! Und wer mir das verbieten will, dem huste ich einen.
Zuletzt geändert von Max am 03.02.2008, 18:02, insgesamt 1-mal geändert.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.02.2008, 16:39

Hallo Max!

Erheiternde Lektüre, die aber noch einige Momente Aufmerksamkeit bräuchte - von "dem huste ich ihm einen" der Schlusszeile über das "dass uns unserer Freiheit beraubt" bis hin zur Wahl des Herrn Bush - entweder er wird als Kandidat zum Präsidenten gewählt oder als Präsident wiedergewählt. Als Präsident kann er nur zu etwas präsidentverschiedenem gewählt werden, was du aber nicht gemeint haben dürftest ;-) Die Gegend um die "sexuelle Belästigung von Mülleimern" könnte ein paar Satzzeichen mehr gebrauchen, und auch sonst fehlen davon ein paar. Aber egal, am Ende wäre das noch dem Schwung deines gelungenen Textes abträglich :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.02.2008, 17:32

Hi Max,

da sind ein paar köstliche Schmankerl drin, über die ich herzhaft lachen musste, allein die Idee, als Vorsatz für das neue Jahr das Rauchen zu wählen. *kicher* Auch diese hier:
Hat jemand deshalb schon einen Schwerlaster mit der Aufschrift „Ein Zusammenstoß mit diesem Fahrzeug macht impotent“ gesehen? Warnen wir, dass uns unserer Freiheit beraubt und müsste nicht konsequenterweise George W. Bush ein Tattoo tragen: „Vorsicht, die Wahl dieses Präsidenten gefährdet ihre Gesundheit“?

oder
sondern von England, wo man noch heute zu Nudeln Pommes frites serviert)? Einem Land, das so prüde ist, dass man in Georgia Schaufensterpuppen nur hinter Vorhängen entkleiden darf, einem Land, in dem man glaubte nicht nur die sexuelle Belästigung von Mülleimern sondern auch den Sex mit Stachelschweinen verbieten zu müssen

oder
Ich zweifle daran, dass der Austausch von Nikotinpflastern zwischen George W. Bush und Osama Bin Laden einen ähnlichen Erfolg hätte.
Ja, ich bin Raucher, ich rauche für einen guten Zweck! Und wer mir das verbieten will, dem huste ich ihm einen.

Köstlich!
Ein bisschen Feinschliff wäre jedoch vonnöten (s. Anmerkungen von Ferdi)
Schmunzelnd gelesen!
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 03.02.2008, 17:51

Lieber Ferdi,

herzlichen Dank für die Lektüre, ich werde mich mal dran machen ... Korrektur lesen ist nicht meine starke Seite, ich lese prinzipiell immer nur das, was ich denke, was da stehen sollte.
Mit dem Präsidenten hast Du natürlich ganz recht, das ist mir entgangen.

Danke fürs Lesen.

Liebe Mucki,

auch Dir ein herzliches Danke und schön, dass es Dir gefallen hat, an den Feinschliff mache ich mich gleich einmal.

Liebe Grüße
Max

Max

Beitragvon Max » 03.02.2008, 18:03

So, ich habe mal die Anmerkungen Ferdis und die fehlenden Satzzeichen, die ich gefunden habe, eingebaut.

Lieben Dank,
Max

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Beitragvon Pjotr » 03.02.2008, 20:29

Hallo Max,

den Schlussteil mit den Nikotinpflastern finde ich höchst originell. Warum? Anders als der übrige Text, argumentiert der Schlussteil ... wie soll ich sagen ... "positiv". Hier wird der Vorteil gezeigt. Im übrigen Text hingegen werden nur die Nachteile mittels Vergleich mit anderen Nachteilen gerechtfertigt (Otto Waalkes: "Meine Maschine raucht doch auch!"). Lustig finde ich den Text so ziemlich überall, aber in jenem Schlussteil wird er für mich erst richtig intelligent und über dem Ausrede-Klischee stehend.


Cheers

Pjotr

Max

Beitragvon Max » 03.02.2008, 21:13

Hey Pjotr,

merci. Ich gebe zu, dass ich über die Nikotinpflaster selbst grinsen musste.

Die Ausrede habe ich übrigens nichtt nötig, die Tatsache, dass ich Neuraucher bin ist erstunken und erlogen.

Danke für das Feedback.

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon Pjotr » 03.02.2008, 22:19

Hi Max,

das hatte ich auch so, als totale Übertreibung, verstanden und nicht ernst genommen. Ich fasse den Text als Satire im Jammerei-Genre auf. Besonders originell finde ich eben die Überspitzung der positiven Denkrichtung (Friedenspfeifen sind besser als Friedensnikotinpflaster) als die Überspitzung der negativen Denkrichtung (MacDonalds ist ja auch ungesund). Die positive Logik kommt bei mir viel grotesker an als die negative, und deshalb ist sie für mich auch witziger. Je grotesker desto witziger. Vielleicht liegt das auch am Überraschungseffekt des Neuen (Friedensnikotinpflaster [positiv] ist eine neuere Ausrede als MacDonalds [negativ]).

(Die konkreten Beispiele sind nur Beispiele.)


Ahoi ahoi

Pjotr

Maija

Beitragvon Maija » 16.02.2008, 17:35

Hallo Max,

Hat Spaß gemacht, diesen text zu lesen und ich musste des öfteren schmunzeln. (z.B. Anfang des Jahres ein Raucher zu werden) Gute Idee! (Ich dachte dir raucht der Kopf vor lauter Geist :mrgreen: und nicht vom Qualm)
Nicht die Jammerei stinkt bis zum Himmel, sondern diese vielen Verbote und das hast du ganz ordentlich rübergebracht. (So als Stochasthmatiker ;-))

Gruß, Maija

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 16.02.2008, 22:00

Hi Max,

zum Moppern habe ich nichts mehr gefunden, da waren die anderen schneller als ich.

So bleibt mir nur zu sagen, dass ich den Text sehr genossen habe. Du hast dem Zeitgeist ordentlich was gehustet.

Schönen Abend

Jürgen

Herby

Beitragvon Herby » 16.02.2008, 22:41

Hallo Max,

inhaltlich treffend, stilistisch sicher und ohne in das eine oder andere Extrem zu kippen sowie sprachlich flüssig geschrieben - in dieser Mischung gefällt mir deine Glosse (?) außerordentlich gut.

Mit großem Vergnügen gelesen!

Rauchende Grüße
Herby

Max

Beitragvon Max » 17.02.2008, 22:28

Liebe Maija, lieber Jürgen, lieber herby,

herzlichen Dank, dass Ihr Eucg des Textleins angenommen habt. Vielleicht schreibe ja noch mal eine Glosse gegen das Rauchen ... als multiple Persönlichkeit gelingt mir das leicht ;-)

Euer Lob freut mich sehr.

Liebe Grüße
Max

Herby

Beitragvon Herby » 18.02.2008, 00:18

PS: was ich vergaß zu fragen, oh Max:

Wie soll ich eigentlich den Übertitel verstehen: "Ein kleiner Versuch"?

Für mich ist es weder das eine noch das andere.

Liebe Grüße in die neue Woche
Herby

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.02.2008, 08:09

Lieber Max,

gar köstlich gedacht und geschrieben!

Liebe Paffergrüße,
Elsa
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