Verweigert

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.02.2008, 11:20

Dieser Text steht auch im Monatsthema/Drehbuchprojekt "versteckte Wunden" als eine mögliche Drehbuchsequenz.

Verweigert

Ihr Handy klingelt. Eine sms ihres Mannes. Er wird heute später nach Hause kommen. Sie füllt das letzte Besteck in die Maschine, lehnt sich über den Unterschrank und hangelt nach einem Spültab, als sie auf den Küchenfliesen ausrutscht. Vergeblich versucht sie, an der Tischkante Halt zu finden, fällt auf die offene Spülmaschine. Ein brennender Schmerz jagt durch ihren Körper. In die rechte Armbeuge hat sich ein Messer gebohrt. Reflexartig reißt sie den Arm nach oben. Es spritzt aus der Wunde. 'Es muss eine Arterie erwischt haben' denkt sie, greift zum nächstbesten Küchentuch, drückt es fest auf die Einstichstelle und lässt sich auf den Boden gleiten. Sie spürt das Pumpen unter dem Stoff.
Eine Weile sitzt sie regungslos da. Notarzt rufen? Sie kauert unverändert auf den Fliesen, lehnt ihren Kopf an. Ihre Augen blicken ins Leere. Ein müder Glanz überzieht sie. Ihr Herz schlägt ruhig. Sie wirft das Tuch zur Seite, schließt die Augen, fühlt, wie ihre Kleidung durchtränkt wird.
Als sie hört, wie sich der Schlüssel in der Haustür dreht, schlägt sie ihren Kopf gegen die Wand und legt den roten Stoff erneut in die Armbeuge.
© Gabriella Marten Cortes
13.02.2008


"Spülstein" durch "Spültab" ersetzt
und
"In die rechte Armbeuge hat sich ein Messer gebohrt." Satz umgedreht.
Zuletzt geändert von Mucki am 16.02.2008, 00:25, insgesamt 1-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 16.02.2008, 18:04

Liebe Mucki,

der Text hat das Potential, etwas ausgeweitet zu werden, ja. Sie könnte sich erschrecken, genau, denn ihre Nerven sind eh nicht die besten, hm?

Lieben Gruß
Elsie
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 16.02.2008, 18:54

Liebe Mucki,

Wie es nunmal so ist, geht man als Autor meist von den eigenen Räumlichkeiten aus.


Man sollt als Autor davon ausgehen, dass diese dem Leser so beschrieben werden müssen, dass er keinen Zweifel am Handlungsablauf bekommt.
Es geht ja nicht nur mir so, und die Bilder geben keinen besseren Aufschluss.
Ich weiß auch gar nicht was ich dazu sagen soll, dass du im Grunde den Leser in deine Privatsphäre als Autorin einbeziehst.
Da denkt man natürlich ganz schnell, aha Mucki erzählt 1:1 aus dem Leben und die literarische Betrachtung wird damit nicht gefördert. Ich zumindest bin dann ziemlich gehemmt und kann kaum noch ernsthaft über einen solche Text debattieren.
Mich interessiert nicht, ob du deine Küche oder eine imaginäre als Ort des Geschehens wählst, mich interessiert nur, dass es schlüssig bei mir ankommt.

sie das Tuch aber wieder in die Armbeuge legt, als sie den Schlüssel hört, wird doch klar, was sie verbirgt, oder? Ich habe bewusst keine emotionalen, überdramatischen Worte benutzt, das Wort Blut z.B. nicht erwähnt, weil doch klar ist, was da passiert.


Mir ist gar nichts klar, denn ich suche etwas hinter der vordergründig erzählten Unfall-Episode.
Dass die Protagonisten aus dem Leben scheiden und den Zufall nutzen will, finde ich dürftig, ich nehme deiner Figur das so nicht ab, nicht in dieser Erzählart (die Tatsache, als solche– und dass sie es dann doch nicht tut ginge sicher) …

Sollte es sich um einen als Unfall getarnten Suizidversuch handeln, müsste der Ablauf tatsächlich anders aufgebaut sein – oder ich bin zu dumm.

Hätte ich alles ganz deutlich und "blutrünstig" geschrieben, wären garantiert Kommentare gekommen wie: Viel zu dramatisch, etc. ...


Ich glaube, du verstehst nicht worauf es mir, als Leserin ankommt. ich habe nichts davon geschrieben, dass ich Blut sehen möchte.
Du brauchst nicht beleidigt tun.

Auch habe ich auschließlich Anforderungen an deinen Text gestellt und nicht allgemein an Szenen-Texte, die vielleicht zum Drehbuch taugen oder empfindest du deinen Text nicht als skuril?

Ich habe mich inzwischen bestimmt 2 Stunden mit deinem Text beschäftigt, ich kann dir keinen weiteren Hinweise mehr geben.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.02.2008, 19:46

der Text hat das Potential, etwas ausgeweitet zu werden, ja.

wobei hier die Frage ist, Elsie, ob ich nun doch emotionaler aus Sicht der Protag schreiben soll. Das ist nämlich die Crux für mich an der Geschichte.


Man sollt als Autor davon ausgehen, dass diese dem Leser so beschrieben werden müssen, dass er keinen Zweifel am Handlungsablauf bekommt.

Diese Zweifel hatte ich nicht, Gerda, da mir meine Küche als die normalste der Welt vorkommt.
Da denkt man natürlich ganz schnell, aha Mucki erzählt 1:1 aus dem Leben und die literarische Betrachtung wird damit nicht gefördert. Ich zumindest bin dann ziemlich gehemmt und kann kaum noch ernsthaft über einen solche Text debattieren.

Ich stelle keine autobiografischen Texte mehr in dieses Forum ein, Gerda. Und dies ist mit Sicherheit keiner.
Mir ist gar nichts klar, denn ich suche etwas hinter der vordergründig erzählten Unfall-Episode.

Also für dich wieder, wie nanntest du es neulich zu meinem Text "Was bleibt" nichts als "leere Worthülsen"?
Ich glaube, du verstehst nicht worauf es mir, als Leserin ankommt. ich habe nichts davon geschrieben, dass ich Blut sehen möchte.
Du brauchst nicht beleidigt tun.

Ich bin nicht beleidigt, Gerda. Aber es ärgert mich, dass du mir, und das nicht zum ersten Mal, Betroffenheitslyrik (oder Prosa) unterstellst. Das kann ich nicht ab.
Ich habe die Bilder nicht eingestellt, um meine Küche zu zeigen, sondern um herauszufinden, ob es tatsächlich nicht so geht, wie ich es geschrieben habe. Ein praktische Übung sozusagen.
Ich empfinde den Text nicht als skuril.
Wenn du Hemmungen hast, dich zu meinen Texten zu äußern, dann lass es bitte auch.
Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.02.2008, 20:03

Ich habe das 2. Foto entfernt, sonst kommen noch andere auf Gedanken wie Gerda, es könnte autobiografisch sein :eek:
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 16.02.2008, 20:07

Mucki hat geschrieben:
der Text hat das Potential, etwas ausgeweitet zu werden, ja.

wobei hier die Frage ist, Elsie, ob ich nun doch emotionaler aus Sicht der Protag schreiben soll. Das ist nämlich die Crux für mich an der Geschichte.


Naja, so eine Geschichte, die sich zumindest ansatzweise mit dem Ausbluten befasst, braucht mM Nähe.

Lieben Gruß
Elsie
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.02.2008, 20:49

ok, danke dir Elsie,
ich werde den Text jetzt wirklich erst mal ruhen lassen und mich zu einem anderen Zeitpunkt nochmals dran machen. Hat ja keine Eile.
Saludos
Mucki

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 23.02.2008, 14:47

Liebe Mucki,

auch wenn du den Text nun eine Weile ruhen lassen wolltest, so möchte ich dir doch nur ganz kurz mitteilen, dass ich keine Probleme mit deiner Küchensituation hatte beim lesen. Alles war nachvollziehbar. Auch die Gefühlswelt der Protagonistin war keine Unvorstellbare....warum sie es hinnimmt evtl. zu verbluten, es sogar darauf anlegt, kann ja jeder anders interpretieren, denn ich denke, dass es darum ja nicht hauptsächlich geht.
Für mich ging es dabei darum, dass sich jemand, sei es nun aus Nachlässigkeit, oder doch aus Kalkül, gefährlich verletzt - jeder 'normale' Mensch würde nun sofort versuchen die Blutung zu stoppen und gleichsam den Notarzt zu rufen. Die Protagonistin hatte aber schon vorher, bestimmt mehrere Male darüber nachgedacht, nie den 'Mut' gehabt. Und auf ein Mal bietet sich hier eine Gelegenheit. Ein tatsächlicher Unfall, der ihr, selbst bei extrem schlimmen Ausgang, sprich Tod, nicht die seelische Labilität bescheinigt, sondern sie wie ein Opfer aussehen lässt und so die Absicht als Täterin nimmt. Mit genügend Zeit wäre diese Sache aufgegangen - ohne Frage.
Als nun aber ihr Mann nach Hause kommt, kann sie nicht mehr einfach alles so geschehen lassen. Er hätte sie als Täterin entlarvt. Was bleibt ihr also anderes übrig, als das Tuch zu schnappen und das Opfer zu spielen?

Absolut gelungen für mich.

lg
Rebekka

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.02.2008, 14:55

Hi Rebekka,

du triffst meine Intention punktgenau! *freu*
Da hier jedoch soviel Widerspruch kam in Bezug auf die Umstände/Glaubhaftigkeit des Stürzens, überlege ich, das anders zu gestalten. (Z.B. Kreislaufprobleme oder so etwas). Auch werde ich dieses "Notarzt rufen?" rausnehmen und die Protag die Notrufnummer in ihr Handy eintippen lassen. Sie wird jedoch auflegen, bevor jemand drangeht. Ich bin jedoch noch nicht soweit. Sobald es eine neue Fassung gibt, melde ich mich.
Danke für dein Feedback,-)
Saludos
Mucki

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noel
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Beitragvon noel » 09.07.2009, 17:20

fein, dass du den link gesetzt hast.
tolle geschichte!
verweigert, oder versteckt? frage ich mich *grins
meine phantasie scheint purzel
_bäume zu schlagen (kann man bäume schlagen), aber
ich konnte mich einfühlen...
einzig mit dem spülstein... hätte auch ich probs gehabt.
so alt bin ich also, dass ich es als becken kenne :)
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 09.07.2009, 20:14

Hallo Gabriella,
oh, ich erinnere mich! Ein starkes Stück Text, das ich schon fast vergessen hatte, und dem Schnäppchen in der Tat verwandt. Mal sehen, was ich davon lernen kann.
Liebe Grüße
Merlin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.07.2009, 21:03

Hallo noel und Merlin,

danke euch. ,-)
Ich hatte diesen Text schon total vergessen, aber Merlins "Schnäppchen" hat mich hieran erinnert. noel, verweigert trifft es m.E. besser als "versteckt", da hier ja zweimal etwas verweigert wird.
Merlin, ob du hiervon etwas lernen kannst, weiß ich nicht. Du siehst ja an den Kommentaren, wie umstritten dieser Text war. Ich hatte den Link nur gesetzt, da das Thema das gleiche ist wie in deinem Schnäppchen, nur wird hier etwas mehr aus der Perpektive der Protag geschrieben.

Saludos
Mucki


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