Spiegelei

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 08:28

Vernunft ist, das Verstandene zu verstehen.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 09:03

Oder so:

Reflektion ist, das Verstandene zu verstehen.
Reflektion ist, das Verstehen des Verstandenen zu verstehen.
Reflektion ist, das Verstehen des Verstehens Verstandenens zu verstehen.
Reflektion ist, das Verstehen des Verstehens von Verstandenem zu verstehen.
Hoppela.
Reflektion ist, nochmal von vorne anzufangen.

Nicole

Beitragvon Nicole » 11.02.2008, 09:05

Hi Pjotr,

ich gestehe, ich verstehe gerade nicht, worauf Du mit den Text hinaus möchtest?!?!?
Die einig nicht eßbare Assoziation, die ich bei einem Spiegelei habe, ist die eines "Spiegel-Eier-Bauches" Der hat aber weniger mit Vernunft zu tun..... :-)

Machst Du mich schlau?

Nicole

Nicole

Beitragvon Nicole » 11.02.2008, 09:07

O,k, Dein Nachsatz macht mir den Inhalt des Textes ein wenig klarer.... Aber was spielt das Spiegelei für eine Rolle?!?!?

Nicole

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 09:31

Haudi Nicole,

das Spiegelei soll neugierig machen, die Spiegelei ist aber das eigentliche Thema, also das Spiegeln von verstandenen Sinneserfahrungen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Das hier soll eine kleine Auseinandersetzung sein mit der Epistemologie (Erkenntnistheorie), besonders mit der Frage, was der Unterschied ist zwischen Verstand und Vernunft, und ob das womöglich letztendlich das selbe ist.


Ahoi

Pjotr


Edit: Wobei im Grund das Spiegelei als Bild auch gut passt: das Gelb in der Mitte ist die Erfahrung, der weiße Rand ist die Vernunft, die über das Gelb ein rationales Urteil fällt. Noch besser wäre eine Zwiebel: jede weitere Schale ist ein Urteil über eine darunterliegende Schale: unendliche Reflektion. Man spricht über die Sprache, und in diesem Moment spreche ich über den Satz "Man spricht über die Sprache". Und so weiter ... Vernunft ist keine letzte Instanz. Vernunft fließt. Jedes Urteil ist nur vorläufig.

Nicole

Beitragvon Nicole » 11.02.2008, 09:59

O.k, es wird Licht - die Spielgelei / Spiegelung ....danke! :-)

Wobei ich Vernunft eher über das Verstehen von Emotionen definieren würde... Verstand ist (für mich) rein rational, Vernunft beinhaltet den Lerneffekt (das Verstehen) von Emotionen, deren Triggern und Folgen.

Nicole

Klara
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Beitragvon Klara » 11.02.2008, 10:03

Hallo Pjotr,

Reflexion ist ja etwas völlig anders als Vernunft!

Wenn du einen Prozess definieren willst, darfst du (mein ich) nicht den Begriff "Vernunft" verwenden, denn das wäre, so wie ich es verstehe, ein normativer, statischer Begriff.

"Reflexion" hingegen entstammt ja sogar einem Verb, hat das Handelnde noch in sich, ist beweglich, bedeutet Nachdenken, lässt Spiegel-Assoziationen zu.

Oder du schriebest:

"Verstehen bedeutet, das Verstandene zu verstehen."

Ein Immer-Weitergehen?

Grüße
Klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.02.2008, 10:35

Pjotr,
wie wäre das:

Vernunft ist das Gefühl, das Verstandene verstanden zu haben

?

(hihi)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 11.02.2008, 11:21

Hallo Pjotr!

Es fällt mir schwer, über deinen Aphorismus auf der literarischen Ebene nachzudenken. Ist hier gestaltet worden?! Aber die äußerste Schlichtheit mag natürlich der Gattung geschuldet sein ;-) Das gesagte jedenfalls erscheint mir sagebswert.


Ferdigruß!

PS Hat von mir unbemerkt die neue deutsche Rechtschreibung wieder zugeschlagen, oder hast du dich bei "Reflektion" vertan? Früher hieß das immer "Reflexion".... -F.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.02.2008, 14:01

Hi Pjotr,

zwischen Vernunft und Reflexion (Reflektion gibt es nicht, reflektieren schon) sehe ich einen Unterschied. Reflexion ist eruierendes Nachdenken. Vernunft ist die Fähigkeit des Geistes, Zusammenhänge und ihre Bedeutung zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Deshalb fände ich es logischer, wenn du deinen Satz verlängerst:

Vernunft ist, das Verstandene zu verstehen und danach zu handeln.

Was meinst du?
Saludos
Mucki

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 15:05

Ich weigere mich, "Reflektion" mit "x" zu schreiben. Ich habe ja auch keine Erexion in dieser Sexion während der Lexion. Huch, mein Xunge.


Haudie.

Also, wir scheinen den Vernunftsbegriff teilweise unterschiedlich zu definieren.

Nicole schlägt vor, die Vernunft sei das Verstehen von Emotionen.

Klara schlägt vor, Vernunft sei keine Reflektion.

Lisa schlägt vor, Vernunft sei das Gefühl, das Verstandene verstanden zu haben.

Ferdi ist mein Aphorismus zu schlicht gestaltet, scheint zumindest aber meiner gesagten Definition zuzustimmen.

(Ja, es ist hier gestaltet worden. Die obigen sechs Wörter sind das Destillat einer 40-minütigen Kompression. Die Überschrift ist das Designer-Häubchen.)

Ich benutze den Vernunftsbegriff tendenziell nach, sagen wir, klassisch-aufklärerischer Tradition, also eher gemäß dem kantischen Umfeld, wenn man so will. Das heißt, nicht im Sinn von "Junge, sei doch vernünftig", sondern eher so: "der Mensch (und manches Tier) als vernunftbegabtes Wesen, es reflektiert, es denkt nach über sein eigenes Handeln."

Kurz zur Erkenntnistheorie. Die Kette der Bedingungen hin zu Erkenntnissen stelle ich mir in folgender Reihenfolge vor:

1.
Raum und Zeit und Empfindung
(blau, traurig, fröhlich, salzig, ich, fremd, heiß, laut etc.).
(Nebenbei: Anders als Kant sehe ich die Kategorien Raum und Zeit nicht allein als diejenige Bedingung, Empfindungen zu ermöglichen, sondern sehe umgekehrt ebenso die Empfindungen als Bedingung, Raum und Zeit zu ermöglichen.)

2.
Verstand
(er nennt den braungrünen Fleck "Baum", Empfindungen bekommen Namen, werden aber nicht hinterfragt, zumal Empfindungen unmittelbar und unbeschreiblich sind; blau ist nicht erläuterbar, Bläue muss sich selbst sein, man muss blau erleben, um zu wissen, wofür der Name blau steht).

3.
Vernunft
(sie prüft das bisher verstande, sie vergleicht also Sachen der Vergangenheit, pauschalisiert sie, sortiert aus, fällt Urteile, plant Zukunft).

4.
Vernunft
(sie vergleicht Punkt 3 bis 4).

5.
Vernunft
(sie vergleicht Punkt 3 bis 5).

etc.

Das ähnelt, wenn ich es richtig kapiere, in etwa der Definition von Nicole.

Lisa, ich nehme an, Du benutzt in Deinem Vorschlag das Wort "Gefühl" so wie in "ich habe das Gefühl, der Taschenrechner spinnt", also im Sinn von "Vermutung rationaler Art". Deine Formulierung finde ich gut, sie hebelt die Illusion einer letzten Instanz mit einem Schlag elegant aus.

Klara, ich verstehe leider nicht, warum es wichtig sei, dass Vernunftsakte keine Prozesse, keine Verben sein dürften.

...

Lange Rede, kurzer Aphorismus.


Salve

Pjotr



Mucki hat jetzt auch was geschrieben, werde ich jetzt lesen ...

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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 15:21

Hi Mucki,

in meiner Definition sehe ich ebenfalls das Handeln als eines der Elemente der Vernunft. Handeln heißt für mich Entscheiden, gemäß den beurteilten Vor- und Nachteilen.

Mein literarisches Ziel ist, diese Endlosschleife knapp elegant auf den Punkt zu bekommen. Das Handeln ist ja ebenfalls gefangen in der Endlosschleife: Die Vernunft analysiert auch das bisherige Handeln, also die bisherigen Vernunftsakte. Die Vernunft prüft sich selbst, indem sie neue Instanzen über sich aufbaut. Der Turm wird immer höher, und bleibt dabei doch nur ein kleines Hamsterlaufrad, dessen Sprossen überwiegend nur Vermutungen sind.


Ahoi

Pjotr

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Beitragvon Mucki » 11.02.2008, 15:42

Hi Pjotr,

du siehst also das Handeln in dem Wort "verstehen"? Das ist - aus meiner Sicht - jedoch noch kein Handeln. Auch lese ich aus deinem Aphorismus die Endlosschleife nicht. Hm, schwierig. Vielleicht:

Vernunft ist, das Verstehen des Verstandenen umzusetzen.


oder

Vernunft ist der Versuch, das Verstehen des Verstandenen umzusetzen.

Verzwickt, das Ganze. Aber ich versteh schon, was du aussagen möchtest.
Saludos
Mucki

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Beitragvon Pjotr » 11.02.2008, 15:59

Mucki hat geschrieben:du siehst also das Handeln in dem Wort "verstehen"?

Njet.

Handeln sehe ich als einen von vielen Akten der Vernunft. Weitere Akte der Vernunft sind für mich der Vergleich, die Pauschalisierung, die Diskriminierung, der Plan etc.

Im Verstand sehe ich kein Handeln. Siehe oben unter Punkt 2.


Vielleicht müsste es besser so heißen:

Vernunft ist die Illusion, das vernünftige durchschaut zu haben.

Aber das ist nicht mehr knackig.

Oder auf lateinisch:

Reflection is the illusion of reflections being reflected.

Oder auf griechisch:

Reason is the illusion of reason being reasoned


Ich geb's auf. Ich geh zu meinen Affen ...


Pjotr



Mein Fehler: In meinem allerersten Aphorismus oben habe ich das letzte Wort (verstehen) alltagssprachlich angewandt, während die Wörter davor (Vernunft, verstandenes) als philosophische Fachwörter aufzufassen sein sollen. Blöder Mischmasch. Genaugenommen hätte ich schreiben müssen: Vernunft ist, das verstandene zu vernünfteln und das vernünftelte zu vernünfteln. Übung beendet.


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