Aquarium leckt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 10.02.2008, 10:41

Die Erde leckt


Wasser tropft
aus dem Aquarium
Das Zimmer
ein Binnenmeer

Rettet die Fische!




2. Fassung:

Die Erde leckt


Wasser tropft
aus dem Aquarium
träumt vom Ozean

Rettet die Fische!
Das Zimmer
ein Binnenmeer


1. Fassung:

Aquarium leckt


Wasser tropft
träumt vom Ozean

Rettet die Fische!

Das Zimmer
ein Binnenmeer
Zuletzt geändert von Perry am 12.02.2008, 19:17, insgesamt 2-mal geändert.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 10.02.2008, 12:39

Hi Perry,

Ein Albtraum: ich habe vier Aquarien hier stehen...

Hat aber was, der Text.

Rettet die Fische!

den Satz braucht es meiner Meinung nach nicht unbedingt. Erkenne seinen Sinn jedenfalls nicht. Spannender fände ich auch, wenn das Aquarium nicht gleich im Titel auftaucht, sondern als Pointe am Schluss steht.

Aber wie gesagt, hat was. Ist mal was anderes.

Schönen Sonntag

Jürgen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 10.02.2008, 14:06

Hi Manfred,

ich stimme Jürgen, dem Aquariumfan *g*, hier zu. Der Titel verrät ja schon alles. Da müsste was anderes hin, sonst ist die Pointe futsch. Du könntest, wenn du "Rettet die Fische!" drinlassen möchtest, dies auch an den Schluss setzen und das Aquarium komplett draußen lassen.
Saludos
Mucki

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.02.2008, 14:28

lieber perry,

den von meinen vorkommentatoren angesprochenen punkt finde ich durch streichen von "leckt" einfach und effizient lösbar (dann auch entfall der titelwiederholung im textkörper)

- durch diesen kleinen eingriff würde der text für mein gefühl 'perfekt'.

Perry

Beitragvon Perry » 10.02.2008, 14:32

Hallo ihr Lieben,
ich kann euere Eindrücke durchaus verstehen, doch mein Blickwinkel ist etwas weiter gespannt. Im Kleinen ist es das Aquarium, dessen Leck hier Probleme für Fische und Zimmer bringt. Im Großen bringt manches andere Menschenwerk Verderben für die Umwelt. Die zweite Sicht ist natürlich nur aus den Formulierungen "träumt vom Ozean" und "Rettet die Fische." erahnbar.
Danke und LG
Manfred

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.02.2008, 14:36

Perry hat geschrieben:doch mein Blickwinkel ist etwas weiter gespannt.

????????????????????????????


(nein, ich bin nicht zu doof, um den anklang solcher dimensionen wie der von dir angeführten in diesem text empfinden zu können, perry - und zwar auch ohne "leckt".)

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 10.02.2008, 14:41

Hi Perry,

du meinst - als 2. Ebene - die Verklappung von Abwassern ins Meer oder leckende Öltanker, welche das Meer verpesten und die Fische sterben lassen?
Hm, dann passt das Wort "Aquarium" und das Zimmer als Binnenmeer nicht so recht m.E.
Saludos
Mucki

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 10.02.2008, 14:46

Hallo Perry,

ehrlich gesagt, dachte ich, du sprichst unaufhaltsame Entwicklungen, z. B. im Gefühlsleben an. An Ökologie oder Umweltschutz dachte ich nicht wirklich. Da ist natürlich das leckende Aquarium eh ein schwieriges Bild. Das Wasser will zum Ozean, nutzt das Leck im Aquarium. Rettet die Fische (im Aquarium) ist dann aber im ökologischen Sinn gar nicht nachzuvollziehen.

Schöne Grüße

Jürgen

Perry

Beitragvon Perry » 10.02.2008, 15:16

Hallo aram,
mein Komm war als Antwort zu Jürgen und Mucki gedacht. Dein Komm ist dazwischen gerutscht.
Es liegt mir fern dir irgendwelche Blickwinkel abzusprechen.
Das Aquarium ohne leckt, würde den Focus zu stark auf dieses lenken. Mir geht es aber mehr um den Vorgang des "Leckens."
Freut mich, dass dir der Text ansonsten gefällt.
Danke und LG
Manfred

Hallo Mucki,
ich habe an kein bestimmtes Umweltproblem gedacht, aber mit "leckt" könnte neben einem undichten Öltanker z.B. auch das Abschmelzen der Polkappen interpretiert werden. Einen direkten Zusammenhang zwischen dem örtlichen Wasserschaden und weltweiten Umweltproblemen wollte ich nicht herstellen.
Danke und LG
Manfred

Hallo Jürgen,
es ist mir klar, dass dieser Text nur einen Gedankenanstoß liefert (Aquarium-Ozean-Rettet die Fische etc.). Es ist ein Versuch in Sachen Kurzlyrik.
Danke füs Feedback und LG
Manfred

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.02.2008, 15:35

Das Aquarium ohne leckt, würde den Focus zu stark auf dieses lenken. Mir geht es aber mehr um den Vorgang des "Leckens."


lieber manfred, na gut, wenn du das ernst meinst, dann betitle den text halt "leckt", und lass das "aquarium" raus.
(in anderen worten: ich kann deine position nicht nachvollziehen.)

Perry

Beitragvon Perry » 10.02.2008, 18:50

Hallo aram,
um dem "großen" Bild mehr Raum zu geben, wäre vielleicht als Titel "Die Erde leckt" ein besserer Ansatz. Warum glaubst du ich würde meine Lyrik nicht ernst nehmen. Ich experimentiere, versuche "ins Extreme" zu gehen.
LG
Manfred

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.02.2008, 20:03

lieber manfred,

vermutlich nehmen wir einfach sehr unterschiedlich wahr.

die erstversion des textes finde ich ziemlich gut. mich stört daran einzig - und die beiden anderen bisherigen kommentatoren empfinden das scheinbar ganz ähnlich - dass der titel zu viel auf einmal vorwegnimmt. (technisch unklar ist dabei zudem, wie es gemeint ist, dass du ihn als abgesetzte erste zeile wiederholst - ich gehe aber erstmal davon aus, dass du das in einer druckversion des textes nicht tun würdest)

du reagierst auf dieses einhellige feedback nun etwa so: "ich habe mir als autor aber etwas dabei gedacht, das eurer perspektive scheinbar entgeht" - du unterstellst, dass der kritikpunkt nur auftaucht, weil die rezipienten deine erweiterte perspektive nicht teilen.

eine solche unterstellung ist engstirnig und unterschwellig 'beleidigend' - kein wunder, dass kommentarstrecken unter deinen texten sich dann so entwickeln, wie sie es an anderer stelle getan haben.

du lässt nicht an dich heran, dass die geübte kritik von solcher perspektive ganz unabhängig ist. so ziemlich jeder lyrische text steht für größeres als das explitit bezeichnete - einem kommentator zu unterstellen, er würde das nicht mitkriegen, ist schon ein starkes stück.

zu diesem missverständnis kommt es vielleicht deshalb, weil du meinst, du wüsstest als autor, was genau die erweiterten bezüge sind, die der text anklingen lässt, weil dir ja genau danach der sinn stand beim schreiben. das ist aber unsinn - was sich ein autor bei seinem text alles gedacht hat, ist schnurzpiepegal. und zwar sogar dann, falls ihn seine autorenschaft als einzigen dazu befähigen sollte eine konsistente interpretation der facetten seines textes zu liefern.

(dieses thema ist gar nicht so einfach, man muss dabei auch unterscheiden: verstehen die leser nur nicht, was im text ausgedrückt wird, oder versteht der autor nicht, dass sein text nicht ausdrückt, was er meint?)

- zurück auf die engere und die weitere bedeutungsebene: die engere muss in sich funktionieren und stimmig sein.
es ist ein 'übergriff', gewichtige unstimmigkeiten der engeren ebene mit notwendigkeiten der weiteren ebene rechtfertigen zu wollen.
genau das tust du aber hier ebenso wie bei anderen deiner texte.

nochmal: die 'weitere bedeutungsebene' eines textes ist etwas, das nicht dem autor 'gehört'. was immer er sich denkt, was immer ihn zum konkreten text veranlasst, ist oft (zumindest bei guter lyrik!) auch nur ein kleiner ausschnitt aus dem spektrum größeren bedeutungsraumes.

du hast schon öfter so argumentiert, als läge in den linearen bezügen zwischen dem, was du als autor sagen willst, und den bildern, in die du diese aussage verpackst, die komplette 'rechtfertigung' eines lyrischen textes.
das tut ehrlich gesagt ziemlich weh - es spiegelt ein eingeschränktes, 'schulmeisterliches' verständnis: "was will der autor uns sagen? dieses und jenes, und zwar aufgrund dieser und jener bezüge, aha."

das ist so, als würde sich lyrik dadurch rechtfertigen, dass sie interpretierbar ist. (so wird das in schlechten schulen vermutlich tatsächlich vermittelt - diejenigen, die nicht viel 'spüren', glauben dann um so mehr zu 'verstehen')

lyrik rechtfertigt sich jedoch dadurch, dass resonanz zum text empfunden wird. (die forderung, dass sie auch dem denkenden betrachten standhalten sollte, wird davon nicht berührt)

'dichten' bedeutet, den weg dafür frei zu machen - nicht, hindernisse auszustreuen und sie dann wegzuerklären.

Perry

Beitragvon Perry » 11.02.2008, 07:59

Hallo aram,
danke für deine interessante Erläuterung. Ich nehme an, du hast das als allgemeine Betrachtung gedacht und gehst nicht davon aus mir wäre das völlig unbekannt.
Wir befinden uns nach meinem Verständnis hier in diesem Forum in einem gewissen Zwischenstadium einer lyrischen Textarbeit. Der Verfasser hat einen Text, den er gerne ausprobieren möchte. Er stellt diesen anderen Lyrikschreibern vor, um deren Meinung zu hören und den Text gegenbenfalls zu verbessern.
Jetzt sind wir bei den von dir angeprochenen Reaktionen. Die meisten dieser KollegInnen geben ihre spontanen Eindrücke und auch Anregungen zum Text weiter. Wenn ein Kommentator zum Beispiel schreibt, er verstünde nicht was ich mit dem Text sagen will, dann erläutere ich ihm meine Intention. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ihm unterstelle, er wäre zu blöd meine zu verstehen. Anschließend können wir darüber diskutieren was ggfs. verändert werden müsste, damit meine Intention spürbarer wird.
Einige wenige fühlen sich aus den unterschiedlichsten Gründen aber aufgerufen den Text nach ihrem Lyrikverständnis zu bewerten und alles was diesem nicht entspricht als falsch und schlecht zu bezeichnen. Auch damit habe ich kein Problem, man kent sich ja schließlich. Wenn sich einige aber dabei nicht zurückhalten können neben der sachlichen Textkritik auch noch einige Seitenhiebe in Richtung des Verfassers einflechten zu müssen, dann ist es kein Wunder, wenn er sich wehrt.

Nach diesem Ausflug in die Theorie zurück zum Gedicht.
Ich als Autor will mit dem Text, eine gewisse persönliche Befindlichkeit ausdrücken. Etwas in unserer (Um)Welt ist nicht in Ordnung. Eine persönliche Betrachtung (Ein Aquarium leckt) inspiriert mich, dieses als subjektives Beispiel zu verwenden, um mein allgmeines Unbehagen auszudrücken. Ich gebe den Protagonisten (Wasser) dabei ein Lyrisches Ich (es träumt vom Ozean) es ist also mit seiner Realwelt nicht zufrieden, flüchtet sich deshalb in eine Traumwunschwelt etc.
Ob der Leser nun dieses Unbehagen rausspüren kann, weiß ich als Schreiber natürlich nicht, ich kann es nur erhoffen.
Was glaubst du wieviele Texte wirklich namhafter Autoren ich schon gelesen habe, bei denen ich nicht in der Lage war, dessen Befindlichkeit rauszuspüren. Es ist also mit Sicherheit nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal, dass der Verfasser immer verstanden werden muss. Oft obliegt es den Kritikern, manchmal erst nach seinem Tod, offenzulegen was seine Beweggründe und Stilmittel waren.

Als Quintessenz vielleicht, wir sollten uns alle nicht so wichtig nehmen und versuchen uns nach Möglichkeit "kollegial" zu beraten.
Ich nehme deinen Komm mal in diesem Sinne, auch wenn er mir wegen seiner theoretischen Ausführung nicht wirklich weiterhilft. Mir wäre es lieber gewesen, du hättest meine Intention akzeptiert und mit mir weiter am Text gearbeitet, wie du es anfangs ja auch getan hast.

LG
Manfred

PS:
Eine Wiederholung des Titels als Textzeile war nicht beabsichtigt. Ich schreibe den Titel grundsätzlich nochmal darüber, weil er in der Darstellung sonst nicht zur Geltung kommt.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 11.02.2008, 11:54

Lieber Perry,

also ganz seltsam - als ich den Text noch frei von deiner Intention las, dass er sich tatsächlich auf eine Umweltproblematik bezieht, fand ich ihn klasse und richtig frei, eben ein bisschen surreal, den Titel hätte ich mir zwar etwas weniger direkt gewünscht, aber alles andere saß einfach stilsicher, fein.

Wo ich nun lese, dass du den Text direkt auf ein Umweltproblem bezogen haben möchtest, geht für mich nahezu jeglicher Reiz verloren - ich meine, dann wird es so konkret, dass das Problem entsteht, dass ich dann lieber einen Sachtext über das Problem lese - weil für mich die poetischen Elemente keinen Entfaltungsraum haben.

Mir ist klar, dass du deine Absicht anders kennzeichnest, aber manchmal kommt ja etwas anderes heraus, als man selber will und heißt trotzdem nicht, dass man etwas nicht unmsetzen konnte, wie man wollte - es ist eben nur etwas anderes.

Lese ich den Text "übertragen" ist er für mich frei, lese ich ihn 1: 1 verschwindet der Text für mich, wie ein Chamäleon in der Welt, dass es mit seiner Tarnung übertreibt und in seiner Perfektion eben wirklich zu seinem Hintergrund wird .

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 13 Gäste