verschwommen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Andreas

Beitragvon Andreas » 29.01.2008, 16:49

am liebsten
weine ich
im schwimmbad

es schmeckt
nicht salzig

chlor macht
rote augen

Nicole

Beitragvon Nicole » 29.01.2008, 17:39

Hallo Andreas,

ich mag den Titel, den Du gewählt hast...
Man sieht verschwommen, mit verweinten und auch mit chlorgeplagten Augen, die Realität "weinen" oder "nicht weinen" verschwimmt für den Betrachter.. man könnte auch "sich verschwimmen" im Sinne von "sicher verlaufen" assoziieren...(wobei, selbst in großen Becken relativ schwierig :-) )

Ich mag auch die "Ausreden", "hey, ich hab nicht geheult, das kommt vom Chlor.." bzw "ich weine gar nicht wirkllich, ich schmecke gar kein Salz...".

Trotzdem kann ich mich mit dem Gedicht in seiner Gesamtheit nicht 100% anfreunden. Ich lese es und habe das Gefühl, es ist noch nicht "fertig", noch nicht in seiner richtigen Form.

Mir wiederstrebt die Formulierung "am liebsten weine ich..." Weint wirklich jemand gerne? Ich empfinde es ungefähr so "im Schwimmbad ist es am wenigsten schlecht..."
Und Du drehst meine gefühlte Perspektive. Das LyrIch erzählt in Strophe 1 und 2 von seinen Empfindungen (Gefühl und Geschmack) Du schließt aber dann in Strophe 3 irgendwie allgemein ab. Das paßt für mich noch nicht recht zusammen...

Ich würde hier gerne noch eine (für mich gefühlt) fertige/runde Version lesen,

Gruß, Nicole

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 30.01.2008, 15:08

Hallo Andreas und Nicole,

ich glaube, in dieser Frage von Nicole liegt ein kleiner Knackpunkt-Kern versteckt:

Mir wiederstrebt die Formulierung "am liebsten weine ich..." Weint wirklich jemand gerne? Ich empfinde es ungefähr so "im Schwimmbad ist es am wenigsten schlecht..."

Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die gerne weinen (wenn nicht sogar alle). Das verhält sich ein wenig wie die Vorstellung von Angst zur tatsächlichen Angst, da ist sehr viel Spielraum dazwischen. Und dann gibt es ja auch nochmal die Freude am Weinen, weil es so gegenwärtig macht, dass man allein ist (wie ein Kind allein ist: es muss es nicht möchten, aber es ist gut so) oder das Weinen, was Genuss ist, weil keiner es mitbekommt (hier eben sogar die Anzeichen für das Ich selbst "verschwimmen" in den Wassern, im Chlor). (Oh, erst jetzt sehe ich den Titel bewusst .-)). Es tut gut, in etwas zu sein, wo das Weinen keine Aufälligkeit bildet, als könnte es (wieder) etwas Natürliches, freies sein, weil man sich nicht darum kümmern muss (natürlich ist das nicht alles, was der Text macht, es wird schon auch ironisch.distanzierend gebrochen). (der titel ist ja dann auch nochmal doppeldeutig? @richtung)

Ich glaube, (hoffe .-)), ich habe das noch nie gemacht, hat ja immer was seltsam anpreisendes, aber ich wollte dir Andreas mal zu einem Text von mir verlinken: http://www.blauersalon.net/online-liter ... ight=senza (inzwischen würde ich wohl die letzte Zeile streichen).

Findest du nicht, dass die beiden Texte im Kern ziemlich viel gemeinsam haben? Mir ist schon klar, dass es im Grunde um verschiedene Facetten geht, oder zumindest ist die Geste in meinem einen andere (nämlich den anderen herbeiredend / Fingerzeig), bei dir soielt sich das eher in einem Verhältnis des Ich zu sich selbst aus ("so ist das nun mal"), trotzdem. In diesem Sinne steckt für mich in dem "am liebsten" eine Art Trotz/Bockigkeit, auch druckfreie Ironie.

Was mich (wieder mal .-)) irritiert ist die Setzung. Die Umbrüche scheinen mir sehr abrupt, der Anklang der dadurch entstehenden Doppellesbarkeit vieler Zeilen gefällt mir zudem sprachlich nicht, ist überflüssig, weil hier nicht verständnis-oder bedeutungsfördernd.

"Strophe" 2 und 3 wirken sprachlich auf mich noch etwas profan gegen das feine Thema des Textes, es klingt noch etwas so, als seien dir die Details, an denen du das Verschwimmen erklären willst, noch nicht weit genug von ihrem Einfall, noch nicht vollständig in lyrische/literarische Form gebracht (womit ich nicht gegen eine schlichte Sprache argumentieren möchte, aber es steht eben etwas (!) da, wie eine poetische Liste für die Komposition einer Idee. Ich denke aber, dass das für dich der richtige Ton ist.

Das sind so meine ersten Gedanken.

(Wo ist denn dein avatar?)


Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 30.01.2008, 19:09

Lieber Andreas,

ich kann mir vorstellen, dass jemand "gerne" weint (undd as wird hier streng genommen auch nicht behauptet).
Insgesamt finde ich das ein Gedicht sehr stimmig ist, eben, weil man nach Chlor ähnlich ausschauen kann als weinte man und dass das Gedicht Erstaunliches suggeriert, nämlich dass sich das Weinen auch so vor sich selbst verstecken lässt.

Lisa, an Dein Senza habe ich sofort gedacht!

Liebe Grüße
Max

Niko

Beitragvon Niko » 30.01.2008, 20:07

dem "am liebsten weine ich" stelle ich automatisch ein "wenn ich schon weinen muss" zur seite.
...nur mal so eingeworfen...

lieben gruß: Niko

Max

Beitragvon Max » 30.01.2008, 22:07

dem "am liebsten weine ich" stelle ich automatisch ein "wenn ich schon weinen muss" zur seite.


Lieber Niko,

muss aber nicht sein ...

"Ich esse gern Schnitzel, aber am liebsten esse ich es bei Latschenpaul e.."

Liebe Grüße
Max

Sam

Beitragvon Sam » 31.01.2008, 06:10

Hallo Andreas,

für mich liest sich das wie die Aussage eines Kindes, höchstens eines Teenagers. Bedingt durch den Anfang: "Am liebsten weine ich...

Kinder sind das Weinen ja viel eher "gewohnt", bzw. nehmen es selbstverständlicher hin, als Erwachsene.

Hinzu kommt das Abgehackte des Textes, für mich so eine Mischung aus Trotz und Gschamigkeit (wie man in Bayern so nett sagt).

Würde man einem Haufen acht bis zwölfjährigen Kindern die Frage stellen : Wo weinst du am liebsten?, dann bekäme man bestimmt Antworten zu hören, die genauso klingen, wie dieses Gedicht.


Vielleicht ist dieses Kindliche, Naive so von dir intendiert. Was ich aber nicht glaube. Und so bleibt der Eindruck, zwar einen netten Gedanken, aber nicht wirklich ein Gedicht gelesen zu haben.

Liebe Grüße

Sam

Andreas

Beitragvon Andreas » 11.02.2008, 11:54

Hallo Sam, Max, NJK, Lisa und Nicole,

ich danke euch allen für die wie immer ausführliche Kritik, die man auf dieser Seite erhält. Ich werde sie "mitnehmen" und versuchen, eine gedankliche Aufarbeitung anzustreben. Inwieweit es die Chance hat, sichtbare Früchte zu tragen, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen.

Gleichzeitig ist das hier mein letzter "Auftritt" in einem großartigen Forum über das ich gewiß auch in Zukunft kein schlechtes Wort verlieren werde. Wahre Ambitionen in Sachen Lyrik und Prosa werden hier ein gutes Zuhause finden. Ich für meinen Teil verabschiede mich von euch und danke für die wunderbare Zeit. Zu meinen Gründen möchte ich mich an dieser Stelle nicht äußern, das Team (bzw. einen Teil davon) liess ich sie jedoch wissen.

Das Schreiben werde ich natürlich nicht aufgeben, allerdings nur noch in meinen eigenen, kleinen 4 Wänden auf meinem Blog unter http://www.inbegriff.de , wo ein jeder von euch immer ein gerne gesehener Gast ist.

Alles Gute
Andreas

Nicole

Beitragvon Nicole » 11.02.2008, 12:28

Hi Andreas,

das finde ich sehr bedauerlich....

Dir viele Grüße,

Nicole

Niko

Beitragvon Niko » 11.02.2008, 13:28

ach mensch, andreas..........wieso das denn nun?

ich fänd es gut, nicht ganz im dunkeln zu tappern bezüglich deiner beweggründe.

ich finde es sehr schade, dass du dich so (anscheinend unabänderbar?) entschieden hast.

lieben gruß: Niko

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
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Beitragvon Mucki » 11.02.2008, 14:16

Hallo Andreas,

auch ich finde das sehr schade, zumal wir dich gar nicht richtig kennenlernen konnten, menno. Doch du hast dich offensichtlich entschieden.
Alles Gute für dich!
Saludos
Mucki


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