Zu früher Zeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 25.01.2008, 07:55

Zu früher Zeit


In der ersten Stunde
gehört die Welt mir allein
Die Flur ist das Meer
das Gras die Wogen

Ich segle nach Osten
wo die Röte steigt
lasse den Mond
hinter mir verblassen

Auf einer Anhöhe
gehe ich vor Anker
dort ist mein Hafen
schlägt die letzte Stunde


1. Fassung:

Zu früher Zeit


In der Stunde des Herrn
gehört die Welt mir allein
Die Flur ist das Meer
das Gras die Wogen

Segle nach Osten
wo die Röte steigt
lasse den Mond hinter mir
der schnell verblasst

Auf einer Anhöhe
werfe ich den Anker
dort bin ich ihm nah
liegt mein Hafen
Zuletzt geändert von Perry am 26.01.2008, 17:11, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 25.01.2008, 21:40

Hallo Perry!

Wer ist der Herr, den du hier ansprichst?

Moshe

Perry

Beitragvon Perry » 26.01.2008, 10:40

Hallo Moshe,
die Stunde des Herrn ist hier die Zeit des Tagesanbruchs, kann im Schlussvers auch als die "letzte" Stunde gedeutet werden. Der Herr steht im überwiegend katholischen Bayern für Gottvater, kann aber auch konfessionsneutral gelesen werden.
LG
Perry

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 26.01.2008, 10:44

Lieber Manfred,

wieso ist "die Stunde des Herrn" der Morgen?

Unkundige Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

Perry

Beitragvon Perry » 26.01.2008, 10:57

Hallo Elsa,
natürlich ist dies keine allgemein gültige Zuordnung, sondern im Kontext mit einer meditativen Einstellung zu sehen. Am Morgen ist der Geist noch offen für Gedanken an die Größe der Schöpfung, bevor der Alltag mit seinen vordergründigen Kleinigkeiten wieder überhand nimmt. Es ist eine persönliche Reflexion, ein anderer findet vielleicht am Abend einen besseren Zugang zur geistigen Welt.
Danke für dein Interesse und LG
Manfred

Niko

Beitragvon Niko » 26.01.2008, 11:03

hallo perry!
die gleiche frage, die elsa stellte, stelle ich mir/ dir auch... für mich ist die stunde des herrn vielleicht um 12, wenn die glocken schlagen? da soll man ja immer beten, wenn man streng gläubig ist. mindestens ein ave maria (oder war´s ein "vater unser"?). die stunde des herrn ist für mich auch karfreitag, nachmittags um 15°°. der "offizielle" todesgedenkzeitpunkt. in sofern finde ich, dass die stunde des herrn viel zu nebulös ist. warum umschreibst du stattdessen nicht den aufgehenden tag? (das kann man auch unter einbeziehung religiöser aspekte tun, so man es denn braucht) warum du in strophe 2 das "ich" zu beginn aussparst, weiß ich auch nicht. ich fände es viel schöner zu lesen. es wäre mir metrisch entgegenkommend. ebenso: "das gras die wogen" klingt rhythmisch holprig. FÜR MICH. mir gefiele da mehr beispielsweise "das gras weiche wogen" . "das meer" - nach meinem ganz persönlichen sprachempfinden fände ich "ein meer" schwingender. aber nun.....mein ding, nicht deins. un der letzten zeile vielleicht ein "und" vorne weg? wenn du den religiösen bezug an den anfang setzt, dann fände ich persönlich es gut, wenn du am ende auch diesen religiösen aspekt einfließen lässt. also verschoben von der vorletzten in die letzte zeile. es hat dann so etwas allumschließendes, ein alpha und ein omega quasi. hab noch die beiden letzten zeilen ein klein bischen umgemodelt. und den anfang "stunde des herrn" überlasse ich mal dir:
das ganze sähe dann so aus
Zu früher Zeit


In der Stunde des Herrn
gehört die Welt mir allein
Die Flur ist ein Meer
das Gras weiche Wogen

Ich segle nach Osten
wo die Röte steigt
lasse den Mond hinter mir
der schnell verblasst

Auf einer Anhöhe
werfe ich den Anker
dort liegt mein Hafen
und ich bin ihm nah



lieben gruß: Niko
edit: ich pflichte dir schon bei, das die "stunde des herrn" für jeden einen anderen zeitpunkt haben mag. du könntest es ja verallgemeinern? DAMIT jeder seine persönliche stunde des herrn darin wieder findet? zb: "in göttlichen momenten" "in andächtigen stunden" "die heiligkeit des morgens" - irgendetwas in dieser richtung, könnte ich mir denken.
schlussgrüße nochmal: Niko

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.01.2008, 14:31

Hallo Manfred,

davon mal abgesehen, dass Texte, die stark mit Religion zu tun haben, egal, welche Konfession, nicht so mein Ding sind, (aber das ist natürlich ganz meine eigene Position) enthalten deine Zeilen eine meditative Ruhe, die mir gefällt. Auch lesen sie sich sehr schön. Einzig diese Zeilen fallen für mich aus dem Rhythmus heraus:


der schnell verblasst

liegt mein Hafen


Mir persönlich gefiele es viel besser, wenn du aus deinem Gedicht eine religionslose Meditation machen würdest, die eben über den Dingen steht, aber wie gesagt, ist Geschmackssache.
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 26.01.2008, 16:48

Hallo Niko,
danke für deine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text und die Vorschläge. Über Formulierungsstil und Lesart sollten wir nicht weiter diskutieren, weil wir da nicht die gleiche Sicht haben. Ich werde aber deine Vorschläge durchaus auf mich wirken lassen. Als Beispiel vielleicht "weiche Wogen" würde ich hier nicht verwenden, weil erstens Wogen bereits in der Regel weich enthält und das weich hier auch nicht als sinnverstärkend durch die Lautwiederholung benötigt wird, also ist mir die Verdichtung hier wichtiger als der Klang bzw. das Metrum.
Der religiöse Bezug zum Eingangsbild liegt in der 3. Strophe in der übertragenen Bedeutung des Hafens als Tod. Deine Vorschläge zur Stunde des Herrn sind mir allerdings einen Tick zu religös angehaucht.
LG
Manfred

Hallo Mucki,
ja der meditative Aspekt sollte hier im Vordergrund stehen. Ich werde diesbezüglich noch einmal in mich gehen.
Danke für deine Sicht und LG
Manfred


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