Schwalbengeflüster

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 22.01.2008, 18:00

Schwalbengeflüster

Mutter, Schwalbe
Im Falkenschwarm, Augen, die
Wiesen, weit, zu sehn, den
Trockenen Dunst über Dächern
In der Dämmerung. Du, Mutter
Verschwimmst mir im Rauch jetzt.

Ich, Kind der Schwalbe
Und des Falken. Nie kenn ich mich aus.
Hineingeboren, ungefragt
Zwischen Hitze und Eis, das Eine
Und das Andere, das Schwarze,
das Weiße.

Dein schütteres Weinen.
Als ich dir am Morgen kam, die Zäune
Entlang, flügellahm, am Fenster sah
Dein graues Schwarzhaar. Als ich
An deinem Tische Brot aß, trank
Roten Erdbeerwein, unsere Lieder sang.

Ach Schwalbenmutter.
Verschwimmst mir im Rauch.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 22.01.2008, 21:36

Liebe Caty!

Ein immens guter Text über den Umstand ein Bastard zu sein.

Kräftig, genau und mit aller Tiefe, die das Thema geben kann.

Super!

Moshe

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.01.2008, 13:08

Liebe Caty,

ein unglaublich intensives, berührendes Gedicht, in gewohnt zuverlässig gut funktionierenden Bildern, gekonnt gesetzten Zeilenumbrüchen, verpackt in eine Sprache, die in ihrer bewußt gehaltenen Einfachheit unter die Haut geht.

Ja, wer kennt sich jemals wirklich aus ... ?

Sehr gut!

LG,
scarlett

Caty

Beitragvon Caty » 23.01.2008, 13:19

Da bin ich aber zufrieden, Scarlett, dass du hier nicht auch noch was von Bastard schreibst wie Moshe, der Gute. Ja, ich habe ein bisschen Zeit gebraucht, ehe ich dieses Gedicht auf meine Mutter schreiben konnte. Ich glaube, es wird ihr gerecht. In meiner Erinnerung hatte sie etwas von einer Schwalbe. So bin ich auf die Metapher gekommen. Danke, Scarlett, für das Mitgehen. Caty

Max

Beitragvon Max » 23.01.2008, 20:43

Liebe Caty,

das hat was Hymisches und ja, ich hätte es auch als Muttergedicht gelesen und nicht als den Bericht über einen Bastard :-).

Sehr gut!

Liebe Grüße
Max

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leonie
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Beitragvon leonie » 23.01.2008, 20:53

Ich finde, dass es beides ist, ein Gedicht über die Mutter und eines über das Kind, das in vielerlei Hinsicht zwischen den Welten ist.
Zur Identifikation lädt eher das Kind ein, vielleicht deshalb moshes posting.
Wieder ein starker Text mit Caty-Handschrift. Eindringliche Bilder, die Umbrüche passen, die melnancholische Stimmung. Ganz genau gedichtet ist das, Kompliment!

Liebe Grüße
leonie

Caty

Beitragvon Caty » 24.01.2008, 08:38

Ladies first: Liebe Leonie, lieber Moshe, lieber Max,

das ist richtig, es ist ein Gedicht über eine Beziehung zwischen Mutter und Kind. Dass das Kind als Strophe im Mittelpunkt des Gedichts steht, finde ich nicht wirklich glücklich, machte sich aber nötig, um die folgende Strophe zu erklären. Dadurch hattest du, Moshe, ja auch den Eindruck, es ginge um das Kind. Aber eben nicht nur. Ich wollte ausdrücken, dass es begründete Schwierigkeiten zwischen beiden gab, ist ja nicht so neu in der Beziehung Mutter-Tochter. Vater-Tochter funktioniert oftmals besser. Die Metapher der Taube und des Falken bezieht sich ja auf Charaktere, Bastarde in dem Sinne Taubenfalke oder Falkentaube nimmt ja die Natur nicht an. Du hast recht, Leonie, man identifiziert sich eher mit dem Kind in seiner Zerrissenheit. Das Weiche, das auch mitunter Ausweichende, Inaktive, das Einfach-nur-leben-Wollen der "Schwalbe", erzeugt nicht bei jedem Sympathie, vor allem nicht in unserer Zeit. Auch ich habe das erst ganz lernen müssen, als es zu spät war. Max, ja. Hymnisches ist vielleicht zuviel. Eher ein Gedenken in Schmerz, das Wissen darum, dass bei allen Problemen die Mutter aber immer die Mutter war. So ungefähr habe ich mir das gedacht. Ich danke euch für die Kommentare ganz herzlich. Caty


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