Ruhelos

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 13.12.2007, 10:30

Ruhelos

Nachts lief ich durch Straßen
Ich sah die verhängten Fenster
Und den siebenäugigen Orion.
Die Vögel schliefen in Bäumen und
Regenrinnen mein Atmen weckte sie nicht
Selbst die Büsche falteten das Laub.
Ein verwilderter Hund kam mir
Entgegen wir sprachen von Sternen
Und Menschen Kötergeheimnissen.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.12.2007, 21:19

Liebe Caty!

Erstmal ist es ganz Caty.
Schöne Fragmente in einem Vorgang, Ablauf, aber irgendwie löst sich hier für mich die Überschrift nicht ein.
Dazu hätte ich beliebige Momente einfacher oder komplizierterer Struktur:
Das 'Ruhelos' fehlt mir im Text. Nur daß du liefst des Nachts durch die Strassen....


MlG

Moshe

Caty

Beitragvon Caty » 15.12.2007, 05:53

Moshe, was soll ich dir darauf antworten? Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst. Caty

Gast

Beitragvon Gast » 15.12.2007, 14:45

Liebe Cata,

die Ruhelosigkeit die dieser Text intendiert lese ich schon, allerdings kommt sie nicht an mich heran, berührt mich nicht, denn ich empfinde sie wenig authentisch, zu beschreibend, nicht erlebt.
Zu wohl überlegt, anhand durchdachter Metaphern ausgedrückt, die dann den Eindruck der Ruhelosigkleit schmälern.

Natürlich heißt das jetzt nicht, dass man Ruhelosigkeit nur 1:1 vermitteln kann, aber ich als Leser möchte es so lesen, das ich erfasst werde, das geschieht bei diesem Text nicht.

Möglich, dass auch moshe dieses meint.

Kannst du mir bitte die letzten beiden Verse (Zeilen) erklären.
Ich verstehe die Grammatik und daher den sinn nicht.
Danke im Voraus.

Liebe Grüße
Gerda

Caty

Beitragvon Caty » 15.12.2007, 15:26

Liebe Gerda, da sitzt du wie Moshe einem gängigen Irrtum auf, nämlich dass ein Text selbst ruhelos sein muss, um von der Ruhelosigkeit reden zu können. Der Titel begründet sich darin, dass es spätabends oder nachts ist, wo das LI unterwegs ist, es kann nicht schlafen, es geht durch die menschenleeren Straßen, alle anderen Leute sind zu Hause - das deutet doch sehr auf Ruhelosigkeit hin. Es wird berichtend, im Präteritum erzählt. Etwas anderes wäre es, würde ich diesen Text im Präsens geschrieben haben, dann würde ich deine und Moshes Forderung durchaus berechtigt finden, denn dann passiert es im Augenblick, wo es geschieht (was logischerweise aber gar nicht möglich ist, dies setzte eine Spaltung des LI voraus, deshalb bin ich sehr vorsichtig damit, im Präsens zu schreiben, von den meisten wird dieser Unterschied gar nicht beachtet). Dann hätte ich sicher auch einen anderen Titel gewählt. Es wird erzählt: Einmal war es, dass ich nachts durch die Straßen ging ... Ich erzähle wohlgeordnet, was das LI sah: von den verhängten Fenstern, von den Sternen am klaren Nachthimmel (vom beeindruckenden Orion), selbst die Natur schlief, das alles rückschauend. Zur letzten Zeile: Wovon können Mensch und Hund zu so später Stunde eigentlich reden (setzt man voraus, wie ich es tue, dass sie es überhaupt können)? Na doch von Geheimnissen: Kötergeheimnissen. Ich denk schon, dass ein herrenloser Hund in Zeiten der Hundefänger seine Geheimnisse hat. Aber vielleicht ist der Hund gar kein Hund gewesen, sondern ein armer Hund mit leerer Bierdose in der Hand? Die Doppeldeutigkeit ist beabsichtigt. Ergibt die letzte Zeile mit dieser Erklärung jetzt Sinn, Gerda? Caty

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.12.2007, 17:40

Liebe Caty!

Ein Titel sollte sich im Text einlösen ohne lange Erklärungen.
Dein Text böte diese Möglichkeit.

MlG

Moshe

Caty

Beitragvon Caty » 15.12.2007, 18:12

Im Grunde hast du recht, Moshe. Ein guter Titel ist schon das halbe Gedicht. Es kommt aber darauf an, was mir als Schreiberin wichtig ist, was ich also betont haben will, der Titel ist ja Bestandteil des Gedichts. Ein guter Titel weist auf den Inhalt hin, verrät ihn aber nicht. Es gibt aber auch Titel, die versteht man erst, wenn man das Gedicht gelesen hat, also ein zuzüglicher Aha-Effekt. Wie man an einen Titel herangeht, scheint ein größeres Geheimnis zu sein, eine Erleuchtung, wenn der Titel passt. Manchmal, wenn ich gar nicht weiterweiß, nehme ich einfach den Anfang des Gedichts als Titel. Würde dir denn der Titel "Nachts lief ich durch Straßen" eher zusagen? (Ich meine, es lässt sich alles ändern). "Ruhelos" empfinde ich als sehr treffend, denn dies ist der Anlass für das Erlebnis. Caty

Gast

Beitragvon Gast » 16.12.2007, 02:02

Liebe Caty,

Caty hat geschrieben:nämlich dass ein Text selbst ruhelos sein muss, um von der Ruhelosigkeit reden zu können


nein, das habe ich so nicht geschrieben und auch nicht gemeint.

Ich habe geschrieben, dass ich eine 1:1 Übertragung nicht erwarte, aber von der durchlebten Ruhelosigkeit einen Eindruck bekommen möchte. Der Text bleibt auf Distanz, (Präteritum) erzählt von Vergangenem.

Aber das ist ja nicht schlimm, wenn der Text so genau und nicht anders von dir intendiert ist.

Ach, jetzt hätte ich bald etwas vergessen, danke für deine Ausführungen zum Schluss, aber die letzte Zeile bleibt mir immer noch fremd, weniger inhaltlich, als von der Wortstellung.
Mir fehlt da etwas:
Und Menschen Kötergeheimnissen.

Könnte seine, dass ein "von" vor den Kötergeheimnissen fehlt, oder vielleicht ein Bindestrich?


Liebe Grüße
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 16.12.2007, 02:29

hallo caty!
(@ gerda:ich denke mir hinter menschen einen punkt. oder semicolon. dann finde ich es passend und schlüssig.)
die ruhelosigkeit kommt übrigens gut rüber. zu anfang hat der text noch ruhe: die verse sind in sich abgeschlossen. später greifen sie ineinander. ein gutes mittel um diese rast-und ruhelosigkeit zu verstärken. gefällt mir. so insgesamt.
lieben gruß: Niko

Caty

Beitragvon Caty » 16.12.2007, 05:08

Ein Komma, Gerda, fehlt, es ist eine Aufzählung. Aber bei Aufzählungen mache ich nie ein Komma. Die Zeile würde mit Komma sehr verlieren. Caty

Caty

Beitragvon Caty » 16.12.2007, 05:20

So ist es beabsichtigt, Niko. Caty

Gast

Beitragvon Gast » 16.12.2007, 10:24

Für mich wäre es einleuchtender :idee: zu lesen:

"... wir sprachen von Sternen
Menschen und Kötergeheimnissen"


Liebe Grüße
Gerda


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