merry go round

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.11.2007, 10:11

 


merry go round


ich dachte
doch das war schon zuviel

es geschieht
nie
ist ein unwirklicher wortort
gestern war ich dort zu besuch und habe herzen entsteint

namenlos das du. du. du.
es müssten wohl die worte weihnachtsbeleuchtung tragen
damit man ihn lesen kann

im dunkeln steht die tür zu

festgenagelt ein mistelzweig
dahinter schluckt das pochen
gewunden den wunsch

und immer sind die augen blind vor
oder
nein
das war schon zuviel
ich dachte

man sollte das sein lassen
diese duwartung und ichwartung

gib den herzen ihre steine zurück
ich weiß von etwas, das wunden verschließt


aber wir küssen uns nicht

einmal
mit worten





1. Fassung

merry go round


ich dachte
doch das war schon zuviel

erwartung
es geschieht nie
(nie ist ein unwirklicher wortort
gestern war ich dort zu besuch und habe herzen entsteint)

namenlos das du. du. du.
es müssten wohl die worte
weihnachtsbeleuchtung tragen
damit man ihn lesen kann

im dunkeln steht die tür zu

festgenagelt der mistelzweig
dahinter schluckt das pochen
gewunden den wunsch

und immer sind die augen blind vor
oder
nein
das war schon zuviel
ich dachte

man sollte das sein lassen
diese duwartung und ichwartung
(morgen geb ich den herzen ihre steine zurück
es gibt küsse, die wunden verschließen
aber wir küssen uns nicht
einmal mit worten)



danke aram!
 
Zuletzt geändert von Ylvi am 10.01.2008, 17:31, insgesamt 2-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 30.11.2007, 11:18

liebe smile,

ich finde, das ist ein text, der aufmerksamkeit auf sich zieht und nicht enttäuscht.

(und das, obwohl mir zugleich etwas am text, gefühlt, nicht aufgeht - seltene verbindung)

klar zu lesen. sehr schöne wendungen - ich dachte / doch das war schon zu viel. man sollte das sein lassen / diese duwartung und ichwartung. entsteinen, dann die steine zurückgeben.

manches ist für meinen geschmack zu festgeschrieben, das benannte erwarten, die herzen, das nicht einmal mit worten küssen (küssen 2x), an diesen punkten wird mir der text dann eng - 'meine version', d.h. was ich so lesen kann, dass es sich eher öffnet, ginge etwa:



merry go round


ich dachte
doch das war schon zuviel

es geschieht
nie
ist ein unwirklicher wortort
dort war ich gestern zu besuch und habe früchte entsteint

namenlos das du. du. du.
die worte müssten weihnachtsbeleuchtung tragen
um ihn finden zu können

im dunkeln steht die tür zu

ein festgenagelter mistelzweig
dahinter schluckt ein pochen
gewunden den wunsch

und immer sind die augen blind vor
oder
das war schon zuviel
man sollte das sein lassen

diese duwartung und ichwartung

morgen geb ich den früchten ihre steine zurück
weiß von etwas, das wunden verschließt
aber wir küssen uns nicht

einmal
mit worten



(darf ich so hier schreiben/ umstellen, oder ist das ein übergriff?) umbrüche und absätze sind für mich noch nicht ganz rund

den titel finde ich sehr gut und passend.

danke für den text - er schwingt an bei mir, irgendwo stockt er dann auch, weiß nicht - vielleicht ist es das man - was will man mehr.

(wird mich vielleicht noch beschäftigen, was der text sagt)


liebe grüße

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.12.2007, 13:06

Hallo aram,

(darf ich so hier schreiben/ umstellen, oder ist das ein übergriff?)

nein, ich habe mich sehr gefreut, dass du den Text aufgegriffen und für dich geöffnet hast. Ich habe mir die beiden Versionen ausgedruckt und muss sie noch ein wenig wirken lassen, verändern, schauen, wie es dann für mich stimmt.
Was ich schon sagen kann ist, dass ich auf die Benennung der Herzen nicht verzichten kann. Früchte trifft es für mich nicht.
Aber dein Ende
aram hat geschrieben:weiß von etwas, das wunden verschließt
aber wir küssen uns nicht

einmal
mit worten

würde ich gerne übernehmen auch was die Setzung anbelangt.

Danke für deinen Komm., er wird mich auch noch beschäftigen und hat mir feine Hinweise gegeben, und manches zeigt sich auch für mich erst durch das erneute Betrachten.

liebe Grüße smile

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 02.12.2007, 09:56

Hallo aram,

ich habe hin und herversucht und gehört und eine neue Version festgehalten (losgelassen).

aram hat geschrieben:es geschieht
nie
ist ein unwirklicher wortort
dort war ich gestern zu besuch und habe früchte entsteint

Ich denke durch den Zeilenumbruch kann man das Wort "erwartung" tatsächlich streichen. Von meinen Klammern habe ich mich auch befreit. Bei der letzten Zeile allerdings ist mir aufgefallen, dass meine Version eine erzählerische, weiche, mit höherer Stimmlage (weiblich?) ist, deine einen bestimmenderen, härteren, mit tieferer Stimmlage (männlich?) Klang trägt.
Dies empfinde ich hier genauso:
aram hat geschrieben:die worte müssten weihnachtsbeleuchtung tragen
um ihn finden zu können

Ich hatte da in einer Vorversion auch "finden" stehen, allerdings sehe ich das "lesen" als Hinweis, wie man ihn (den Namen/ den Ort) finden kann.
aram hat geschrieben:ein festgenagelter mistelzweig
dahinter schluckt ein pochen
gewunden den wunsch

Hier dreht sich für mein Lesegefühl nun die Stimmlage um. Hier ist deine Version weicher und meine "festnagelnder", abschließender, härter?
(Vielleicht unbewußt ein Perspektivenwechsel?)
"ein" pochen würde für mich implizieren, dass es nur auf einer Seite pocht.
aram hat geschrieben:und immer sind die augen blind vor
oder
das war schon zuviel
man sollte das sein lassen

hier habe ich lange überlegt. Du streichst das "nein" und das "ich dachte"
Es war hier als Kreis angelegt, der sich schließt siehe Titel. Die letzte Strophe war eine angehaltene Bewegung, ein Stehenbleiben und Betrachten. (Vielleicht das Stocken, das du dabei empfindest?)
In deiner Version öffnet sich nun dieser Kreis, die Bewegung geht weiter, es findet kein Abschließen statt. Es erscheint mir hoffnungstragender aber auch wissender um, ja um was, das weiß ich noch nicht.
Eigentlich habe ich folgendes gehört und das wäre eine schöne Wendung, die ich einmal versuchen möchte:
"gib den herzen ihre steine zurück
ich weiß von etwas, das wunden verschließt"

"aber wir küssen uns nicht"

"einmal
mit worten")

Es war spannend so genau hineinzuhören.

Ich danke dir sehr dafür und würde mich freuen, wenn du es dir nochmal anschaust, gerade auf das Ende hin.

liebe Grüße smile

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.12.2007, 11:52

Liebe smile,

Du vermagst mit einem feinen Drehwurm, der vorzüglich im Titel Richtung gibt, von Gedanken in mir sehr zusagenden Worten die Angst des LyrIch vor dem Ende einer Liebe zu erzählen, so lese ich das.

Duwartung/Ichwartung/wortort/entsteinte herzen, das alles unterm weihnachtlichen Mistelzweig.

Die 2. Fassung mag ich noch mehr, ja!

Lieben Gruß
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.12.2007, 09:36

Hallo Elsa,

danke, das freut mich sehr. Es ist interessant, dass du von der Angst vor dem Ende einer Liebe sprichst. Die Angst oder die Sorge um die Unmgöglichkeit (die Frage nach dem Wie), lese ich auch, ich weiß nur nicht, ob es nicht grundsätzlicher "die Liebe" oder "die Erwartung" meint. Im Kreis trifft der Anfang das Ende, vielleicht ist daher im Gedicht auch beides zu finden.

liebe Grüße smile

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Beitragvon Elsa » 03.12.2007, 10:09

Liebe smile,

Nachdem von einem Mistelzweig ... nach einem Brauch küssen sich Verliebte darunter, gehe ich von Liebeserwartungshaltung aus, aber eben so, dass die Liebe am Ende ist, wenn die Angst mehr wiegt als der Mut.

Das ist ja der Drehwurm, das Gedankenkarussell, oder?

Lieben Gruß
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.12.2007, 19:52

Liebe Elsa,

vielleicht, dass die Liebe (in dieser Erwartung, Vorstellung, Hoffnung...) nicht verwirklicht oder lebbar werden kann. Ob dies das Ende der Liebe ist? Aber das Bild, dass die Angst mehr wiegt als der Mut, finde ich wunderbar.

liebe Grüße smile

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 03.12.2007, 22:06

Liebe smile,

Aber das Bild, dass die Angst mehr wiegt als der Mut, finde ich wunderbar.


Ja, so oft ist es so, nicht wahr, und das empfinde ich ganz stark und fein in deinem Gedicht.

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon aram » 10.01.2008, 01:36

würde mich freuen, wenn du es dir nochmal anschaust, gerade auf das Ende hin

liebe smile, ich kann nicht all zu viel dazu sagen - primär durch die variierte setzung (kursiv/normal/kursiv - die ich nicht 'verstehe') und sekundär vielleicht auch die "herzen" (die ich auch nicht 'verstehe') stellt sich insgesamt kein gefühl oder resonanzgefühl zur endpassage des textes bei mir ein. die aufforderung "gib (...) ihre steine zurück" spricht mich weniger an als der urprüngliche bogen: gestern habe ich entsteint - morgen werde ich die steine zurückgeben. (mit früchten gefällt mir dieses bild außergewöhnlich gut, mit herzen mutet die vorstellung des vorgangs 'entsteinen' etwas skurill an, und mein gefühl zum bild (wofür die herzen hier stehen) ist viel 'nebliger', verschleierter)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 10.01.2008, 12:26

Hallo aram,

Das Gedicht hat sich in dem Sinn gewandelt, dass in der ersten Fassung das Ich selbst in der Betrachtung/ Erfahrung eine Einsicht hatte. In Fassung zwei (und das dachte ich wird durch die kursive Setzung deutlich, nicht?) wandelt sich das ganze zu einem Dialog mit dem "wissenden" Du. Hierdurch bekommen natürlich auch die Zeilen:

aber wir küssen uns nicht (LIch)

einmal
mit Worten
(LDu)

eine völlig andere Wendung, Bedeutung. Die mir mittlerweile ans steinige Herz gewachsen ist ;-).

Deine Rückmeldung hier war mir sehr wichtig, und auch wenn das jetzt seltsam klingt, ist es gut, dass sie so spät kam, da ich über die Zeit selbst ein Gefühl entwickeln konnte, welche Fassung für mich stimmiger ist. Aber es ist spannend und interessant zu lesen, warum es für dich so nicht funktioniert. Auch bezüglich der Herzen/Früchte. Also vielen Dank fürs nochmal melden und neues nachdenken anregen. :-)

liebe Grüße smile

aram
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Beitragvon aram » 10.01.2008, 13:10

hallo smile, gern geschehen/nachgeholt. (wenn die neufassung ein text aus anderer perspektive bzw. mit dialogischen perspektivwechseln ist, erklärt das vielleicht, warum ich bei der änderung nicht 'mitkam'. die ich-form berührt mich jedenfalls, in der neufassung verliere ich nach wie vor den gefühlskontakt zum geschehen. weshalb ich ursprünglich zögerte/scheute, etwas dazu zu sagen - bei einem solchen 'gefühlsverlust' ist ja nicht klar, wo die ursache liegt, was genau man nicht kontaktieren kann und weswegen)


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