Kassandra

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 29.11.2007, 08:16

Kassandra

Sag, Schwester, ich spräche mit den Fischen
Verstände Blumen und Gräser am Halm
Verwandle Sterne in eisiges Lavagestein.
Wirf mich hinein ins Meer deiner lauen Ausflüchte
Dass Wasser und Winde darüber versteinern.
Verwahr dich gegen meinesgleichen.
Reiß mir das Herz aus dem brennenden Leib
Bind es fest an der höchsten Pappel
Raben und Krähen werdens zerhacken.
Beschwör dieses verfluch jenes beim Mutterblut.
Ich schwarze Einfalt kann schweigen.
Zuletzt geändert von Caty am 30.11.2007, 07:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 29.11.2007, 08:22

Liebe Caty,

Die Leidenschaft im Text passt wirklich gut zum Titel. Griechische Tragödie, die mir gefällt.

Lieben Gruß
ELsa
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Caty

Beitragvon Caty » 29.11.2007, 19:55

Schön, dass dich das Gedicht anspricht, Elsa. Lieben Gruß Caty

Nicole

Beitragvon Nicole » 29.11.2007, 21:39

Hallo Cathy,

sorry, ich kann Dir nicht folgen und würde es gerne.
O.k. Kassandra als Hellseherin der grichischen Mythologie, die verflucht wurde, auf das ihr niemand Glauben schenkt.
Lyr Ich ist zornig, LyrDu scheint dem LyrIch viele Vorwürfe zu machen, scheint das LyrIch zu drangsalieren, zu verletzen.
Soweit habe ich alles verstanden (oder besser: so habe ich es verstanden.)
Aber: warum am Ende nun die schwarze Einfalt?
Kassandra war sicherlich weder schwarz (als Symbol für schlecht, dunkel), jemand der die Zukunft sieht, wie sie kommen wird, ist immer neutraler Beobachter, denke ich.
Kassandra war auch sicherlich nicht einfältig, wie auch, bei dieser Gabe.....
Ich kriege das Bild nicht rund, hilfst Du mir da bitte auf die Sprünge?

Gruß, Nicole

Caty

Beitragvon Caty » 30.11.2007, 07:01

Liebe Nicole, du fragst mich, wie ich das Gedicht meine. Gut, ich versuchs mal. Ich lasse Kassandra vor der Gefangennahme fiktiv zu ihrer Schwester Polyxena reden, sie soll sich nach der Gefangennahme durch die Griechen retten und dem Zorn der Griechen auf das Geschlecht des Priamos entgehen können (zumal sie sich ja auch in Achilleus verliebt hatte). Bekanntlich war sie aber als Opfer vorgesehen, um den Griechen die Heimfahrt zu ermöglichen. Sie wartete jedoch nicht, bis man sie tötete, sondern tötete sich am Opferaltar selbst. Kassandra wurde nach Trojas Fall dem Agamemnon zugeschlagen. Kassandra macht sich mit der "schwarzen Einfalt" gegenüber der jüngeren Schwester selbst klein, weil all ihr Wissen Troja nicht vor dem Untergang bewahrte. Sie weiß, dass jetzt nach der Niederlage nichts mehr gilt, was vorher galt, alle Dinge aus Trojas Welt sind entwertet, sie als die ehemals angesehene Priesterin ist zwar eine privilegierte, deshalb aber um so verhasstere Gefangene, weil sie die Dinge der Zukunft ausspricht, also Herrschaftswissen hat, das nach dem Willen des Siegers nur ihm zusteht. Kassandra macht sich über sich selbst keine Illusion. Schwarz deshalb, weil (nicht nur) Agamemnon sie so bezeichnete - um deine dahingehende Frage zu beantworten. Der Fall Trojas weist ja viele Parallelen zur Neuzeit auf, mich hat das zu diesem Gedicht in antikem Gewand angeregt. Ich habe Schwester eingefügt, damit die Situation verdeutlicht wird. Caty

Nicole

Beitragvon Nicole » 02.12.2007, 17:42

Liebe Cathy,

ich danke Dir für die Erläuterung!
Und ja, das eingefügte "Schwester" macht den Text, zumindest für mich, deutlicher.

Gruß,Nicole


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