Familie Dünn

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 22.11.2007, 08:29

Familie Dünn


Dünn ist Er
und sehr fein
schon ein kleiner Ruck lässt ihn reißen

Dünn ist Sie
und sehr verletzlich
schon ein kleiner Kratzer lässt sie bluten

Dünn ist Es
und sehr schwächlich
schon ein kleiner Schlag lässt es brechen

So geschah es
dass Familie Dünn
beim sonntäglichen Schlittschuhlauf stürzte

der Vater sich das Hosenbein aufschlitzte
seine Frau sich an den Kufen verletzte
und das Kind sich den Arm brach

Nur das Eis hielt
aber das trug an diesem Tag
den Namen Dick

Herby

Beitragvon Herby » 22.11.2007, 22:49

Lieber Manfred,

anders als mit manch anderen deiner Texte tue ich mit diesem schwer, irgendwie wollte es ihm nicht so recht gelingen, mir ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern. Das hängt zum einen damit zusammen, dass mir der Wortwitz dünn- dick hier zu dünn ;-) und die Pointe am Ende vorhersehbar ist. Zum anderen hadere ich aber auch mit der sprachlichen Gestaltung an einigen Stellen noch. Das beginnt bei der ersten Strophe:

Dünn ist Er
und sehr fein
schon ein kleiner Ruck lässt ihn reißen


Finde ich "fein" schon irreführend, so bleibt es mir völlig rätselhaft, wie ich es mir vorzustellen habe, wenn ein Mann "reißt". Es gibt zwar die umgangssprachliche Formulierung "er hat das Reißen", aber das kann ja nicht gemeint sein. Und dann lese ich in der "Auflösung" der vorletzten Strophe, dass nicht Herr Dünn, sondern lediglich seine Hose gerissen ist, von der aber nun in der ersten Strophe nicht die Rede ist.

Ähnlich wie mit "reißen" geht's mir mit "brechen" im Zusammenhang mit dem Kind. Es ist klar, was du meinst, aber von der Formulierung wenig glücklich.

Bei der folgenden Strophe

So geschah es
dass Familie Dünn
beim sonntäglichen Schlittschuhlauf stürzte


stört mich der einleitende Vers "So geschah es", weil er den Eindruck erweckt, als erkläre sich der kollektive Familiensturz zwingend aus den vorangegangenen Strophen, was meines Erachtens nicht der Fall ist.

Liebe Grüße
Herby

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 23.11.2007, 00:37

hm, da muss es wohl eine zweite ebene geben - aber ich sehe sie auch nicht.

nachtgrüße!

Perry

Beitragvon Perry » 23.11.2007, 07:17

Hallo Herby, hallo aram,
neben der Familie Dünn, die vordergründig als personifiziertes Missgeschick bzw. personifizierter Schlankheitswahn fungiert, stecken in der zweiten Ebenen einige gängige Spruchweisheiten in dem Text.
Dünn ist (Er) der Faden
Dünn ist (Sie) die Haut
Dünn ist (Es) das Eis
Zugegeben der Übergang auf die Familie Dünn holpert sowohl formal wie auch inhaltlich noch etwas, aber durch euer Feedback bestätigt, gehe ich daran weiterzuarbeiten.
Danke und LG
Manfred

Max

Beitragvon Max » 23.11.2007, 18:31

Lieber Perry,

ähnlich wie aram habe ich eine zweite Ebenen gesucht und nicht finden können; an die angesprochenen Sinnsprüche musste ich kurz denken, habe sie aber wieder verworfen - sie schienen mir zu zusammenhanglos, sowohl untereinander als auch zum Text.
Irgendwie fehlt mir ein Aha-Erlebnis bei dem Text.

Liebe Grüße
Max


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