Globalisierung

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Thea

Beitragvon Thea » 20.11.2007, 21:36

Globalisierung


Ich habe einen Traum:
Du kannst mir vertrauen, wir schaffen das schon.
Lass uns Dänemark in Richtung Süden schieben.
Dann klappen wir Norwegen, Schweden und Finnland
wie ein Taschenmesser zusammen.
England und Irland schmeißen wir ins Schwarze Meer.
Die gehen eh nicht unter!
Ziehe Südafrikas Kap zum Senegal,
dann schiebe ich die Kugel nach Arabien.
Sein westliches Meer geben wir Indien zum Trinken.
Dann kleben wir es an Oman und Jemen.
Ich habe eine Angel, damit fischen wir uns alle Inseln
und formen sie mit Australien zu einem Dreieck.
Dann können wir Südamerika abschneiden,
denn zwei Dreiecke ergeben ein praktisches Viereck.
Grönland sehnt sich nach Wärme und schmilzt uns entgegen.
Wir nähen unser Eurasien mit dem Südamerikarechteck an die
zum zweiten mal Vereinigten Staaten,
ein Kulturschock nutzt bestimmt.
Russland wird nicht bewegt, wir sind flexibel genug.
Nun müssten wir die Welt regeln können, hör zu,
alle Sprachen sind miteinander verwandt und schau,
wir
sind endlich beisammen.
 

 
 
[align=right]atblago[/align]
Zuletzt geändert von Thea am 29.11.2007, 16:19, insgesamt 6-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 20.11.2007, 23:17

ach, das ist ein schöner text - ich muss mich jetzt so 'unqualifiziert' ausdrücken, es geschieht mir so überaus selten, prosanahe texte anzugucken und 'rundherum' ins lesen getaucht zu werden - weil da beweglichkeit und phantasie zu finden sind, vergnügen an der einfachen sprache, souveränität, augenzwinkern - kein im ansatz bleiben, kein ringen mit dem eigenen anspruch, nichts das ablenken würde von der welt des textes, kein erzähler, der sich mit dem 'einpacken von informationen' müht - und natürlich eine geistige welt, die mir gefällt.

hier ist die übermittlung an mich, leser, geglückt - das erzählte wird bei mir bleiben, ohne dass ich mich an den text erinnern müssen werde.

in der gattungseinordnung würde ich eher zu prosalyrik tendieren.

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.11.2007, 23:37

(Also irgendwann werfe ich diesen Computer aus dem Fenster! Eben habe ich einen irrsinnig langen Kommentar zu Deinem Werk verfasst, klicke auf "absenden" und dann sagt dieser Bildschirm: "Bitte einloggen" und alles war futsch! Verdammt, verdammt :smile: !)

Jetzt noch einmal die Kurzfassung:

Guten Abend Thea!

1. Ich mag die sprachliche Umsetzung Deiner Idee, zum Beispiel: "Das Taschenmesser" :smile:

2. Welche "Kugel" schiebst "Du" nach Arabien? Die Weltkugel? => ????

3. Interessant, dass die östlichen Gebiete unter "Arabien" und "Russland" verknappt werden :smile: ... Wo ist z.B. die Ukraine, Serbien, Bulgarien...der ganze Westbalkan? - Naja, es fehlt ja einiges. Aber das ist so eine Sache, die mir schon lange bei uns Europäern auffällt. Es gibt zwar "England" und "Dänemark", aber die anderen da im Osten sind "Russland" und da unten gibt es nur "Afrika" :smile: ... Das ist sicherlich nicht bei Dir persönlich so, aber dieser Allgemeinplatz muss ja nicht unbedingt auch in ein Globalisierungsgedicht ausgebreitet werden...???

4. Es folgen viele schöne Stellen: Die Angel, das selbstvergessene "Daraus formen wir ein praktisches Viereck", die "USA II" ... Das ist lustig!

5. Grönland muss nicht abdriften, um zu tauen. Hast Du neulich die Bilder in der Zeitung gesehen? Das sieht da bald aus wie auf Ibiza :smile: ... Es schmilzt schon jetzt sehr schön!

6. Flexibilität beim ruhenden Russland genügt mir nicht wirklich als Erklärung... Aber das geht schon.

7. Jetzt kommt mein eigentliches Problem mit diesem Text:

Die "Lösung", der erfolgreiche "Plan" -

Was bedeutet "die Welt regeln" ? Jemand kontrolliert die Welt, die Menschen? Jemand bestimmt welche Sprache sich durchsetzt?

Meint der "Vorchlagende": Wenn alle Menschen rein flächenmäßig nebeneinander leben, gäbe es weniger Knoflikte??? - Das ist ein schlechter Scherz.

"Babel" ist eine schöne Geschichte, aber ich glaube nicht, dass wir uns alle lieb haben, wenn noch mehr Leute englisch sprechen, als eh schon... Leider :sad: .

Außerdem sind die Sprachen doch schon jetzt miteinander verwandt. Sie gehen sogar auf eine gemeinsame "Ursprache" zurück, aus der sich dann Sanskrit, keltisch, gotisch, latein, alt-griechisch (...) entwickelt haben.

Haben die Menschen sich besser verstanden, als sie dieselbe Sprache hatten??? Ich denke überhaupt nicht. Obwohl es sicher etwas einfacher ist.

Auch das "nah beieinander leben" ist schon jetzt so: "Global village" -

Ist das eine Lösung, dass wir alle miteinander vernetzt sind? (Siehe Moshe :smile: ...hihi...)

Ich meine natürlich erleichtert es vieles, aber dehalb gibt es trotzdem gewaltbereite Menschen, Korruption, Ausbeutung, die rein gar nichts mit Nähe und Sprache zu tun hat. Jemand kann mir auf dem Schoß sitzen und dieselbe Muttersprache besitzen, er haut mir trotzdem eine rein, wenn er will :smile: ...

Deshalb funktioniert dieser Witz für mich auch nicht, leider. Es ist ja schon so. Dafür braucht es keine Schere, das ist keine "Lösung"- Für was überhaupt eine "Lösung"???

...selbst eine Übertreibung und eine ironische Darstellung der Tatsachen ist für mich noch nicht originell, kreativ genug. Obwohl es natürlich wunderbar gestaltet ist.

Ich bin gespannt auf Deine Antwort!

Globalisierte Grüße,
l
Zuletzt geändert von Louisa am 21.11.2007, 02:01, insgesamt 5-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.11.2007, 23:38

PS: Was bedeutet "atblago" ?

(rechts unten)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 21.11.2007, 00:03

Liebe Thea,

ich finde den Text auch sehr schön, und die Botschaft drin, vollkommen locker verpackt, das ist das Beste. Es sieht so einfach aus, ist es aber nicht (Louisa hat die Details ;-) )

Genaugenommen ist mir das egal, weil der Text für mich auch so funktioniert. Er ist frisch und fantasievoll, keine Lyrik mM. sondern Kurzprosa.

Ich würde nur im 1. Satz der klappt ersetzen, das boxt sich mit den Zusammenklappen von Norwegen u.s.w.

Sehr gern gelesen!
Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 21.11.2007, 00:22

Hallo Thea

Und bitte das schieben ändern in "dann schiebe ich die Kugel nach Arabien.". Das beißt sich mit dem Schieben Dänemarks gen Süden. Interessanter Text, liebe Thea.

Späte Grüße

Jürgen

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Beitragvon leonie » 21.11.2007, 16:09

Liebe Thea,

diesmal kann ich mich dem Lob nicht uneingeschränkt anschließen.
Durch den Schluss fühlte ich mich erinnert an: "Für Dich dreh ich solang an der Erde, bis Du wieder bei mir bist." Auch wenn Du etwas anderes meintest, ist es von den Bilder her für mich ähnlich.
Für mich verliert durch die Ausschmückung der Einzelheiten der Text auch zu sehr an Spannung.

Zudem finde ich die sprachlichen Doppelungen problematisch. "Klappt -klappen, viele "dann".

Am besten gefällt mir dieser Satz:

Grönland sehnt sich nach Wärme und schmilzt uns entgegen.


Hast den den Zynismus darin beabsichtigt?

Liebe Grüße

leonie

Thea

Beitragvon Thea » 21.11.2007, 19:16

Hallo ihr Lieben,

die woche werde ich kaum zeit haben, an einen rechner zu gehen, deswegen vorab die entschuldigung, dass meine eigentliche antwort auf eure kommentare etwas verspätet eintreffen wird, aber sie kommt ! ich möchte gern an euren gedanken entlang spazieren.

kurz und knapp, was mir grad auf den fingern brennt:
@louisa, dass der nahe osten uns eigentlich nicht nah ist, hat mich direkt zu einer neuen zeile inspiriert, werd die ergänzen
@ alle, eure sprachlichen einwänden (klappt usw) werde ich ajf nachkommen, danke!
bis vllt auf deine anmerkung, leonie: die vielen "dann" sind beabsichtigt. ich werde sie aber noch mal reflektieren.
und deinen erwähnten zynismus und die fehlende lösung, die louisa vermisst hat, sind von der autorin ebenfalls beabsichtigt ;-) als leise kritik an den pseudo-martin-luther-king-glauben, ein plan bzw traum könnte alles so einfach ändern... aufgrund dieser inhaltlichen naivität habe ich mich für sprachliche schlichtheit entschieden

ich werde noch genauer auf eure bemerkungen eingehen und danke schön, gelle?

grüßle!

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.11.2007, 08:27

(Ist die Globalisierung nicht eher ein vor allem technisch begründeter Prozess, anstatt einer "Idee", die jemand verwirklicht und kontrolliert?
Denn gegen diesen würdest Du Dich doch richten oder?

Ich fände es spannender sich mit den Gewinnern und Verlierern dieses Prozesses zu beschäftigen. Das die Welt "zusammenwächst" und das Englisch die "Weltsprache" ist, sind ja an sich friedliche Ergebnisse oder?

Das die europäischen "global Payers" ihre Viktoriabarsch-Filets in Afrika produzieren und den Menschen dort Waffen und im wahrsten Sinne des Wortes "Gräten" überlassen... (an Stelle von Medikamenten etc.) - DAS ist zum Beispiel eines der vielen Probleme der Globalisierung.
Aber Deine ironische Kritik bezieht sich (für mich) eher auf die positiven Entwicklungen.

Das wäre mein Problem :smile: .)

Schönen Tag!
*schnupf*

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Beitragvon Thomas Milser » 22.11.2007, 19:36

Hallo Thea,

ich komme mit dem Text leider gar nicht klar. Und zwar deswegen, weil er sich nicht entscheidet.

Da der Satz 'Grönland sehnt sich nach Wärme' wohl nur als Farce gemeint sein kann, der Rest sich so niedlich drollig nach Wir-sind-eine-Welt-Singsang anhört, dem ich aber keinerlei ironischen bzw. satirischen Ansatz abgewinnen kann,
stehe ich ratlos da und frage mich:

Was will die Autorin mir sagen?

Sorry,
Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 22.11.2007, 19:43

Hallo Tom und alle, die hier lesen.

Ich finde den Text absolut ironisch, das kann ich aus dem leichten, kindlichen bis zur Naivität gehenden Worten lesen.

Wie ich schon mal schrieb, frisch und fantasievoll umgesetzt.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 22.11.2007, 19:52

Liebe Thea,

nachdem ich schon einige deiner Texte kenne, auch weiß, dass sie sich notwendigerweise kritisch gegenüber gesellschaftlichen / sozialen Missständen ausnehmen, finde ich bei diesem Text keinen echten Ansatz in diese Richtung - die mir einzuschlagen aber unerlässlich erscheint.

Für mich hört sich dein Text nach einem "Kinderspiel" an, ohne die hintergründige Bösartigkeit auch nur anzudeuten, die ich mir bei diesem Thema unbedingt wünsche.

Sicher ist Globalisierung nicht nur einfach "schlecht", aber auf keinen Fall sind die Weltprobleme mit ihr zu lösen, und sie leicht zu nehmen, wie es der Text suggeriert, halte ich für indiskutabel.


Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.11.2007, 22:27

Hallo Gerda und Thea!

Sicher ist Globalisierung nicht nur einfach "schlecht", aber auf keinen Fall sind die Weltprobleme mit ihr zu lösen, und sie leicht zu nehmen, wie es der Text suggeriert, halte ich für indiskutabel.


Ich glaube auch nicht, dass sie erklärt: "Damit sind die Weltprobleme zu lösen."

Ich glaube schon, dass sie das wirklich ironisch meint. Das sie sagt: "Wenn wir alle zusammenwachsen und dieselbe Sprache sprechen, das ist keine Lösung für alle Probleme!"

Aber so kann man das eben auch nicht ausdrücken, finde ich.

Eben weil diese beiden Aspekte ja positiv sind (finde ich) und zweitens, weil sie gar nicht angibt, für WAS es eine "Lösung" sein sollte.

DAS sind ja nicht die Probleme der Globalisierung. Englisch und Vernetzung sind doch in Ordnung.

Welcher Globalisierungsgegner stellt sich denn auf die Straße und schreit: "Hört auf englisch zu sprechen und zu chatten!"

-Das ist einfach Schwachsinn. Wenn man ernsthaft kritisieren möchte, dann andere Punkte, die ich schon vorhin genannt habe.

Diese Leute beschäftigen sich zum Beispiel gerne mit den negativen Seiten der Globalisierung:

http://de.wikipedia.org/wiki/Attac

Ich gebe zu, dass man beim Englsichen noch meinen könnte: "Oh, dann gehen unsere Kulturgüter, Traditionen und Sprachschöpfungen verloren!" ... Diese Opas von der "Gesellschaft für deutsche Sprache" könnten das rufen :smile: .

Aber das ist doch nicht die Misere bei dieser Entwicklung. Deshalb gefällt mir diese "ironische Kritik" nicht, weil sie die wichtigen Aspekte ausklammert.

Nochmal wiederhole ich mich besser nicht :smile: .
l

PS: Das die Kritik mir nicht gefällt, hat aber nichts mit Deiner Sprache und Bildwahl zu tun. Die ist gut.

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 23.11.2007, 00:06

hier sprechen manche kommentatoren von "der globalisierung" als wäre das ein begriff mit fester, unveränderlicher bedeutung - das ist doch unsinn; natürlich nimmt der text auf landläufige konnotation bezug, aber diese wird doch nicht 'vertreten' - es kann doch ganz verschiedene arten von "globalisierung" geben - und um welche es hier geht, ist doch deutlich vorgeführt - ein naives 'global village', dass durch 'kontinentalverschiebung' gewaltsam erzeugt wird - ein herrliches ironisches bild, finde ich.

manche reaktionen erinnern mich ein wenig an solche auf lisas text "meinen schwarzen kindern" in dem dann auch noch die zeile "ach fragten sie doch nach brot" vorkam - da gibt es scheinbar 'reizworte' in texten, die bei manchen rezipienten sofort eine vermeintlich ausschließlich zugehörige thematik auslösen, als gäbe es nur diesen speziellen kontext - "die globalisierung leicht zu nehmen, halte ich für indiskutabel" - welche globalisierung, beschäftigt sich dieser text überhaupt mit dieser art von g.? - nö, er spielt - meines erachtens sehr gut - mit der konnotation.

edit: wobei das ineinander übergeht, man kann natürlich genau so sagen, der text ist ja gerade ein kommentar auf einen - von vielen positiv gesehenen - globalisierungstraum, in dem er diesen durch das physische rumpuzzeln mit kontinentalteilen darstellt, etwas absolut unmöglichem und ungeheuerlich gewaltsamen - wie kann man dazu sagen "leicht nehmen?" - höchstens wenn man den erzähler nicht als kunstfigur sieht und seine naivität für die des autors hält.
Zuletzt geändert von aram am 23.11.2007, 00:25, insgesamt 1-mal geändert.


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