eiszeit (vorher: ganz ohne worte)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 07.11.2007, 12:06

...
Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2009, 20:51, insgesamt 4-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 07.11.2007, 19:15

Liebe Monika,

eines deiner "Wortgedichte", von denen du schon einige im Blauen Salon vorgestellt hast. :smile:

Bis zum dritten Vers finde ich das Bild stimmig und schlüssig, gut gewählt.

Dann aber soll sich der Tag an der Nebelwand "brechen". Das ist für mich nicht stimmig, genau wie das "splitternde" Licht. Möglich ist vielleicht, dass du "splittern" (Bezug auf "knochenfinger") schreiben wolltest. :confused:
Die "eisnacht", in der es splttern kann, folgt erst später.
Aber vielleicht lese ich das auch nicht richtig.

Liebe Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 08.11.2007, 07:52

Liebe Gerda,

merci für deine Gedanken zu meinem neuen Wort-Gedicht.

Eine kleine Änderung habe ich vorgenommen, sie macht aber wohl die von dir angesprochene Stelle nicht transparenter, fürchte ich.

Doch, doch ... ich habe schon gemeint, dass sich der Tag an der Nebelwand bricht und danach das Licht des Tages splittert ... das Licht prallt quasi auf diesen aus dem Wald kommenden Nebel, bzw. sich am Wald schon gebildeten Nebel... kann ich schlecht erklären, aber es sieht tatsächlich so aus: über den Feldern ist es noch heller, während der Nebel sich wie ein Schutzschild vor dem Wald aufgebaut hat, aus diesem dann herausquellend.
Klingt alles irgendwie blöd zu erklären, doch meine ich schon, dass das Bild stimmig ist (sich brechen, splittern).

Dass das alles natrülich nur "Staffage" ist, letztlich im übertragenen Sinne zu lesen, ist eh klar, denke ich.

Schönen Tag dir und Grüße,
scarlett

Caty

Beitragvon Caty » 09.11.2007, 13:11

Scarlett, ein schönes Gedicht, die Bilder sind schlüssig für mich. Nur der letzte Satz: "Wie/ willst du die Eisnacht /überstehn ganz ohne /Worte?" ist es nicht ganz. Eine Eisnacht übersteht man doch nicht mit Worten, sondern mit einem Mantel. Ganz begreifbar ist mir auch nicht, weshalb "Worte" in einer neuen Verszeile abgesetzt werden, das kommt mir nicht begründet vor. Caty

Gast

Beitragvon Gast » 09.11.2007, 14:28

Liebe scarlett,

ich will versuchen zu schreiben, warum ich aus dem "Nebelbild" kein "sich brechen" und aus dem "lictbild" kein "splittern" herleiten kann.

(Wie du siehst hat Caty augenscheinlich keine Schwierigkeiten damit).

Aber ich möchte versuchen, zu erklären, woran ich scheitere. :confused:

Für mich ist "Nebel" etwas weiches Einhüllendes, Verhüllendes und Unfassbares - im Wortsinn und nichts Starres an dem etwas brechen/ zerbrechen könnte. (Kann sich an Schnee oder Watte oder den Wolken etwas brechen?)
Gerade jetzt im Herbst wird Nebel gern in lyrische Bilder umgesetzt, weil er uns draußen zusetzt. ;-)

Nun könntest du ja sagen, weil die Verwendung der Nebelmetapher bereits Verwendung findet, hast du versuicht eine neue Deutung zu inszenieren. Wir sind ja alle immer auf der Suche nach der Verwendung von Bildern in einem ungewohnten frischen Kontext.
Ich finde ich aber, dass hier das Bild des "sich brechens" an der Nebelwand nicht funktioniert.

Mit dem Licht ist für mich ganz ähnlich. (Nicht fassbar - nicht körperlich) Licht kann, weich, hell und grell sein ... aber kann es splittern?

Das Problem, welches ich sehe ist, dass man beide Bilder bereits übertragen lesen soll, (du hast m. M. n. die Bildebene, Nebel/Licht, mit dem brechen und splittern schon verlassen, bevor man auf der Metaebene deuten kann. Denn dass diese Bilder für den Beziehungsinhalt des Gedichts stehen, ist mir schon klar.

Für mich funktionieren sie nicht, aber möglich, dass jemand eine eineuchtende Erklärung parat hat weshalb er/sie es anders sieht.

Ich bin gespannt und hoffe, dass du verstehst wie ich es meine.

Liebe Grüße und eine schönes Wochenende
Gerda

Perry

Beitragvon Perry » 09.11.2007, 17:12

Hallo Zusammen,
ein schöner passend düsterer Text zum Schwinden des Tages im heraufziehend Abendnebel.
Ich lese den Tag als "Tageslicht" und dieses kann sich beim Durch- bzw. Eindringen in Materie durchaus brechen oder es wird reflektiert (Lichtsplitter etc.). So gesehen habe ich mit den Bildern keine großen Verständnisprobleme. Gern gelesen!
LG
Manfred

scarlett

Beitragvon scarlett » 09.11.2007, 20:34

Liebe Caty,

die "eisnacht" - die nacht ohne worte, sprachlosigkeit. Die kälte, die entsteht, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, wenn die worte sich verabschiedet haben.
Wenn man in worten geborgen ist, braucht man keinen mantel.

Ich werde "worte" nicht in eine extra zeile setzen, ich ziehe es in die vorherige verszeile. Warum ich zunächst allein habe stehen lassen, war weil ich darauf das besndere gewicht legen wollte, aber das haben sie auch wenn sie als letztes wort, am ende der verszeile stehen.

Danke für deine rückmeldung.

Liebe Gerda,

ich kann leider immer noch nicht nachvollziehen, was du meinst, warum es dir nicht schlüssig erscheint.
Vermutlich bin ich so in den zeilen drin, dass ich nicht über den tellerrand, den berühmten, blicken kann.
Aber Perry eilt mir zu hilfe und seine erklärung ist besser, als ich es hätte sagen können.

Lieber Manfred,

ich danke dir herzlich für die erklärung meiner zeilen. Du hast den nagel auf den kopf getroffen, genauso sehe ich das auch.
Merci für deine antwort und für die beschäftigung mit diesem gedicht.

@ all:
Ich werde eine änderung vornehmen zum einen den titel betreffend, zum anderen die "eisnacht": es wird jetzt "eiszeit" heißen und dieses wort wird auch die "eisnacht" ersetzen.
"eiszeit" - für kommunikationslosigkeit, schweigen, kälte zwischen menschen, kälte in der natur ...

Liebe grüße euch allen und ein schönes wochenende,
scarlett

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 09.11.2007, 22:37

Caty hat geschrieben: "Wie/ willst du die Eisnacht /überstehn ganz ohne /Worte?" ist es nicht ganz. Eine Eisnacht übersteht man doch nicht mit Worten


liebe scarlett, mir geht es wie caty - "die eisnacht (bzw. eiszeit) überstehen" ist eine figur, die in einen entsprechenden kontext weist - wird dieser durch die folgende, im unmittelbaren aussagezusammenhang stehende figur ("worte") ignoriert (wieder verlassen, ohne dadurch gesteigert oder abgewandelt zu werden) fehlt jeglicher sinnzusammenhang zur vorherigen, das ergebnis wirkt skurill - etwa, als würden in einem eintopf gekochtes und ungekochtes vermischt.

ich vermute auch, dass man diese divergenz entweder nicht bemerkt, oder aber unmittelbar wahrnimmt - nimmt man sie wahr, kann man glaube ich nicht mehr darüber hinweglesen - bei 'ernst nehmen' der textstruktur taucht plötzlich 'schräges' darin auf, das offensichtlich nicht gewollt ist.

("eiszeit" finde ich nicht besser als "eisnacht".)

liebe grüße

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 09.11.2007, 23:54

Liebe scarlett,

ich finde "eisnacht" besser als "eiszeit", passt für mich besser in die Bildwelt des Gedichtes.

Was die Worte betrifft, geht es mir anders als Caty und aram. Klar, sie fallen aus der Bildwelt heraus, aber gerade diesen Bruch finde ich gut.
Und ich kann das für mich absolut nachvollziehen, dass gerade die Worte das sein könnten, was die Eisnacht überstehen lässt (wenn man sie und überhaupt die Bilder als metaphorisch versteht).
Mich hat gerade dieser Bruch beeindruckt.


Liebe Grüße
leonie

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.11.2007, 00:24

liebe leonie,

es interessiert mich, die 'andere' lesart zu verstehen, daher meine fragen:

- assozierst du "die eisnacht überstehen" mit 'bedrohlicher äußerlicher kälte ausgesetzt sein' (wie ich)?

- verbindest du "worte" ebenfalls mit 'geistig-emotionale nähe/ austausch/ zuwendung/ verbindung erfahren'?

- wenn ja - auf welche art ist dir vorstellbar, durch geistige nähe vor physischer kälte bewahrt zu werden?

- wenn nein, was verbindest du mit "die eisnacht überstehen"? und was mit "worte"?

liebe nachtgrüße
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 10.11.2007, 13:02

Lieber aram,

also für mich wäre es langweilig, wenn scarlett zum Beispiel "mantel" statt "worte" geschrieben hätte.
Für mich ist es so als seinen diese "worte" der Schlüssel, durch den die Metaphorik verständlich wird. Es ist eben nicht (nur) eine bedrohliche äußere Kälte, sondern eine innere Vereinsamung/Verirrung. Darauf deuten ja auch andere Begriffe im Gedicht schon hin, aber erst das "warte" macht es "fest. Sozusagen. Besser kann ich es nicht beschreiben, was ich meine.

Liebe Grüße

leonie

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 10.11.2007, 14:21

Es ist eben nicht (nur) eine bedrohliche äußere Kälte, sondern eine innere Vereinsamung/Verirrung


sicher, genau dafür wird das bild der kälte gewählt (könnte ja auch ein anderes sein) - und dann durch ein anderes bild (worte) ergänzt , das in die zuerst gewählte bildebene nicht passt - ich verstehe nicht, wie man das anders wahrnehmen kann - die bildebenen stimmen einfach nicht überein:

"kälte" könnte zwar auch von vornherein in übertragenem sinn emotional gemeint sein, aber "eisnacht/ eiszeit" betont noch extra den temperaturkontext. und dieser eben erst evozierte kontext wird gleich darauf ignoriert

(die bilder werden zu 'eintagsfliegen' - auf diese art könnte man auch texten
"wie soll ich den sturm überstehen - ohne zigaretten?"
und sagen, das passt, denn "sturm" stünde für 'unruhe' und "zigaretten" für 'beruhigung')

also für mich wäre es langweilig, wenn scarlett zum Beispiel "mantel" statt "worte" geschrieben hätte.

das hab ich auch nirgends 'reklamiert' - nur, bilder aufeinander zu beziehen, die auch auf einer ebene nebeneinander verständlich sind.

danke für die antwort und liebe grüße
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 10.11.2007, 14:55

Liebe scarlett,

ich zitiere aram, weil er es prima allgemein formuliert hat:

aram hat geschrieben:... bilder aufeinander zu beziehen, die auch auf einer ebene nebeneinander verständlich sind.


Das scheint mir die Grundproblematik dieses Textes zu sein und Ursache meiner Irritation, die ich weiter oben detailliert beschreiben habe.

Liebe Grüße
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 10.11.2007, 15:03

Eisnacht übersteht man doch nicht mit Worten, sondern mit einem Mantel.
worte können wie ein mantel sein, finde ich.
für mich, liebe scarlett ist der text durch und durch schlüssig. die zeilenbrüche - wieder mal hervorragend gesetzt - stiften da vielleicht ein wenig irritation. aber ich glaube, genau so wars auch von dir gedacht.

gefällt (mir)
lieben gruß: Niko
PS: als gegenstück zum verirrten tag finde ich die eisnacht viel treffender. eine eiszeit zu überstehen ist dann doch etwas schwieriger, so insgesamt und metafferisch :-) gesehen...


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 14 Gäste