Schwere Ernte

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 26.10.2007, 07:56

Schwere Ernte


Irgendwann spürst du
die Wortschnitte
der Sichel nicht mehr
Schweigen legt sich
auf das Stoppelfeld

und doch keimt
darunter neue Hoffnung
Lass sie uns hegen
denn wir brauchen die Frucht
auch wenn die Blüte weint


1. Fassung:

Schwere Ernte


Irgendwann bist du taub
spürst die Schnitte der Wortklingen
nicht mehr

Nach der Dunkelheit
keimt das Samenkorn neu
drängt wieder ans Licht

Lass es uns hegen
wir brauchen seine Frucht
doch berühre nie mehr seine Blüte
Zuletzt geändert von Perry am 28.10.2007, 20:05, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.10.2007, 13:36

Hallo Manfred,

du könntest dieses Kategorische aus der letzten Zeile entschärfen, indem du schreibst:

doch berühren wir nicht mehr seine Blüte

So ist das "wir" noch einmal drin, was ich wichtig fände und statt "nie": nicht.
Was meinst du?
Saludos
Mucki

Maija

Beitragvon Maija » 28.10.2007, 14:24

allerdings mit der Bedingung, die Blüte nie mehr zu berühren


Ich finde Muckis Idee nicht so brauchbar. Aber das 'wir' hat sie richtig erkannt und das hat mich auch gestört.

In einer Auseinandersetzung sind immer beide Personen beteiligt, auch wenn es den Anschein hat, das diese "zerrüttende Beziehung" nur von einem Teil ausgeht.
Um diese Erfahrung aber zu lernen, braucht der Mensch auch mal so eine Situation. Deshalb auch schon richtig erkannt: "Schwere Ernte" :schwitz: Beide müssen die Achtung vor der Blüte bewahren. Ohne Licht, keine Blüte!

Gruß, Maija

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noel
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Beitragvon noel » 28.10.2007, 14:31

nunja
ohne dies WIR
war die blüte etwas zweideutlich zu verstehen
wenigstens ging es mir so
& das mai dire mai weglassen
--- ich verstehe welch psychophilosophischer gedanke inhärent ist
aber so klingt es mir zu prosaisch
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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noel
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Beitragvon noel » 28.10.2007, 14:40

Hallo Noel,
die Bildebene ist das Säen und Ernten.


ja klar, was man dem mittleren absatz deutlich entnehmen kann & infolge auch. aber das schrieb ich schon

Im ersten Vers wird eine schlimme Ernte (Schnitte der Wortklingen) beschrieben.


ja aber ist das säen & ernten????

wenn man die metapher in der metapher suche
würde ich dir recht geben
aber MIR ist es eben zu widersinnig
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Perry

Beitragvon Perry » 28.10.2007, 19:05

Hallo Maija,
mal schauen, vielleicht fällt mir noch ein nicht ganz so drastischer Schluss ein.
Danke und LG
Manfred

Perry

Beitragvon Perry » 28.10.2007, 20:08

Hallo Noel,
ich habe in der neuen Version nun auch versucht die Bildebene vom Ernten zum neuen Wachsen durchgängiger zu gestalten.
Danke für deinen Hinweis und LG
Manfred

Gast

Beitragvon Gast » 28.10.2007, 20:13

Lieber Manfred,

mein erster Eindruck: Sehr viel konsistenter, stimmiger, konsequenter.
Dein Text gefällt mir jetzt viel besser, ich finde es hat sich gelohnt, noch einmal ans Werk zu gehen.

Liebe Abendgrüße
Gerda

Maija

Beitragvon Maija » 29.10.2007, 07:36

Hallo Manfred,

Stimme Gerda zu und so kommt das Endbild zur Ruh! ;-)

Werde es später noch einmal verdauen.

Gruß, Maija

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2007, 14:44

Hallo Manfred,

insgesamt gefällt mir die neue Version sehr viel besser. Aber:
auch wenn die Blüte weint

ist für mich einen touch zu dramatisch. Dieses "weint" drückt für mich auch nicht das Gleiche aus, wie du es intendiert hast. Hier könntest du z.B. statt "weint":
"unberührt bleibt" schreiben. Nur als Idee.
Wenn das Gedicht für dich jedoch jetzt so stimmig ist, dann lass es so. Es ist nur mein Eindruck, ok?
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 29.10.2007, 15:04

Hallo Ihr Lieben,
danke für euer Feedback.
Da der Text nicht autobiografisch ist konnte ich das Schlussbild durchaus abmildern, obwohl "weint" als Metapher für die unstillbare Trauer/Enttäuschung natürlich nur die zweitbeste Lösung ist.
Hallo Mucki, "unberührt bleibt (nicht bestäubt)" würde im realen Sinn ein "Fruchttragen" ausschließen, ansonsten wäre es durchaus passend.
Vielleicht kommt mir ja noch ein Geistesblitz dazu.
LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2007, 15:20

Hallo Manfred,

je länger man an einem Gedicht arbeitet, um so schwieriger wird es. Ich kenn das nur zu gut. Du schriebst weiter vorne:

Doch mit der Helligkeit (Frühjahr) reift der Wunsch noch einmal auf dem gemeinsam geschaffenen Feld auszusäen, allerdings mit der Bedingung, die Blüte nie mehr zu berühren. Denn ohne die Frucht ihrer Beziehung (Familie) können sie nicht leben.

Das würde für mich implizieren, dass die Frucht (die Kinder) bereits da ist.
Nun schreibst du:
"unberührt bleibt (nicht bestäubt)" würde im realen Sinn ein "Fruchttragen" ausschließen, ansonsten wäre es durchaus passend.

Das würde aber auch auf die erste Version zutreffen. Also, im realen Sinn. Du siehst, hier stimmt etwas noch nicht. Schwierig, schwierig ...
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 29.10.2007, 15:30

Hallo Mucki,
es bleibt en schwieriger Spagat zwischen Bild und übertragener Aussage, denn als Frucht sind in der übertragenen Lesart nicht die Kinder sondern die Familie (das Gemeinsame) gemeint, während z.B. beim Korn dies ja nur die Körner (Kinder) sein können. Hier muss also die Deutung offen bleiben, oder eine andere Frucht gewählt werden. Es bleibt weiter spannend, aber ich brauche dazu mehr Abstand.
Danke und LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2007, 15:37

Hallo Manfred,

genau hierin liegt die Crux, jep. Okay, dann lass den Text mal eine Weile sacken. Es bringt nichts, verkrampft daran zu gehen. Bisschen Distanz tut gut,-)
Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 29.10.2007, 15:40

Lieber Manfred, liebe Mucki,

ich habe die Hoffnung, die unter dem Stoppelfeld keimt, als Hoffnung auf den Fortbestand der Liebe in der Paarbeziehung gelesen. (Nicht auf Nachkommen bezogen, die üblicherweise als Frucht bezeichnet werden, verstanden).
Die Frucht lese ich als die Liebe, die aus der Blüte hervorgegangen ist.

Steht die Blüte für die Basis, Grundlage der Beziehung?
(Hm, dann verstehe ich nicht, dass "die Blüte weint" ) ... Möglich, dass Blüte und Frucht hier ungewöhnlich konnotiert und deshalb schwer zu entschlüsseln sind.

Liebe Grüße
Gerda

Edit, die letzten eurer Beiträge, erst nach meinem Posting gelesen.


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