den stummen blick ein letztes mal

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 24.10.2007, 14:03

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.
Zuletzt geändert von Gast am 25.10.2007, 19:04, insgesamt 1-mal geändert.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 25.10.2007, 14:49

verlassen steht der stuhl
auf dem du sommers saßst
und zeitung last

wie lange her mags sein -
sechs wochen, monde, jahr?

grau wie der stuhl mein haar
es dräut der herbst und nebelfeen
begegnen mir nun täglich

den stummen blick ein letztes mal
so wird erzählt, vergisst man nicht
ich trag ihn mit mir, bis auch ich werd gehn

Perry

Beitragvon Perry » 25.10.2007, 15:53

Hallo Gerda,
gefällt mir dieses wehmütig verträumte Sinnen. Allerdings wirkt es auf mich fast schon pathetisch, da helfen auch solche Wortnovitäten wie "sommers" und "dräut" nicht wirklich.
LG
Manfred

Sebastian

Beitragvon Sebastian » 25.10.2007, 16:07

Liebe Gerda, lieber Manfred,

auf mich wirkt das Gedicht auch "fast pathetisch" aber gerade dies gefällt mir. Ich finde es Schade, dass das Pathos zunehmen einen negativen Klang bekommt.

Einzig diese Stelle

wie lange her mags sein -

sechs wochen, monde, jahre?


würde ich ändern, da mir die Monde anstelle von Tagen wie ein Bruch erscheinen. Auch scheint mir die Reihenfolge (Wochen, Tage, Jahre) etwas zu willkürlich. Tage, Wochen, Jahre fände ich schlüssiger.

lg

Sebastian

Gast

Beitragvon Gast » 25.10.2007, 17:13

Hallo Sebatian,

lieben Dank, für deine Rückmeldung.
"Monde" ist ein anderes (altes) Wort für "Monat", insofern ist die Reihenfolge eingehalten.
(Der Mond umkreist während eines Monats die Erde)
Ich empfinde den Text nicht pathetisch, merkwürdig, du bist schon der zweite. ;-)
Vielleicht gehts ja grad noch so.

Lieber Manfred,

herzlichen Dank, was am Text pathetisch ist, les ich nicht - naja, vielleicht betriebsblind - aber was an "sommers" und "dräut" neu sein soll ist mir noch weniger ersichtlich.
"dräut" ist ein ganz altes, wahrscheinlich schon totes Wort für "drohen", siehe Duden und "sommers" ist zusammengezogen aus "Während des Sommers", (Duden, sommersüber) habe ich meines Wissens nicht erfunden. ;-), also keine Neuschöpfungen um vom "Pathos" abzulenken.

Hallo Chiquita,

ich nehme die Anregung, denn so lese ich deinen Änderungsvorschlag für die letzte Zeile, gern auf und werde darüber nachdenken, gefällt mir im ersten Lesen besser als meine, muss aber noch sacken vielen Dank.


Liebe Grüße an euch Drei
Gerda

Edit 17:29
Nachtrag an Chiquita, Ich habe eben außer Acht gelassen, dass die letzte Zeile mit der drittletzten und dem Titel korrespondieren soll. Deshalb bleibe ich bei meiner Version ".. .bis auch meine augen leer ".
Zuletzt geändert von Gast am 25.10.2007, 17:31, insgesamt 2-mal geändert.

Sebastian

Beitragvon Sebastian » 25.10.2007, 17:25

Liebe Gerda,

dann ziehe ich meinen Einwand zurück ;) . Mir war "Monde" durchaus als alte Formulierung geläufig, allerdings hatte ich es eher als Äquivalent zu Tage in Erinnerung.

liebe Grüße

Sebastian

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 25.10.2007, 17:30

gerda, ich betrachtete dein gedicht als dein eigentum - selbstverständlich.
bei gedichten schalte ich meinen kopf zur hälfte aus (die rechte hirnhälfte ist das wohl), und dann folge ich einfach meiner inspiration. die tastatur vor mir könnte dann die klaviatur eines klaviers sein oder die farbpalette eines malers.

dein gedicht ist auch ohne änderung sehr schön. ich las es gern.

chiqu.

Gast

Beitragvon Gast » 25.10.2007, 17:33

Danke nochmal an Chiquita und Sebastian.

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 25.10.2007, 17:42

Liebe Gerda,

ja, der Text aus Elsas Nebel. Ich empfinde den Text zwar nicht unbedingt pathetisch, sehr wohl aber vom Duktus her als poetisch. Und darin unterscheidet er sich von vielen deiner anderen Gedichte, die eher sachlich, nüchtern gehalten sind. Er passt ja sehr gut zu der Thematik des Vergehens, die dich in der letzten Zeit beschäftigt, und wenn ich diesen Text hier mal vergleiche mit "Vergehen I- IV", so hebt er sich schon durch die angesprochene Poesie von den anderen Gedichten ab. Aber das ist ja auch völlig in Ordnung, bedeutet nicht, dass die anderen Texte schlechter wären. Ich weiß nicht, ob der Begriff aus der Musik hier greift: Thema con variazioni.

Eine kleine Frage nur noch: warum im zweiten Vers saßst >saßt?

Lieben Gruß
Herby

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 25.10.2007, 18:21

Liebe Gerda,

darf man heute noch fühlen in Gedichten? Diese Frage wirft sich auf, wenn ich hier von Pathos lese.
Hmpf.
Es ist Poesie, das darf man doch noch?

Ich würde allerdings auch saßest als richtig empfinden.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 25.10.2007, 18:32

impossible:

verlassen steht der stuhl
auf dem du sommers saßst
und zeitung last

wie lange her mags sein -
sechs wochen, monde, jahre?

...

"saßest" ließe sich nicht mit "mags" in einklang bringen!
wenn "saßest" - müßte es "mag es" heißen.

leute, regt euch ab und kommt endlich mal zu dem feeling der sprachformung.

chiqu.

Gast

Beitragvon Gast » 25.10.2007, 18:55

Danke Chiquita, aller guten Dinge sind Drei ;-)

Liebe Elsa, lieber Herby

es ginge beides, allerdings saß ich offenbar zwischen zwei Stühlen. ;-)

"Saßt" geht also genauso wie "saßest".
http://www.canoo.net/
Aber ich nehme saßt, wie chiquita vorschlug, weil es nicht nur zu "mags" passt, sondern auch zu "last".

Ihr schreibt beide, dass es poetische Zeilen sind und ich sage, dass sie aus mir so in die Welt wollten, ohne, dass ich darüber nachdachte ob sie sich "schicken", schon gar nicht dachte in anPathos, aber das schrieb ich bereits an Manfred und Sebastian.

Vielen Dank für eure Zustimmung, ich freue mich, dass der Text bei euch so ankommt.

Liebe Grüße
Gerda :smile:

Niko

Beitragvon Niko » 25.10.2007, 19:19

hallo gerda!
das stück gefällt mir mit seiner schwingung. die altertümlich anmutenden worte sind für meinen geschmack zuviel des guten und drohen, die gut wiedergegebene stimmung zu kippen.
"Saßt" geht also genauso wie "saßest".
geht, ist aber, ähnlich wie dräut und monde bereits verstorbener wortschatz.
warum nicht so, gerda? ich frage mich, ob man alte (durchaus schöne) wörter bemühen muss, um diese stimmung zu erzeugen....

verlassen steht der stuhl
auf dem du sommers gesessen
und zeitung last

wie lange her mags sein -
sechs tage, wochen, jahre?

grau wie der stuhl mein haar
es droht der herbst und nebelfeen
begegnen mir nun täglich

den letzten stummen augenblick,
so wird erzählt, vergisst man nicht
ich trage ihn mit mir bis meine augen leer

nur mal so ge(r)dankenverspielt ;-)

lieben gruß: Niko

Perry

Beitragvon Perry » 25.10.2007, 20:22

Hallo Gerda,
damit wir uns nicht missverstehen, ich habe nichts gegen temperierten Pathos in Gedichten.
Manchmal lässt sich der Tod eben nur "verklärt" ertragen.
LG
Manfred


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