Irgendwo

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 06.10.2007, 23:00

Irgendwo

Die Worte sprechen so
belanglos zu mir
durch die Fenster
und im Fernseher

Als wüssten sie
keinen Rat
werden sie laut
und auch sehr heftig


Sie werden gebraucht
den ganzen Tag und gut
genutzt nun mit Bildern
für unsere Meinung

Im besten Sinne sehe
ich sie kommen und gehen
und wirken für Alle
im Kanal der Zeit


Huch, huch,
jetzt bin ich aber erschrocken.
denn ich sprach über Worte
viel zu offen.

Sie werden kommen.
Mit Papier.
Dann bin ich nicht mehr frei.
Zuletzt geändert von moshe.c am 09.10.2007, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.10.2007, 00:01

Lieber Moshe,

interessant sind deine Zeilen. Ich lese sie auf zweierlei Arten.
Einmal so, dass das LI Worte hört, sie abtut als Nebensächlichkeit ("irgendwo"), sich dann aber selbst ertappt, das eben diese Worte doch eine Wirkung auf das LI hatten, es sogar zum Nachdenken anregten und zum Schreiben "zwingen". LI ist nicht mehr frei, weil diese Worte es nicht mehr loslassen.

Die andere Art, es zu lesen:
Die ersten vier Strophen schreiben von Worten, die das LI selbst gesprochen hat, im Fernsehen, zu anderen, für "alle". Diese Worte waren zu offen (vielleicht zu provokativ, etc.) und LI bekommt Probleme deswegen und wird verhaftet oder ähnliches ("Sie werden kommen. Mit Papier. Dann bin ich nicht mehr frei")
Spannend!
Dies meine Gedanken.
Saludos
Mucki
P.S. Ich würde nur einmal "Huch" schreiben. Zweimal wirkt bisschen komisch.

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 07.10.2007, 08:24

moshe,

worte
"Sie werden kommen.
Mit Papier.
Dann bin ich nicht mehr frei."


darüber denke ich auch selbst gerade nach...:cool:

dein erklärender prolog stimmt ein auf diesen letzten kern.

salve
hakuin

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 07.10.2007, 11:17

Hallo moshe,

ich les die letzte Zeile auch als Gefangennahme des Lyrich.

Jemand der in einer scheinbar heilen Welt lebt, bis er über die Worte die er von draußen hört zu deutlich wird.

"huch, huch" gefällt mir überhaupt nicht.

Gruß

reimerle

Gast

Beitragvon Gast » 07.10.2007, 14:12

Lieber moshe,

was du auszudrücken beabsichtigst, kann ich nachvollziehen, aber
ich stolpere gleich im ersten Vers über

moshe hat geschrieben:Die Worte sprechen so
belanglos zu mir
durch die Fenster
und im Fernseher


Was sollte ich mir als Leser vorstellen? Wie können Worte, die zu einem Lyrich sprechen überhaupt "belanglos" sein?
Worte die durchs "Fenster" (imaginäres vielleicht) nach Innen sprechen, die so belanglos sind, dass sie Lyrich möglichweise nicht auditiv wahrnimmt .. . (Imho sprechen sie nicht zu ihm).
Das widerspricht sich m. M. . Wenn etwas zu mir spricht impliziert es, dass es mich erreicht, wie meinst du das?
Offensichtlich meinst du etwas anderes als das, was du schreibst, wenn ich im Text weitergehe.
Aber der Einstieg und jedes Wort ist wichtig (wem sage ich das, nicht wahr) ... und da kommt gleich der nächste Lapsus:

"Im Fernseher", wie habe ich mir das vorzuststellen, ist Lyrich im Fernsehen?
Oder sprechen die Worte belanglos aus dem Fernseher zu ihm?
Die Präposition "im" ist mir unverständlich, auch wenn wir im Umgangsprach gebrauch sagen : Er, sie, es ist "im Fernsehen", was aber etwas anderes ist als im Fernseher

So werde ich abgehalten mich weiter mit dem Text zu beschäftigen, weil er für mich hier schon wackelt.

So long :confused:
Gerda

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 07.10.2007, 22:25

Nun, komisch wie wenig der Gebrauch, die Rolle, die Verurteilung von Worten in einer Diktatur hier noch präsent sind.
Und was es bedeuten kann/konnte, wenn man falsche Worte spricht/sprach, oder denkt/dachte in so einer Situation.
Es gab in Deutschland Gefängnis dafür oder die Ausweisung. Und das ist doch garnicht lange her.

Worte waren/sind Schicksal, auch heute in jeder Gesellschaft, wenn man öffentlich ist.
Wer als öffentliche Person etwas 'Falsches' sagt, ist fast erledigt.
In Diktaturen zählt jedes Wort, was jemand hört und weiterträgt.

Und heute...., wird weiter mit Worten gekämpft.... und auch vernichtet....

Und dann der ewige Schwall an Worten, der täglich versucht zu wirken.
Wieviel nimmt man davon eigentlich noch bewusst war, wieviel davon rieselt einfach so anscheinend vorbei, auch mit Bildern, und bleibt doch kleben.
Ein Tag ohne das geht doch garnicht mehr.

Das ist manchmal schon Sucht und verteidigt sich dann auch so.

Soweit erstmal.

Moshe

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 07.10.2007, 22:28

Hallo moshe,

Der Text ist auf jeden Fall spannend.

Ich würde auch im Fernsehen schreiben und pendle bei dem "Huch, huch" zwischen ´das geht nicht´und ´mal was anderes´hin und her. Aber ganz wichtig scheint mir der letzte Vers.

"Sie werden kommen.
Mit Papier.
Dann bin ich nicht mehr frei.
"

Nicht auf Papier sondern mit Papier, darauf folgt die Unfreiheit. Ich glaube, Dein Text beschreibt ein autoritäres System, dass eine Widerrede gegen die diktierte Meinung (z. B. aus dem Fernsehen) nicht gestattet. Es folgt eine Vorladung und dann Gefängnis für eine systemkritische Meinung.

"Irgendwo" passt dann endlich auch als Titel. Länder von Birma bis Iran gibt es genug als Beispiel.

Wie gesagt spannend.

Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 07.10.2007, 22:41

Irgendwo stehe ich auf dem Schlauch ... lieber moshe.

Ich erwarte , dass du von deinem Text schreibst oder dazu ... und nicht beliebige Regierungsformen herbeizitierst, die irgend etwas mit deinem Text zu tun haben könnten, was mir nicht ersichtlich ist.

Das, worüber du dich in deinem Text erschreckst, (offenenWorte) suche ich vergeblich.

Kläre doch bitte mal die erste Strophe, das würde mir evtl. schon weitehelfen.

Ich lebe in der Gegenwart, habe auch keine persönliche Erfahrung mit einer Diktatur gemacht.
Auch kann ich aus deinem Text keinen konkreten Rückblick auf verbotene Worte in einer Diktatur erlesen.

Mal ein offenes Wort (Vielleicht wir es mir ja verboten) ;-)
Warum redest (schreibst) du drumherum?
Du drückst dich so aus, dass schlichtere Naturen denken müssen: Boah, jetzt verstehe ich, das ist ja hochbrisant, politisch.
Sei mir nicht bös, aber ich folge dir da nicht. Ich hätte gern mal etwas anders als politsches Wischi-Waschi.
Warum steht er denn dann z. B. nicht in Lyrik und Kultur?
So nach den vielen Worten habe ich mir mein Schweigen verdient.

Liebe Abendgrüße
Gerda

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 07.10.2007, 22:45

Lieber Jürgen!

Kannst du dir die dritte Strophe nochmal betrachten.

Ist die zu schwach?

Moshe

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 07.10.2007, 22:59

Hallo Moshe,

Während ich geschrieben hatte, hattest Du geantwortet. Jetzt gefällt mir der Text immer besser.

Sie werden gebraucht
den ganzen Tag und gut
genutzt nun mit Bildern
für unsere Meinung


Sie wirkt recht allgemein (z. B. genutzt nicht benutzt). "Gut" klingt auch sehr harmlos, fast zu positiv. Man könnte sie zynischer gestalten, z. B. ´klug genutzt´ oder ganz aufdringlich ´gezielt´genutzt, letzteres wäre mir aber schon zu viel. Klug statt gut und Tag für Tag statt "den ganzen Tag" wären meine Vorschläge. Aber zu schwach finde ich die Strophe nicht.

Ich denke weiter über deine Frage nach. Es passt wirklich gut in die Kategorie Lyrik und Kultur.

Jürgen

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 07.10.2007, 23:10

LIeber Jürgen!

Es kommt doch so leise und nie mit der der wahren Absicht daher.
Najah, du verstehst es doch.
Sollte ich es nicht besser so lassen, weil es mehr der Praxis angepasst ist?

Ich denke auch weiter nach.

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.10.2007, 23:36

Lieber Moshe,

Und dann der ewige Schwall an Worten, der täglich versucht zu wirken.
Wieviel nimmt man davon eigentlich noch bewusst war, wieviel davon rieselt einfach so anscheinend vorbei, auch mit Bildern, und bleibt doch kleben.
Ein Tag ohne das geht doch garnicht mehr.


In Deutschland geht es mir so, ja.
Ich finde die dritte Strophe nicht zu schwach, da diese Meldungen an einem vorbeirieseln, man hört gar nicht mehr hin, geht zur Tagesordnung über.

Lebt man aber in einer wirklichen Diktatur, läuft es anders, viel extremer, ab. Da wird zensiert, knallhart. Und es spricht nur einer im Fernsehen, der Diktator, und zwar auf allen Sendern. Da kannste hin- und herschalten, soviel du willst. Andere Meinungen wirst du nicht zu sehen bekommen. Der Diktator ist omnipräsent, ebenso Militär und Polizei, an jeder Ecke, vor jeder Kneipe. Du wirst immer wieder kontrolliert. Hast du deine Papiere nicht dabei, hast du verdammt schlechte Karten. Die Angst ist übermächtig präsent, etc. etc.

Moshe, dein Text gehört eindeutig in die Rubrik Lyrik und Kultur.

Wenn du mit deinen Zeilen die gesprochenen Worte und den Umgang damit während einer Diktatur beschreiben willst, ist mir dein Text viel zu harmlos geschrieben.
So kann ich ihn lediglich auf z.B. Deutschland - heute - beziehen (da ist er stimmig für mich), aber nicht auf ein Leben unter einer Diktatur.
Saludos
Mucki

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.10.2007, 00:08

Liebe Gerda!

Ich habe mich gefreut, als du mich fragtest, daß wir unsere Blockade aufheben sollten. Dem hatte ich gern zugestimmt.

Nun lese ich aber mehrfach, daß du mich nicht verstehst, ja auch noch, daß du davon abgehalten wirst, dich mit meinen Texten zu beschäftigen.

Eigentlich hatte ich gedacht, daß du mich nun verstehst, sonst wüsste ich nicht, waruim du dich nun mit mir beschäftigen willst.

Mancher deiner Texte haben mir gut gefallen und an einem hatte ich es bisher zum Ausdruck gebracht.

Du hattest mir mal geraten, weiter zu wachsen. Das habe ich getan, ganz unwillkürlich. Aber nun verstehst du mich nicht mehr? Ja, wechselst deine Meinung plötzlich, wie in dem Thread zum letzten Text, ohne äußeren Grund.(Mich hat es geschockt beide Kommentare von dir nebeneinander zu sehen.)

Es erweist sich, daß du hier, und auch an anderer Stelle, mir nun Unverständnis entgegen bringst.
Dieser Text hier hat gar keine komplizierte Struktur und auch sehr wenig Metaphorik. Eine Transzendenz eigentlich kaum.

Die erste Strophe:

Der Anfang allen Missbrauches ist die Unachtsamkeit, das Beliebige, das man so zulässt. Man hört dies oder jenes, aber nicht so genau hin. Es betrifft einen ja nicht direkt. Es ist fern im Rauschen und Tönen in anderen Ländern, im Distantanzierten der Worte heute mehr als jeh.
Und immer ist es irgendwer oder irgendwas jenseits der eigenen Unmittelbarkeit.

Das ich diir hier so eine anfängliche Erkärung geben muss.....


Noch ein Letztes: Warum steht es nicht in Lyrik und Kultur?

Weil es sehr persönlich ist, ja ein einzelnes Individuum beschreibt.
Wenn man es für Allgemeingültig hält, kann es gern verschoben werden.

So long

Moshe

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.10.2007, 00:13

Liebe Mucki!

Die meisten Menschen in der DDR hatten das garnicht so empfunden, daß sie in einer Diktatur lebten.

Moshe

Wenn der Text wo anders hingehört: Also bitte!


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