November I

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 01.10.2007, 07:25

November I


Die Atemzüge werden kürzer
Hing nicht gestern
noch Gold in den Kastanien

Spürten wir nicht vor kurzem
noch heißen Sand zwischen
den Fingerzeigen der Zeit

Deinen Körper kann ich halten
nur die Seele entflieht
mit dem Schneewind


1. Fassung:

November I


Die Atemzüge wurden kürzer
Hing nicht gestern noch
Gold in den Kastanien

Spürten wir nicht
gerade noch heißen Sand
zwischen den Fingerzeigen der Zeit

Deinen Körper konnte ich halten
nur die Seele entfloh mit dem Schneewind
zu den fernen Gipfeln
Zuletzt geändert von Perry am 05.10.2007, 07:43, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.10.2007, 17:58

Hallo Manfred,

ein trauriges Gedicht über den Tod des LyrDu, aus der Sicht des LI.
Mir fehlt hier ein bisschen das intensive Gefühl/die Gedanken des LIs, wie es mit dem Tod des anderen umgeht. Oder hast du ganz bewusst die Emotionen rausgelassen?
Würdest du sie einbringen, wäre m.E. dein Gedicht eindringlicher (und gehörte dann auch in: Liebeslyrik). So geht die Distanz des LI auf den Leser über, auch wenn man natürlich die Trauer durchaus spürt, keine Frage. Dies meine Gedanken zu deinen Zeilen.
Saludos
Mucki

Trixie

Beitragvon Trixie » 03.10.2007, 18:18

Hallo Manfred!

Im ersten Augenblick denke ich: schöööön traurig.

Aber ein paar Gedanken dazu, mit denen du entweder was anfangen kannst oder mir sagst, wo ich was "falsch" verstehe:

Ich sehe den Zusammenhang zwischen dem Bild in der ersten und der zweiten Strophe nicht. Gerade noch Gold in den Kastanien heißt für mich, dass gerade noch Herbst war. Aber wie kann dann gleichzeitig gerade noch heißer Sand ...? Das erinnert mich dann eher an Sommer, gemeinsamer Urlaub. Aber das passt nicht zusammen für mich. Überhaupt fände ich es schöner, wenn da nicht zweimal "nicht ... noch" stünde. Ich fände da eine andere Formulierung, eine ähnliche vielleicht, schöner.
Die Fingerzeige der Zeit finde ich sehr schön. Ich lese zwar immer erst "Fingerzeiger", aber das macht nichts. Mir gefällt das. Und die letzte Strophe finde ich auch sehr stimmig, bis auf den bestimmten Artikel bei den fernen Gipfeln. Mir würde es ganz ohne Artikel besser gefallen, also "zu fernen Gipfeln".

Liebe Grüße
Trixie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 03.10.2007, 20:18

Lieber Manfred,

ein wehmütiges Gedicht über Erinnerungen und Abschiednehmen.

Sehr zärtlich führst du durch mM 3 Jahreszeiten.

Herbst
Sommer
Winter

Und das klingt für mich verdreht. Ich würde die Strophe mit dem heißen Sand als erste setzen.

November I

Spürten wir nicht
gerade noch heißen Sand
zwischen den Fingerzeigen der Zeit

Die Atemzüge wurden kürzer
Hing nicht gestern noch
Gold in den Kastanien

Deinen Körper konnte ich halten
nur die Seele entfloh mit dem Schneewind
zu den fernen Gipfeln


Es gefällt mir gut, dein Gedicht.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Perry

Beitragvon Perry » 04.10.2007, 09:34

Hallo Mucki,
zuviel Gefühl in lyrischen Texten macht diese schwer. Ich tendiere deshalb mehr zur "Leichtbauweise", dann kann der Pilot/Leser sein eigenes Gepäck besser zuladen.
Danke für deinen Eindruck und LG
Manfred

Hallo Trixie,
der Text ist insgesamt als Rückblick gedacht, pendelt aber darin vom Herbst zurück in den Sommer und vor zum Winter.
Das zweimal "nicht" ist eine Stilfrage, die diesen mehrstufigen Rückblick betonen soll.
Da jeder seine eigene Vorstellung vom Jenseits (ferne Gipfel) hat, habe ich den bestimmten Artikel bewusst gesetzt.
Danke für dein intensives Betrachtung und die Anregungen, die ich bei der Überarbeitung gerne noch einmal genau abwägen werde.
LG
Manfred

Hallo Elsa,
du hast dieses jahreszeitliche Blicken gut erkannt und dein Vorschlag setzt es auch "geradlinig" um. Aber vielleicht ist es gerade dieses Springen in der Zeit, das das innere Pendeln des LyrIchs verdeutlicht.
Freut mich, dass dir meine herbstlichen Zeilen gefallen haben.
Danke und LG
Manfred

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 04.10.2007, 09:36

Lieber Manfred,

vielleicht ist es gerade dieses Springen in der Zeit, das das innere Pendeln des LyrIchs verdeutlicht.


Ich persönlich finde, es unterbricht den Leser, sich ins Gedicht "fallen" zu lassen, unwillkürlich hat es mich herausgerissen, weil ich mir sagte: Da stimmt doch was nicht?

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Trixie

Beitragvon Trixie » 04.10.2007, 11:31

Hallo Manfred,

gerne hab ich dein Gedicht genau betrachtet! Deine Erklärungen scheinen mir auch sehr plausibel (ich verstehe!), aber gerade um diesen Sprung zwischen den ersten beiden Strophen vielleicht noch deutlicher zu setzen und in mehr Zusammenhang - sonst geht es mir wie Elsa - würde ich ein anderes Wort als "gerade" benutzen. Im direkten Bezug zu "gestern" vielleicht so etwas wie "davor" oder "vorher"? Zum Beispiel:

[...]
Hing nicht gestern noch
Gold in den Kastanien

Spürten wir nicht
vorher noch heißen Sand
[...]

OK, das hört sich vielleicht nicht optimal an, aber der Leser muss ja den Gedankensprung auch nachvollziehen können und sich nicht fragen - huch, hat der Autor da was verwechselt ;-) ?

Liebe Grüße
Trixie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.10.2007, 15:13

Hallo Manfred,

zuviel Gefühl in lyrischen Texten macht diese schwer. Ich tendiere deshalb mehr zur "Leichtbauweise", dann kann der Pilot/Leser sein eigenes Gepäck besser zuladen.


Das ist was dran, ja. So habe ich ja auch gleich die Trauer des LIs erkannt, ohne, dass du große Emotionen hineingepackt hast.

Übrigens: Seltsamerweise stolpere ich nicht über die Jahreszeitensprünge. Sie scheinen mir irgendwie sehr authentisch. Gedanken springen nunmal hin und her, gerade in so einer Situation.
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 19.10.2007, 08:19

Hallo ihr Lieben,
habe ganz vergessen, mich für euere Hinweise zu bedanken. Ich hoffe, in der neuen Version ist einiges davon eingeflossen.
Danke und LG
Manfred


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