Die Frage Wann

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 13.09.2007, 09:01

Die Frage Wann

In deinem Muschelgesicht
Tobt zwischen den geschlossenen
Schalen unterirdisch die weiße See.
Wir hätten uns so viel zu sagen.

Deine Hände ein Tier der Tiefe
Sie tasten sich fort auf meinem Leib
Verloren ist er unter ihnen. Kein Jota
Fällt in die Furchen unserer Ozeane.

Das Wort Tod ist noch nicht geschrieben
Noch küsst du die Silben meines Atems.
Schon aber jagt das Raunen durch die Vorhänge
Unserer Leidenschaft zerfetzt Theaterkulissen.

Gast

Beitragvon Gast » 14.09.2007, 11:21

Liebe Caty,

ich betrachte es erst gar nicht als Zerpflücken, wenn ein Autor ernstgemeinte Fragen nach seinem Text beantwortet. Letztlich hat er es ja auch mit den Antworten in der Hand sich abzugrenzen.
Ich stimme annette hier zu:
annette hat geschrieben:meiner Meinung nach wäre es umgekehrt ein Ankleiden des Gedichtes, wenn Du es auf all seinen Ebenen betrachtetest. Du nimmst Deinem Text viele Möglichkeiten und Nuancen, wenn Du ihn nur als unteilbares, unantastbares Ganzes siehst. Ein Text wirkt auf der Ebene seiner Laute, seiner Worte, des Rhythmus, seiner Sprachlichkeit, seiner Strophenform und anderer Dinge mehr. Du wirst ihm nicht gerecht, wenn Du nicht versuchst, diese Ebenen zum Klingen zu bringen.


Nun gut - ich kann mit deiner Art irgendwie zurecht kommen. Befriedigend ist es nicht, aber damit, dass ich das so empfinde hast du sicher kein Problem ;-)

Lieber Max,

ich vergaß, dass ich dir etwas zum "Muschelgesicht" schreiben wollte.
Es gibt doch auch Muscheln, die nicht flach sind. Ich habe keine Ahnung wie sie heißen, aber du kennst bestimmt jene großen, mit reliefartigem Äußeren, das durch Ablagerungen von Salz und Sand entsteht und die innen schillern wie ein Regenbogen ... sie sind handtellergroß ...
Ich finde außerdem, dass man sich von der rein "gegeständlichen" Vorstellung trennen kann @ Logik.


Liebe Grüße in einen sonnigen Tag
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 14.09.2007, 12:47

Ich habe es nicht so richtig gern, des langen und breiten mich über einzelne Absichten, Assoziationen usw. auszulassen. Ich finde, das Gedicht wirkt immer nur als Ganzes und sollte nicht zerrupft werden. Man sollte sich meines Erachtens davor hüten, einen Text zu zerreden.

da möchte ich mal gern drauf eingehen, caty!
im grunde gebe ich dir voll und ganz recht. ein gedicht kann in letzter konsequenz nur bestehen, wenn die stimmung durchhält, wenn es einen ins seiner gänze erreicht. jetzt kommt natürlich das große
AAAAAAAAAAAAABER:
den weg dahin finden nicht angesammelte worte, sondern die zusammenstellung. und die darf und muss man hinterfragen (dürfen) um zb. eine absicht zu erkennen, die man nicht nachvollziehen kann, um zu verstehen: warum macht sie da einen doppelpunkt, und hier schreibt sie einfach ungeachtet weiter? warum wählt sie genau jenes wort und nicht eines der 387 anderen begriffe, die es dafür gibt?
es hat weniger mit kritisieren um des kritisierens willen zu tun. ich finde, davon sollte man niemals ausgehen, wenn man als autor einen kommentar liest (tust du ja nicht ;-) ), sondern, weil man für sich verstehen will. denn soviele unterschiedliche charaktere es in einem forum gibt, soviele unterschiedliche lesarten gibt es letztendlich auch. mit einem kommentar wie meinem ersten kannst du nix anfangen. mit deinem kommentar bei meinem gedicht in umgedrehter version kann ich ebenso wenig anfangen. ich finde, es wird leicht der anschein erweckt (den du sicher nicht vermitteln willst) dass gedichte nur gut oder schlecht zu finden sind. denn alles dazwischen bedarf einer auseinandersetzung. und die kann sich ja nur mit dem auseinandersetzen, was die grundlage des textes bildet: worte.

ich hoffe, niemand nimmt mir das offgetoppel krum. bei auswüchsiger diskussion bitte ich, das ganze ins café zu verlegen. ok?

danke..........und - lieben gruß: Niko

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annette
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Beitragvon annette » 14.09.2007, 12:56

annette hat geschrieben:Wenn das nicht so ist, solls nicht wieder vorkommen.

Sorry, das war zickig.
Ich kanns mir nächstes Mal wahrscheinlich sowieso nicht verkneifen, wieder ein bisschen zu pflücken ;-)

Gruß - annette

Klara
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Beitragvon Klara » 15.09.2007, 14:11

Das hatte ich seltsamerweise völlig anders gelesen als offenbar von der Autorin intendiert.

Ich las: Tod (der naht)
Ich las: Eine große Liebe, bedroht durch den Tod (der naht).
Ich las NICHT: eine sterbende Liebe.

K.

Niko

Beitragvon Niko » 15.09.2007, 15:17

hallo klara!
das finde ich interessant. ich glaube, der text lässt solche assoziationen durchaus zu. ob intendiert oder nicht. formulierungen wie: "wir hätten uns noch soviel zu sagen" ist etwas, was man dringend mit dem physischen sterben in verbindung bringen kann.
vorhänge - zerfetzen (theaterkulissen) - auch hier der zerrissene vorhang im tempel, der in der todesstunde jesu zerreißt.
das gedicht ist auf ein unfreiwilliges scheiden hin ausgelegt. da ist kein streit, man liebt sich. also scheint die variante tod auch logischer zu sein.

ganz schön raffitückisch...

lieben gruß: Niko

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Beitragvon annette » 15.09.2007, 15:45

Caty hat geschrieben:Du weißt es selbst: Wenn eine Beziehung am Ende ist, werden die Gesten und Worte berechnet, sie kommen nicht mehr mit jener Selbstverständlichkeit, die uns die Liebe eingibt, sie haben etwas Aufgesetztes, Beabsichtigtes, eben Theatralisches, man spielt dem anderen etwas vor, um den Bruch zu verzögern.


Liebe caty,

es geht also um eine von sich aus endende Beziehung. Das hatte ich so nicht gelesen. Vielmehr dachte ich an eine Beziehung, die von außen bedroht ist. Das Raunen macht für mich wie gesagt ein Publikum präsent. Brauchst Du speziell das Raunen oder könnte es auch zB heißen: Schon aber jagt ein Rauschen durch die Vorhänge?
Falls Tod auf das Ende der Beziehung hindeuten soll, finde ich das zu dramatisch, ich würde den Tod nicht auf die Beziehung beziehen.

Gruß - annette

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 15.09.2007, 16:27

Liebe Liebenden,

ich lese es auch so wie Klara und Annette. Wegen darum: Die beiden Protagonisten hätten sich immer noch so viel zu sagen, und ihre Leidenschaft fetzt auch immer noch. Da steckt also noch so viel Leben drin, dass der besagte Tod von außen kommen muss, meiner Wahrnehmung nach.


Salute

Pjotr


Edit: Inzwischen lese ich es auch anders: In der Liebesbeziehung ist nun etwa "Halbzeit", die Leidenschaft ist noch kräftig da, aber nicht mehr so heiß, wie am Anfang; es wird die Zeit kommen, in der die Liebesbeziehung stirbt, von innen, ja, durchaus von innen.


Edit 2: Was ich noch sagen wollte: Eigentlich ist es egal, ob der Liebestod von außen oder innen kommt. Schlußendlich bedeutet Ende Ende. Das Ende hat keine Herkunft, es ist ein abstraktes Überall.


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