Die Frage Wann
In deinem Muschelgesicht
Tobt zwischen den geschlossenen
Schalen unterirdisch die weiße See.
Wir hätten uns so viel zu sagen.
Deine Hände ein Tier der Tiefe
Sie tasten sich fort auf meinem Leib
Verloren ist er unter ihnen. Kein Jota
Fällt in die Furchen unserer Ozeane.
Das Wort Tod ist noch nicht geschrieben
Noch küsst du die Silben meines Atems.
Schon aber jagt das Raunen durch die Vorhänge
Unserer Leidenschaft zerfetzt Theaterkulissen.
Die Frage Wann
Hallo Caty,
Du zeichnest ein bildgewaltiges Szenario, das mir gut gefällt. Was mir beim ersten Lesen noch als Bruch erschien, nämlich der Wechsel von der Meeresmetaphorik der ersten beiden Strophen zum Bild des Theaters in der letzten, kommt mir nach wiederholtem Lesen glatter vor, wenn ich die Beziehung als Theaterstück, Schau-Spiel deute - als schönen, leidenschaftlichen, aber gleichwohl falschen Schein, zum Scheitern verurteilt. Doch vielleicht hab ich jetzt auch zuviel "geglättet".
Liebe Grüße
Herby
Du zeichnest ein bildgewaltiges Szenario, das mir gut gefällt. Was mir beim ersten Lesen noch als Bruch erschien, nämlich der Wechsel von der Meeresmetaphorik der ersten beiden Strophen zum Bild des Theaters in der letzten, kommt mir nach wiederholtem Lesen glatter vor, wenn ich die Beziehung als Theaterstück, Schau-Spiel deute - als schönen, leidenschaftlichen, aber gleichwohl falschen Schein, zum Scheitern verurteilt. Doch vielleicht hab ich jetzt auch zuviel "geglättet".
Liebe Grüße
Herby
Liebe Caty,
so ganz kann ich in den Lobgesang nicht einstimmen, obwohl ich das Gedicht mag.
Mir ist Z 3 zu allgemein.
Gerade die "Meeresbilder" gefallen mir sehr und ich finde, dass du sie außergewöhnlich gut umgesetzt hast. Für diese Zeile würde ich ein andere Wendung finden wollen.
Dann das Ende. Urplötzlich bist du beim Bühnenspiel als Metapher. Das ist mir zu pastos, zu dick auf getragen, abgesehen mal von dem Sprung.
Ich fände es interessanter, wenn du weiter mit Bildern des Ozeans arbeiten würdest, ich bin sicher, dass du dort ebenso passende Metaphern finden kannst.
Liebe Grüße
Gerda
so ganz kann ich in den Lobgesang nicht einstimmen, obwohl ich das Gedicht mag.
Mir ist Z 3 zu allgemein.
Gerade die "Meeresbilder" gefallen mir sehr und ich finde, dass du sie außergewöhnlich gut umgesetzt hast. Für diese Zeile würde ich ein andere Wendung finden wollen.
Dann das Ende. Urplötzlich bist du beim Bühnenspiel als Metapher. Das ist mir zu pastos, zu dick auf getragen, abgesehen mal von dem Sprung.
Ich fände es interessanter, wenn du weiter mit Bildern des Ozeans arbeiten würdest, ich bin sicher, dass du dort ebenso passende Metaphern finden kannst.
Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 13.09.2007, 12:59, insgesamt 1-mal geändert.
Attribute, die mir zu diesem Gedicht einfallen:
- Malerisch traumhaft modelliert
- Dominierende Farben blau, schwarz, weinrot
- Im Blutdruck dynamisch zwischen Bombast und Abbau
- Tiefer Klangteppich
- Im Aroma herb, scharf, würzig
Alles in allem: sehr dicht, es macht mir Freude, hinzusehen, -zuriechen, -zuschmecken. Ein Stück, das nicht in Fichteholz gerahmt werden sollte, eher in massiver unlackierter Eiche.
Salve
Pjotr
- Malerisch traumhaft modelliert
- Dominierende Farben blau, schwarz, weinrot
- Im Blutdruck dynamisch zwischen Bombast und Abbau
- Tiefer Klangteppich
- Im Aroma herb, scharf, würzig
Alles in allem: sehr dicht, es macht mir Freude, hinzusehen, -zuriechen, -zuschmecken. Ein Stück, das nicht in Fichteholz gerahmt werden sollte, eher in massiver unlackierter Eiche.
Salve
Pjotr
Liebe Cathy,
ich fürchte, dass ich kritischer bin als die meisten Vorkommentatoren.
Mir fällt auf, dass Du sher kraftvolle Bilder gebrauchst (und das gefällt mir ebenso wie den anderen), aber auch, dass die Bilder an zwei, drei Stellen nicht zueinander oder zur beschriebenen Situation zu passen scheinen.
Wen Du "Muschelgesicht" schreibst, so gefällt mir das an sich, nur ist das Gesicht für mich flächig, also nur eine Seite der Musche (es sei denn Du sähest die Lippen als ihre Öffnung), so dass ich das
nicht sehen kann. Das "unterirdisch" finde ich zudem problematisch, da die Muschel ja zum einen ein Wassertier ist und dann zudem as Wasser über oder unter der Muschel ist, aber nicht wirklich zwischen den Schalen eine tobende See ...
Ähnlich geht es mir in Strophe 2. Ich kann die Hände gut als eine Art Krake sehen, mir auch den Leib vorstellen, dessen sie sich bemächtigen. Aber bei
verlässt Du in meinen Augen das Bild, was hat ein Meerestier mit Buchsctaben zu schaffen? ...
Ich denke, wenn man die Bilder in einen gemeinsamen Kontext betten könnte, würde das Gedicht noch gewinnen.
Liebe Grüße
Max
ich fürchte, dass ich kritischer bin als die meisten Vorkommentatoren.
Mir fällt auf, dass Du sher kraftvolle Bilder gebrauchst (und das gefällt mir ebenso wie den anderen), aber auch, dass die Bilder an zwei, drei Stellen nicht zueinander oder zur beschriebenen Situation zu passen scheinen.
Wen Du "Muschelgesicht" schreibst, so gefällt mir das an sich, nur ist das Gesicht für mich flächig, also nur eine Seite der Musche (es sei denn Du sähest die Lippen als ihre Öffnung), so dass ich das
Tobt zwischen den geschlossenen
Schalen unterirdisch die weiße See.
nicht sehen kann. Das "unterirdisch" finde ich zudem problematisch, da die Muschel ja zum einen ein Wassertier ist und dann zudem as Wasser über oder unter der Muschel ist, aber nicht wirklich zwischen den Schalen eine tobende See ...
Ähnlich geht es mir in Strophe 2. Ich kann die Hände gut als eine Art Krake sehen, mir auch den Leib vorstellen, dessen sie sich bemächtigen. Aber bei
Kein Jota
Fällt in die Furchen unserer Ozeane.
verlässt Du in meinen Augen das Bild, was hat ein Meerestier mit Buchsctaben zu schaffen? ...
Ich denke, wenn man die Bilder in einen gemeinsamen Kontext betten könnte, würde das Gedicht noch gewinnen.
Liebe Grüße
Max
Huch, wo fängt man an?
Lieber NJKahlen: Nicht schlecht, Herr Specht.
Lieber Nihil: Ich bin da variabel. Nur das Wort "inwändig" (schreibt man das neuerdings so?) gefällt mir nicht so recht. Wobei ich mit "unterirdisch" eigentlich sagen wollte, dass man das "Toben" nicht sieht, dass aber so viel Vertrautheit da ist, dass das Ich es bemerkt. Es ist auch eine Anspielung auf die See, man sieht nur die ruhige Oberfläche, das eigentliche Leben spielt sich "unten" ab.
Naja, eine lasche Erklärung.
Lieber Herby: So ungefähr. Das Theaterbild deutet ja an, dass da etwas nicht (mehr) so echt ist, wie es aussieht (siehe Titel).
Liebe Gerda: Zur dritten Verszeile habe ich keine Erklärung, ich fand einfach diese Worte.
Dass ich vom "Wasser"-Bild zum "Theater"-Bild wechsle, will ich verteidigen. Vielleicht wäre das so erklärbar: Wasser ist ein Urelement, voller Segen, aber auch voller Zerstörungskraft.
Hier spielt auch liebevoll-traurige Ironie mit hinein. Denn in der letzten Strophe wird aufgedeckt: Diese Liebe ist am Ende.
Lieber Pjotr: Ich wäre froh, wenn ich selbst so eindrucksvolle Worte in dem Gedicht gefunden hätte. (grins)
Liebe Klara: Kürzer kann mans nicht sagen. Wahnsinnslob!
Lieber Max: Eine Muschel öffnet und schließt sich. Eine Metapher für Verschlossenheit. Auf Fläche komm ich da nicht. Die Verszeile mit dem Jota ist ein Wiederaufnehmen des Gedankens auf S1Z4. Wobei "Furchen unserer Ozeane", jedenfalls sehe ich das so, eine erotische Metapher ist.
An alle: Habt meinen besten Dank für die Beschäftigung mit dem Text.
Herzliche Grüße Caty
Lieber NJKahlen: Nicht schlecht, Herr Specht.
Lieber Nihil: Ich bin da variabel. Nur das Wort "inwändig" (schreibt man das neuerdings so?) gefällt mir nicht so recht. Wobei ich mit "unterirdisch" eigentlich sagen wollte, dass man das "Toben" nicht sieht, dass aber so viel Vertrautheit da ist, dass das Ich es bemerkt. Es ist auch eine Anspielung auf die See, man sieht nur die ruhige Oberfläche, das eigentliche Leben spielt sich "unten" ab.
Naja, eine lasche Erklärung.
Lieber Herby: So ungefähr. Das Theaterbild deutet ja an, dass da etwas nicht (mehr) so echt ist, wie es aussieht (siehe Titel).
Liebe Gerda: Zur dritten Verszeile habe ich keine Erklärung, ich fand einfach diese Worte.
Dass ich vom "Wasser"-Bild zum "Theater"-Bild wechsle, will ich verteidigen. Vielleicht wäre das so erklärbar: Wasser ist ein Urelement, voller Segen, aber auch voller Zerstörungskraft.
Hier spielt auch liebevoll-traurige Ironie mit hinein. Denn in der letzten Strophe wird aufgedeckt: Diese Liebe ist am Ende.
Lieber Pjotr: Ich wäre froh, wenn ich selbst so eindrucksvolle Worte in dem Gedicht gefunden hätte. (grins)
Liebe Klara: Kürzer kann mans nicht sagen. Wahnsinnslob!
Lieber Max: Eine Muschel öffnet und schließt sich. Eine Metapher für Verschlossenheit. Auf Fläche komm ich da nicht. Die Verszeile mit dem Jota ist ein Wiederaufnehmen des Gedankens auf S1Z4. Wobei "Furchen unserer Ozeane", jedenfalls sehe ich das so, eine erotische Metapher ist.
An alle: Habt meinen besten Dank für die Beschäftigung mit dem Text.
Herzliche Grüße Caty
Hallo Caty,
zunächst waren auch mir zum einen die Bildfelder (Meer, Theater) zu disparat, und zum anderen scheinen mir die einzelnen Metaphern nicht wirklich durchgehalten. Ich bin wie Max an unterirdisch hängen geblieben. In der ersten Strophe verwirren mich die relativen Ortsangaben:
In deinem Muschelgesicht
Tobt zwischen den geschlossenen
Schalen unterirdisch die weiße See.
Darin, dazwischen und darunter/unter der Erde – das ergibt für mich kein stimmiges Bild.
Aber da ist noch eine dritte Bedeutungsebene, die ich sehr spannend finde: die Sprache.
Ich versuche mal: Die ersten zehn Verse sind von Schweigen beherrscht:
geschlossene Schalen
hätten uns so viel zu sagen
kein Jota fällt.
Es gibt körperliche Nähe, aber sprachliche Ferne.
Das Wort Tod ist noch nicht geschrieben
Ein Wort, das noch nicht geschrieben ist. Etwas ist noch nicht ausgesprochen? Der Tod beherrscht noch nicht die Szene?
Noch küsst du die Silben meines Atems.
Die einzigen Silben des Ich sind seine Atemzüge und die Erwiderung des Du ist der Kuss (gefällt mir sehr!)
Dann kommt das Raunen und zerstört die Situation. Die Szene wird als gespielt entlarvt? Das Raunen ist das Publikum? Sind Zuschauer? Die Anderen? Sie reden und zerreden die Leidenschaft?
Im Schweigen liegen Lust und Erfüllung und die Sprache (über den Tod oder über andere) bringt Zerwürfnis?
Dann noch der Titel. Wann bekommt die Kulisse Risse? Geht es um den Zeitpunkt, an dem die Situation kippt?
Das sind mehr Fragen als eine Interpretation.
Was mir von den Bildern her eigentlich etwas zu bombastisch, zuviel Theaterdonner ist, hat mich dann doch sehr angeregt, wie Du siehst.
Gruß - annette
zunächst waren auch mir zum einen die Bildfelder (Meer, Theater) zu disparat, und zum anderen scheinen mir die einzelnen Metaphern nicht wirklich durchgehalten. Ich bin wie Max an unterirdisch hängen geblieben. In der ersten Strophe verwirren mich die relativen Ortsangaben:
In deinem Muschelgesicht
Tobt zwischen den geschlossenen
Schalen unterirdisch die weiße See.
Darin, dazwischen und darunter/unter der Erde – das ergibt für mich kein stimmiges Bild.
Aber da ist noch eine dritte Bedeutungsebene, die ich sehr spannend finde: die Sprache.
Ich versuche mal: Die ersten zehn Verse sind von Schweigen beherrscht:
geschlossene Schalen
hätten uns so viel zu sagen
kein Jota fällt.
Es gibt körperliche Nähe, aber sprachliche Ferne.
Das Wort Tod ist noch nicht geschrieben
Ein Wort, das noch nicht geschrieben ist. Etwas ist noch nicht ausgesprochen? Der Tod beherrscht noch nicht die Szene?
Noch küsst du die Silben meines Atems.
Die einzigen Silben des Ich sind seine Atemzüge und die Erwiderung des Du ist der Kuss (gefällt mir sehr!)
Dann kommt das Raunen und zerstört die Situation. Die Szene wird als gespielt entlarvt? Das Raunen ist das Publikum? Sind Zuschauer? Die Anderen? Sie reden und zerreden die Leidenschaft?
Im Schweigen liegen Lust und Erfüllung und die Sprache (über den Tod oder über andere) bringt Zerwürfnis?
Dann noch der Titel. Wann bekommt die Kulisse Risse? Geht es um den Zeitpunkt, an dem die Situation kippt?
Das sind mehr Fragen als eine Interpretation.
Was mir von den Bildern her eigentlich etwas zu bombastisch, zuviel Theaterdonner ist, hat mich dann doch sehr angeregt, wie Du siehst.
Gruß - annette
Liebe Caty,
kannst du bitte ein wenig mehr noch eingehen auf einzelne Anmerkungen?
Ich wüsste sehr gern warum ausgerechnet "Jota"und nicht "beta, gamma, delta" ...
Die neuen Fragen von Annette schließen direkt an jene von Max an, die für mich irgenwo auch offen sind. Wäre schön - denn ich würde deine Intention gern verstehen - etwas mehr von dir dazu zu lesen
Halte dich doch nicht so bedeckt
Reicht, wenn der Himmel so ist.
Liebe Grüße
Gerda
kannst du bitte ein wenig mehr noch eingehen auf einzelne Anmerkungen?
Ich wüsste sehr gern warum ausgerechnet "Jota"und nicht "beta, gamma, delta" ...
Die neuen Fragen von Annette schließen direkt an jene von Max an, die für mich irgenwo auch offen sind. Wäre schön - denn ich würde deine Intention gern verstehen - etwas mehr von dir dazu zu lesen
Halte dich doch nicht so bedeckt
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Liebe Grüße
Gerda
Liebe Gerda, liebe Annette,
ich bin keine Freundin des sophistischen Zerpflückens von Gedichten, mir geht es immer um den "Geist" eines Gedichts. Meiner Erfahrung nach haben Gedichte mit "reiner Logik" nichts zu tun, dann nämlich wären sie wissenschaftliche Traktate. Ich habe es nicht so richtig gern, des langen und breiten mich über einzelne Absichten, Assoziationen usw. auszulassen. Ich finde, das Gedicht wirkt immer nur als Ganzes und sollte nicht zerrupft werden. Man sollte sich meines Erachtens davor hüten, einen Text zu zerreden. Aus diesem Grunde kann ich dir, Annette, auch gar nicht auf Einzelnes antworten, denn jede Antwort wäre das Entkleiden des Gedichts. Ich habe das irgendwo schon mal geschrieben, dass das Gedicht dem Autor nicht mehr gehört, wenn er es aus der Hand gibt, sondern es gehört jedem Leser einzeln, der sich einen Reim darauf macht. Nur eines noch: Annette, deine Frage, ob die Szene gespielt sei, zeigt mir, dass du die Differenziertheit der Beziehung (es geht um nur die beiden, nicht um irgendwelche Zuschauer, die beiden sind die "Zuschauer") dir nicht bildlich vorstellen kannst. Du weißt es selbst: Wenn eine Beziehung am Ende ist, werden die Gesten und Worte berechnet, sie kommen nicht mehr mit jener Selbstverständlichkeit, die uns die Liebe eingibt, sie haben etwas Aufgesetztes, Beabsichtigtes, eben Theatralisches, man spielt dem anderen etwas vor, um den Bruch zu verzögern. Lediglich zum "unterirdisch" muss ich nun doch was Logisches sagen: Unter jedem Wasser befindet sich auch die Erdkruste, das Wasser liegt nicht auf dem Erdkern auf, insofern ist unterirdisch als sehr hohe Steigerungsform für eine Emotion schon das richtige Wort, ich habe es so empfunden. Ich hatte nicht vor, ein irgendwie geartetes "wissenschaftlich korrektes" Gedicht zu schreiben, sondern mit lyrischen Bildern Empfindungen zu beschreiben.
Gerda, was soll ich dir sagen zu Jota? Jota steht als Metapher für die Sprache, genauso wie das Alpha und Omega für Anfang und Ende steht. Soviel ich weiß, geht beides auf die Luthersche Bibelübersetzung zurück und ist als Redewendung in die Umgangssprache eingegangen. Ist das verständlich genug?
Herzliche Grüße Caty
ich bin keine Freundin des sophistischen Zerpflückens von Gedichten, mir geht es immer um den "Geist" eines Gedichts. Meiner Erfahrung nach haben Gedichte mit "reiner Logik" nichts zu tun, dann nämlich wären sie wissenschaftliche Traktate. Ich habe es nicht so richtig gern, des langen und breiten mich über einzelne Absichten, Assoziationen usw. auszulassen. Ich finde, das Gedicht wirkt immer nur als Ganzes und sollte nicht zerrupft werden. Man sollte sich meines Erachtens davor hüten, einen Text zu zerreden. Aus diesem Grunde kann ich dir, Annette, auch gar nicht auf Einzelnes antworten, denn jede Antwort wäre das Entkleiden des Gedichts. Ich habe das irgendwo schon mal geschrieben, dass das Gedicht dem Autor nicht mehr gehört, wenn er es aus der Hand gibt, sondern es gehört jedem Leser einzeln, der sich einen Reim darauf macht. Nur eines noch: Annette, deine Frage, ob die Szene gespielt sei, zeigt mir, dass du die Differenziertheit der Beziehung (es geht um nur die beiden, nicht um irgendwelche Zuschauer, die beiden sind die "Zuschauer") dir nicht bildlich vorstellen kannst. Du weißt es selbst: Wenn eine Beziehung am Ende ist, werden die Gesten und Worte berechnet, sie kommen nicht mehr mit jener Selbstverständlichkeit, die uns die Liebe eingibt, sie haben etwas Aufgesetztes, Beabsichtigtes, eben Theatralisches, man spielt dem anderen etwas vor, um den Bruch zu verzögern. Lediglich zum "unterirdisch" muss ich nun doch was Logisches sagen: Unter jedem Wasser befindet sich auch die Erdkruste, das Wasser liegt nicht auf dem Erdkern auf, insofern ist unterirdisch als sehr hohe Steigerungsform für eine Emotion schon das richtige Wort, ich habe es so empfunden. Ich hatte nicht vor, ein irgendwie geartetes "wissenschaftlich korrektes" Gedicht zu schreiben, sondern mit lyrischen Bildern Empfindungen zu beschreiben.
Gerda, was soll ich dir sagen zu Jota? Jota steht als Metapher für die Sprache, genauso wie das Alpha und Omega für Anfang und Ende steht. Soviel ich weiß, geht beides auf die Luthersche Bibelübersetzung zurück und ist als Redewendung in die Umgangssprache eingegangen. Ist das verständlich genug?
Herzliche Grüße Caty
Caty hat geschrieben:ich bin keine Freundin des sophistischen Zerpflückens von Gedichten, mir geht es immer um den "Geist" eines Gedichts. [...] Man sollte sich meines Erachtens davor hüten, einen Text zu zerreden. Aus diesem Grunde kann ich dir, Annette, auch gar nicht auf Einzelnes antworten, denn jede Antwort wäre das Entkleiden des Gedichts.
Hallo Caty,
meiner Meinung nach wäre es umgekehrt ein Ankleiden des Gedichtes, wenn Du es auf all seinen Ebenen betrachtetest. Du nimmst Deinem Text viele Möglichkeiten und Nuancen, wenn Du ihn nur als unteilbares, unantastbares Ganzes siehst. Ein Text wirkt auf der Ebene seiner Laute, seiner Worte, des Rhythmus, seiner Sprachlichkeit, seiner Strophenform und anderer Dinge mehr. Du wirst ihm nicht gerecht, wenn Du nicht versuchst, diese Ebenen zum Klingen zu bringen.
Wenn ich also nicht zerpflücke um das Zerpflückens willen, warum dann? Weil ich beim Lesen des Gedichtes an einigen Stellen sofort stutze (ohne darüber nachzudenken), weil mir Dinge nicht zusammen passen wollen. Ich versuche dann herauszufinden, warum das so ist. Ich befrage den Text auf seine Aussagen und Botschaften und versuche zu verstehen, wo es für mich hakt.
Natürlich wirkt ein Gedicht nicht auf der logischen Ebene. Wenn an einem Gedicht für mich alles stimmt, muss ich nicht analysieren. Aber wenn ich Probleme mit Stellen habe, will ich wissen warum. Und um jemand anderem das zu vermitteln, brauchen wir eine gemeinsame Sprache, die nicht selbst Lyrik sein kann.
Ich hätte Dir auch sagen können, „der Geist des Gedichtes gefällt mir nicht recht, irgendwie kann ich mich da nicht so einfühlen“. Aber ich dachte, vielleicht kannst Du mit konkreter Kritik mehr anfangen.
Wenn das nicht so ist, solls nicht wieder vorkommen.
Gruß - annette
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