Cäcilia

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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annette
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Beitragvon annette » 08.09.2007, 22:39

Cäcilia

Vor langer Zeit hat sich ein Wald in dir verlaufen
weiß nicht mehr ein noch aus.
Seitdem durchwanderst du ihn Nacht für Nacht
in trauter Sorge um euch zwei.
Malst ihm Bilder, Schilder, Weiser
singst ihm vom Woher und Wohin
vom Glück zu bleiben, am Abend
vom rechten Zeitpunkt zu gehen
- doch er schluckt Farben wie die Worte
verheimlicht Weg, verweigert Lichtung.

Nur manchmal bleiben Pinselpfade
wie Adern im Dickicht
findest du Feuerstellen von Alten und Helden
über der warmen Kohle riecht die Luft noch nach Liedern
und der Morgen nach Moos.

Wachst auf in deinem Spielzeughaus
duckst dich unter dem Türsturz
auf den Stufen finden Füße nie ganz Platz.
Stühle, Sofa, Hocker sind bemüht dir zu passen.
Die Decke ballt sich zur tiefen Wolke über dir
aus Schubladen quillt Staub, der dir den Atem nimmt.

Draußen läufst du mit den Jungs um die Wette
schaukelst höher als alle
deine Augen indessen
mogeln sich am Horizont vorbei.
Mit dem Rad an Grachten entlang
suchst du von jeder Brücke den Blick der Frau im Wasser
nickst dem graustolzen Reiher zu.
Nachmittags schiebst du Wolken durch den Park
und trinkst Tee aus der Schale der Hände.
Erhebst deine Stimme darüber
bis es dämmert.


Farben weichen, Konturen werden wankelmütig
du kehrst zurück zur Leinwand
zu den Enttäuschten und Entwegten
behaust die Verstiegenen und die Gefallenen
wiegst Alb und Nachtmahr in den Schlaf:
Verirrte in deinem Wald.

Du tröstest Münder und Augen
machst sie zu Gesichtern
flüsterst ihnen, was sie niemals ahnten.
(Dein Pinsel ist verschwiegen.)
Malst dem Wald hundert Masken
und lässt sie an deinen Wänden wohnen.

Mit Dank an reimerle und smile für die Änderungen in der ersten und letzten Strophe!

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1.Version
Cäcilia

Vor langer Zeit hat sich ein Wald in dir verlaufen
weiß nicht mehr ein noch aus.
Durchwanderst ihn nun Nacht für Nacht
in trauter Sorge um euch zwei.
Malst ihm Bilder, Schilder, Weiser
singst für ihn vom Woher und Wohin
vom Glück zu bleiben, am Abend
vom rechten Zeitpunkt zu gehen
− doch er schluckt Farben und Worte
verheimlicht Weg, verweigert Lichtung.

Nur manchmal bleiben Pinselpfade
wie Adern im Dickicht
findest du Feuerstellen von Alten und Helden
über der warmen Kohle riecht die Luft noch nach Liedern
und der Morgen nach Moos.

Wachst auf in deinem Spielzeughaus
duckst dich unter dem Türsturz
auf den Stufen finden Füße nie ganz Platz.
Stühle, Sofa, Hocker sind bemüht dir zu passen.
Die Decke ballt sich zur tiefen Wolke über dir
aus Schubladen quillt Staub, der dir den Atem nimmt.

Draußen läufst du mit den Jungs um die Wette
schaukelst höher als alle
deine Augen indessen
mogeln sich am Horizont vorbei.
Mit dem Rad an Grachten entlang
suchst du von jeder Brücke den Blick der Frau im Wasser
nickst dem graustolzen Reiher zu.
Nachmittags schiebst du Wolken durch den Park
und trinkst Tee aus der Schale der Hände.
Erhebst deine Stimme darüber
bis es dämmert.


Farben weichen, Konturen werden wankelmütig
du kehrst zurück zur Leinwand
zu den Enttäuschten und Entwegten
behaust die Verstiegenen und die Gefallenen
wiegst Alb und Nachtmahr in den Schlaf:
Verirrte in deinem Wald.

Heilst Nasen, Augen zu Gesichtern
flüsterst ihnen, was sie niemals ahnten.
(Dein Pinsel ist verschwiegen.)
Malst dem Wald hundert Masken
und lässt sie an deinen Wänden wohnen.
Zuletzt geändert von annette am 18.09.2007, 13:10, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 09.09.2007, 12:28

Liebe annette,

Deinen Text habe ich glesen und zunächst über den Hintergrund gegrübelt.
Damit ich nicht weiter im Dunklen tappe, frage ich lieber, ob er sich an diese Legende anlehnt.

http://www.heiligenlexikon.de/Biographi ... cilia.html


Liebe Grüße
Gerda

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annette
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Beitragvon annette » 09.09.2007, 15:45

Nein, liebe Gerda, damit hat es gar nichts zu tun.
Ich habe zwar, als der Titel schon stand, mal gegoogelt, weil ich so etwas vermutete, habe dann aber keinen Bezug gesehen und den Titel nicht verändern wollen.

Gruß - annette

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 09.09.2007, 18:54

Hallo Annette,

ich bin auch wie Gerda auf den Spuren der Heiligen gewandelt bzw. habe denen nachgegoogelt, auch wenn ich nicht so recht geglaubt habe dort fündig zu werden.

Ich finde diese lyrische Erzählung schön. Das Bild von dem Wald, der sich in die Malerin verirrt, die sich um ihn (bzw um ihn und sich) kümmert ist sehr stark. (Schade übrigens, dass du den ersten Vers nicht komplett ins Metrum transportiert hast.)

Dann der leicht mythenangereicherte Abschnitt, der wieder mit dem Aufwachen im Heute mündet. Das ist zwar nicht neu, aber so besetzt, dass es eben nicht wie ein dreimal gefilterter Aufguß wirkt.

Seit den Kranichen des Ibykus mag ich weder Kraniche noch Reiher mehr. Der stört mich. Aber ich verzeih ihn dir für den Tee aus den Schalen der Hände.

Bei "behaust" dachte ich im ersten Moment spontanm, nanu Bildhauern kann das Lyrich auch? ERst beim zweitenmal lesen bin ich dann auf das "behausen" gekommen, das gemeint ist, nicht? Der transportierte Sinn gefällt mir an dem Wort, wird wohl auch kein besseres geben, mit dem die Doppeldeutigkeit gleich von Anfang an nicht mehr da ist.


Das Nasen heilen ist mir zu hoch. Augen zu Gesichtern stell ich mir so vor, dass in dem Wald Augen funkeln, ohne dass das Lyrich die dazugehörige Gestalt sieht. Und das Lyrich flüstert Dinge, die der Wald nicht kennt und die sie keinem anderen anvertrauen will.

Dann die beiden Schlusszeilen, die das geheimnisvolle des Waldes aus dem ersten Abschnitt wieder aufgreifen. Das LYrich malt seine Masken über die MAsken des Waldes und hängt das dann an die Wände.

Wunderbarer Schluss

sehr sehr gern gelesen.

Gruß

reimerle

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annette
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Beitragvon annette » 10.09.2007, 12:35

Hallo reimerle,

ich habe mich sehr über Deine einfühlsame Beschäftigung mit dem Text gefreut!
(Schade übrigens, dass du den ersten Vers nicht komplett ins Metrum transportiert hast.)


Du meinst, ich hätte die erste Strophe komplett alternierend setzen sollen? Spätestens mit der zweiten Strophe kommt dann der Bruch, und ich finde die erste auf ihre Weise sehr rhythmisch. Aber ich nehme Deine Anregung gerne an und bastel noch etwas am Metrum.

Ich möchte im Moment noch nichts vorweg nehmen, vielleicht möchte ja noch jemand etwas unvoreingenommen kommentieren. Aber im Großen und Ganzen nicke ich zu Deiner Lesart – und ebenso zu Deinen Bedenken: Das „behaust“ ist nicht ganz eindeutig und „heilen“ behagt mir auch nicht vollständig.

Vielen Dank für Deine Zeilen!
Gruß - annette

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 10.09.2007, 12:43

Hallo Annette,

das Alternierende mein ich nicht:

in trauter Sorge um euch zwei.
Malst ihm Bilder, Schilder, Weiser
singstihm vom Woher, Wohin
vom Glück zu bleiben und am Abend
vom rechten Zeitpunkt weg/heim zu gehen
− doch er schluckt Farben wie die Worte
verheimlicht Weg, verweigert Lichtung.

Da wo ich geändert habe, hats für mich leicht geruckelt.

Gruß

reimerle

Gast

Beitragvon Gast » 10.09.2007, 14:49

Liebe Annette,

deine Antwort beruhigt mich, denn ich hätte mich ziemlich schwer damit getan, zu diesem Gedicht, das so dicht erzählt, unter Berücksichtigung einer solchen Intention etwas zu schreiben.

So kann ich mich in diesen Text begeben und unbelatet lesen. :smile:
Mir gefällt es wie du doch Einges auf den "Kopf stellst" und zugleich auch relativierst.
Das beginnt bereits damit, dass sich der Wald verläuft und nicht Cäcilia.
Das Erzählich könnte die sich sorgende Mutter der Malerin sein, aber ich denke, das ist vielleicht meine mütterliche Sicht.
(Vielleicht hat auch Alice im Wunderland deine Intention beflügelt).
Wie auch immer ich kann nur sagen, ich finde es gut gelungen bis auf Kleinigkeiten, die aber reimerele schon ansprach, wobei mich der Reiher nicht stört ... aber das heilst Nasen .
Möglich, dass mich das aber nur deshalb stört, weil ich glaube, dass Cäcilia vielleicht Zuwendung bnötigt, die zu einer Art "Heilung" (Gesundung) führen würde, damit sie mit ihren imnneren Wald zurecht kommt.

Eine außergewöhnliche Idee gut umgesetzt.

Liebe Grüße
Gerda

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 12.09.2007, 14:13

Hallo Anette,

das ist ein sehr interessanter Text, der mir in seiner Bildhaftigkeit gut gefällt. Wie reimerle empfinde ich den ersten Abschnitt stellenweise als holpernd, obwohl ich nicht weiß, ob das nicht so von dir beabsichtigt ist.
Ich ändere mal im Text, damit du siehst, was ich meine. Der Gedanke, dass sich der Wald im Ich verlaufen hat, finde ich so gelungen, dass ich ihn weiterführen würde.

Vor langer Zeit hat sich ein Wald in dir verlaufen
weiß nicht mehr ein noch aus.
Er durchwandert dich ihn nun Nacht für Nacht
du hütest ihn in trauter Sorge um euch zwei.
Malst ihm Bilder, Schilder, Weiser
singst ihmfür ihnvom Woher und vom Wohin
vom Glück zu bleiben und am Abend
vom rechten Zeitpunkt heimzu gehen
− doch er schluckt Farben und dieWorte
verheimlicht Weg, verweigert Lichtung.


über der warmen Kohle riecht die Luft noch nach Liedern
und der Morgen nach Moos.

Die Decke ballt sich zur tiefen Wolke

Das ist sehr schön!

Das Ende finde ich (bis auf die Nasen) sehr gelungen.

liebe Grüße smile

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annette
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Beitragvon annette » 12.09.2007, 15:10

Hallo reimerle,

danke, dass Du wegen des Rhythmus noch mal deutlicher geworden bist. Ich habe zwei Deiner Vorschläge übernommen:

singst ihm ist eindeutig schöner als singst für ihn.
Die Daktylen in den Versen 6, 7 und 8 habe ich belassen:
Woher und Wohin fließt meiner Meinung nach besser als Woher, Wohin.
Im Vers vom Glück zu bleiben, am Abend soll die Zäsur beim Komma zwischen den beiden Senkungen dazu dienen, eine Pause zu machen und beim Bleiben etwas zur Ruhe zu kommen.
Und das gehen will ich gar nicht spezifizieren. Außerdem bekommen so die Verse 7 und 8 einen parallelen Rhythmus, der sie etwas heraushebt.
Farben wie die Worte habe ich wieder übernommen.

Vielleicht liest es sich so für Dich auch schon besser?

Ach, und die leidigen Nasen habe ich herausgenommen und die Stelle etwas verändert.

Danke für die hilfreichen Vorschläge!
Gruß – annette

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Beitragvon annette » 12.09.2007, 15:12

Liebe Gerda,

schön, dass Dir meine „unheilige“ Interpretation eher zusagt *grins*

mich der Reiher nicht stört ... aber das heilst Nasen.
Möglich, dass mich das aber nur deshalb stört, weil ich glaube, dass Cäcilia vielleicht Zuwendung bnötigt, die zu einer Art "Heilung" (Gesundung) führen würde, damit sie mit ihren imnneren Wald zurecht kommt.


Ja, „Nasen heilen“ war wirklich blöde. Auch, wenn es Dich auf den guten Gedanken gebracht hat, dass Cäcilia selbst Heilung braucht. Ich habe die Stelle jetzt verändert. "Trösten" statt "Heilen"? Oder denkt man jetzt an "Augentrost"?

Schön, dass es Dir ansonsten gefällt.
Gruß – annette

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Beitragvon annette » 12.09.2007, 15:16

Liebe smile,

ja, der Gedanke des verirrten Waldes ist mir wichtig, aber ich hätte Angst, ihn überzustrapazieren. Ich möchte schnell eine Ebene, eine Verschachtelung weiter gehen und Cäcilia durch den in ihr verirrten Wald laufen lassen. Außerdem brauche ich das für die zweite Strophe, in der sie sich ja im Wald befindet.

Ich habe versucht, die erste Strophe nach reimerles und Deinen Vorschlägen zu entholpern. Ich weiß nicht, ob mir das gelungen ist, weil sie sich für mich auch vorher schon gut las. Vielleicht müsste ich eine Hörversion einstellen.

Zu Deinen Vorschlägen:
Ich möchte nicht den Wald wandern lassen aus den genannten Gründen.
Das "hüten" finde ich sehr schön und passend, ich überlege noch, ob und wie ich es einbaue, vielleicht auch in doppelter Bedeutung in der Art: "Du hütest Dich und ihn".
singst ihm habe ich übernommen.
"heimzugehn": das möchte ich als gehen offen lassen. Es kann heimgehen" heißen, aber auch fort gehen.

Danke für Deine Gedanken und Vorschläge!

Gruß - annette

Gast

Beitragvon Gast » 12.09.2007, 16:04

Liebe annette,

kann es sein, dass du vergessen hast, die Änderungen oben zu ändern Bild

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon annette » 12.09.2007, 16:14

Ops, sorry.
Jetzt stimmts. (Toller smiley, den Du da hast *lach*)
Danke!

Gast

Beitragvon Gast » 12.09.2007, 16:28

Ja, der passte gut, hier wenn es dich interssiert, die helfen mir manchmal ohne Worte
http://www.cosgan.de/smilie.php?wahl=6&ziel=konfus
maxt nix
G.


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