Kriegsbilder

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Heidrun

Beitragvon Heidrun » 10.09.2007, 01:18

entfernt
H. D.
Zuletzt geändert von Heidrun am 14.09.2007, 07:26, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 10.09.2007, 11:43

Liebe Heidrun,

eine erste, allerdings nur kurze Rückmeldung für den Moment: Du entwirfst ebenso ein- wie nachdrückliche Bilder des Krieges.
Und doch habe ich das Gefühl, dass mich etwas an ihnen stört, ohne dass ich Dir im Augenblick dieses "etwas" konkret erläutern könnte. Es ist, wie ich zugeben muss, ein sehr diffuses Empfinden. Ich hoffe, es wird mir bei wiederholtem Lesen klarer, was ja auch bedeuten kann, dass es sich verflüchtigt.

Herzliche Grüße
Herby

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 10.09.2007, 12:49

Hallo Heidrun,

die Verwendung der Edelsteine (insbesondere Moosachate sind extrem stark) find ich klasse. Was mich am LEsefluss stört sind die "hoffend, wartend ächzend etc) Stilmittel.

Gehen tuts ja auch ohne die

und wie Mütter sorgenvoll
auf ein Wunder hoffen

Ist nur mein Geschmack, klar. Aber so geändert liest es sich für mich flüssiger, ohne dass ich das Gefühl habe, ich werde mit der Nase auf den Punkt gedrückt, auf den es ankommt. Das klingt jetzt wahrscheinlich härter als ich es gemeint habe, mir gefällt der Text trotzdem.

Gruß

reimerle

Gast

Beitragvon Gast » 10.09.2007, 12:55

Liebe Heidrun,

mir erscheint dein Text etwas gekünstelt und ein bisschen starr. Wenn du das erreichen wolltest, ist es dir gelungen.

Die Edelsteine hast du sicher bewusst als Metaphern eingesetzt.
Ich kenne sie alle, bin mir aber über ihre (vielleicht?) esoterische Bedeutung und/oder jen in der Mythologie nicht im Klaren und habe auch nicht nachgesehen.
Im Prinzip funktionieren die Bilder, die die Steine erzeugen auch bei mir.
Nur beim Obsidian, den du "kalt" benennst, frage ich mich, warum? Weil er sich so anfühlt?
Das würde stimmig sein, denn vom Aussehehen her wirkt er lebhaft, wenn ich beispielsweise an das wundervolle Aussehen des Schneeflockenobsidians denke.

Insgesamt ist mir dein Text dennoch etwas nahe an eigner Betroffenheit will mir scheinen.

Das Gedicht hat nicht das Leid des Krieges zum Thema, sondern das Leid, welches dem Maler die Bilder in der Vorstellung und beim Malen verursachen. Das empfinde ich als problematisch, weil es mich so nicht berührt.

Auf mich wirkt der Text deshalb nicht authentisch, so paradox es sich anhören mag.

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 10.09.2007, 15:11, insgesamt 2-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.09.2007, 13:06

Hallo,

die "-end"-Form (wie heißt das nochmal auf lateinisch?) finde ich hier passend, Reimerle, weil es das Bilderdarstellen verdeutlicht, also das schnappschussartige im Gegensatz zum weiterdauernden Infinitiv (heißt das Infinitiv?). Wenn ich ein Gemälde beschreibe, verwende ich automatisch auch eher die "-end"-Form.


Cheers

Pjotr

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.09.2007, 13:53

Liebe Heidrun,

Sehr interessant, wie du bekannte (inkl. Farben) Steine benutzt, um Kriegsgeschehen in Bilder zu setzen. Hast du so einen Zyklus gemalt? Ich vermute es fast, denn daher stammt wohl deine Idee dazu.

Ob es an den Steinen liegt oder an den Schlagwörtern, ich komme nicht nahe an den Text heran. Er lässt mich seltsam kühl, dabei bin ich absolut leidenschaftlich entsetzt über Kriege.

Ich weiß, du magst Textarbeit, daher bin ich so frech und sende dir hier eine Variation, die mich berühren würde, vielleicht magst du etwas davon aufnehmen? :

Kriegsbilder

Werde schöne Frauen malen:
blaue Sternsaphire.
Und die Mütter hoffen
auf Wunder.

Werde samt`ne Kinder zeigen:
zarte Rosenquarze.
Geschwistern schluchzen
im Bombenhagel.

Werde junge Männer weisen:
helle Bergkristalle.
Verletzte Kameraden schreien
im Graben.

Werde greise Menschen zeigen:
Moosachate, wächsern.
Stolpern augenblind
über Trümmerfelder.

Werde trostlos` Zeiten malen:
kühle Obsidiane.
Und Zypressen staubiggrau,
warten in dem Sterben.

Was meinst du?

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Caty

Beitragvon Caty » 10.09.2007, 14:11

Heidrun, ich sag es mal von vornherein: Dieses Gedicht sagt mir wenig, genaugenommen stößt es mich auch ein wenig ab. Ich hoffe, das ist nicht zu hart gesagt. Ich will es begründen: Ein Maler nimmt sich vor, ein Bild zu malen, in dem er den Krieg anklagen will. Er vergleicht die Bilder des Krieges mit Edelsteinen - eine wirklich unmögliche Metapher, es ist eine etwas hochtrabende Metapher, im Grunde genommen erscheint es mir überhaupt nicht als Metapher, sondern lediglich als nicht ganz geschickter Autoren-Kunstgriff, weil die Metapher, so gebraucht, leer ist. Und welche Sprache wird da gesprochen: die ächzenden "Kameraden" im Graben. Mit diesem Bild bedienst du das Gerede von der vielgepriesenen Kameradschaft im Kriege (selbst wenn da etwas dran ist), das heißt, du verherrlichst den Krieg. Es scheint ein Krieg am Mittelmeer zu sein, darauf deuten die Zypressen. Welcher ist gemeint? Bombenhagel, das hört sich modern an, also der Trojanische Krieg ist es nicht. Es stören mich auch die sorgenvollen Frauen, die auf ein Wunder hoffen - "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn" lässt grüßen, auch dies eine Verherrlichung des Krieges. Ich bezweifle ernsthaft, dass der Maler, sofern er ein Anliegen hat, es auch umsetzen kann.

Zur Sprache: Das Partizip Präsens (schluchzend, stolpernd) gefällt mir nicht so richtig, es macht die Aussage umständlich, wie z. B.: "mit Geschwistern, schluchzend vor Angst/im Bombenhagel".
Dass die Menschen vor Bomben Angst haben, ist so selbstverständlich, dass mir diese Aussage doch recht allgemeinkonkret vorkommt, abgesehen davon, dass diese beiden Verszeilen die einmal angeschlagene Sprache verlassen. Zu den sorgenvollen Müttern und den ächzenden Kameraden haben ich oben schon was gesagt. Der einzige Edelstein, der in diesem Gedicht zutreffen könnte, wäre der Obsidian, weil sich hier sofort die Assoziation zu den Obsidianmessern
der Inka-Priester einstellt. Aber irgendwie kommt mir das ein bisschen sehr weit hergeholt vor, passt irgendwie nicht zum Bombenhagel. Insgesamt würde ich sagen, dass sich deine Absicht, mit den Edelsteinen ein Synonym für etwas sehr Kostbares, nämlich den Menschen, auszudrücken, nicht gelungen ist. Die Sprache ist bis auf die Edelsteine metaphernlos, die Bilder sind zu sehr bekannt, ihnen mangelt es an Originalität. Die Sprache selbst kommt mir noch zuwenig geformt vor. Ich will es anhand zweier Verszeilen verdeutlichen: "Werde trostlos' Zeiten malen/kalte Obsidiane". Dem Rhythmus viel besser angepasst wäre es, wenn du das Adjektiv hinter das Substantiv stelltest, also: "Werde Zeiten malen trostlos". Der "kalte" Obsidian sagt mir eigentlich gar nichts und dass du wegen des Rhythmus gezwungen bist, das Beuge-e bei "trostlose" auszulassen, empfinde ich nicht als geschickt.

Jetzt kommt der versöhnliche Schluss, und da will ich dir sagen, dass ich es begrüße, dass du dir das Thema Krieg vorgenommen hast. Leider ist es nur noch nicht wirklich gepackt worden.

Herzliche Grüße Caty

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.09.2007, 15:04

Hallo,

bisher hat der Text mich weder zu einer positiven noch negativen Kritik bewegt. Aber dank der Inspiration der Kommentatoren bekomme ich allmählich etwas zu greifen: Meiner Ansicht nach ist dies kein Text über Krieg, sondern über Kriegsverarbeitung, sprich: darüber, wie Maler, Schreiber und sonstige Künstler mit ihren jeweiligen Mitteln den Krieg kreativ und seelisch verarbeiten. Und das tut der Text mit einem Verweis auf die rituelle Wiederholungen solcher Verarbeitungen, es ist sozusagen immer die gleiche Leier, was zur künstlerischen Stagnation führt. Das behandelt dieser Text, meiner Ansicht nach. Insofern finde ich ihn ziemlich gut gelungen.

Elsas Vorschlag lesend, fällt mir wieder auf, dass die "-end"-Form unverzichtbar ist, weil es im grammatikalischen Kontext sonst keinen Sinn ergeben würde; da sind zwei Ebenen, das Tun der Malerin und das Tuende der von ihr Abgebildeten. Meine Meinung.


Salute

Pjotr

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noel
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Beitragvon noel » 10.09.2007, 17:55

ich mag
die kompositionen,
mag wie mir die farbformen der steine ein gefühl
(heran)tragen, was zu dem "rhythmischen" wortgebilden passt.


ich würde es gerne von dir gesprochen hören

& die -end form
finde ich passend & ein muss
wie pjotr schon ausführte
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Heidrun

Beitragvon Heidrun » 10.09.2007, 20:04

Ich danke Euch recht herzlich für die lebhafte Resonanz.

Noel: Du hast Recht, gesprochen klingt der Text "noch" eindrucksvoller (lächelt). Voraussetzung ist eine spröde, tiefe Stimmlage, wie du sie ja auch besitzt. Ich freue mich sehr über deinen Kommentar und dein Verstehen.

Pjotr: Du hast ganz richtig erkannt, dass die Wiederholungen nicht zufällig eingebracht worden sind. Tatsächlich ist es immer wieder die alte Leier. Ein allgemeiner (technischer) Fortschritt ist nicht abzustreiten, die Entwicklung des Menschen ist auf der Strecke geblieben. Wir sind wie eh und je, grausam, todgetrieben, verloren:

Und der Mensch ist
der lehmige Paladin
eines wankenden Throns
fühlt nicht als seine Sündigkeit
nichts, als den mechanischen Unsinn
seiner Erscheinung

(frei nach WERFEL)

Deshalb habe ich die Steine gewählt, als Symbol der Stagnation, bzw. der extrem verlangsamten Entwicklung des Menschseins. - An die Stagnation des Künstlers habe ich allerdings weniger gedacht.

Elsa: Deine Version gefällt mir sehr gut. Sie ist etwas weicher & schmiegsamer. - Ich muss allerdings auch sagen, dass die Erstfassung noch viel strenger im Rhythmus war, als die Vorgestellte, gewissermaßen ein Stakkato von Wiederholungen. Noch immer bin ich ein wenig unsicher, ob ich sie nicht in dieser spröderen Form hätte belassen sollen. Ich gebe sie mal schnell ein. Deine Meinung dazu würde mich interessieren:

Werde schöne Frauen malen
Blaue Sternsaphire
Und die Mütter sorgenvoll
Hoffend
Auf ein Wunder

Werde samt`ne Kinder zeigen
Zarte Rosenquarze
Mit Geschwistern angsterfüllt
Schluchzend
Im Bombenhagel

Werde junge Männer weisen
Leuchtend Bergkristalle
Kameraden schwer verletzt
Ächzend
In einem Graben

Werde greise Menschen zeigen
Wächsern Moosachate
Mit den Augen altersblind
Stolpernd
In Trümmerfeldern

Werde trostlos Zeiten malen
Kalte Obsidiane
Und Zypressen staubiggrau
Wartend
Auf das Sterben

Gerda: Ja, das genau wollte ich erreichen. Siehe oben, die Antwort für Pjotr. Wie gesagt ziele ich nicht auf das Leid des Malers ab. Eigentlich setze ich Texte fast nie 1 : 1 um. Ich kenne auch keinen Maler, der Menschen als Steine darstellen würde ... Aber warum nicht? Die Idee ist gar nicht übel (lächelt). Ebenso wie du halte ich von Betroffenheitslyrik nicht allzuviel. Interessant für mich ist jedoch, dass Caty mir genau das Gegenteil "vorwirft".

Ein Stein ist kalt, wir erst duch die Berührung mit der menschlichen Hand warm. Insofern ist es ein kaltes Bild, das ich erzeugt habe, wie von mir gewünscht.

Die esoterische Bedeutung der Steine ist für mich eher zweitrangig, wenn auch nicht uninteressant nachzulesen.

reimerle: Für dich ist sicherlich Elsa`s Version angenehmer zu lesen. Diese hat auch tatsächlich allerhand für sich. Andererseits wollte ich ja die "Unbeweglichkeit" des menschlichen Geistes zum Ausdruck bringen ... Tja. muss noch darüber nachdenken.

Herby: Zu dir kann ich noch nix sagen, weil ich ja noch nicht weiß, was dich stört.

Liebe Grüße
Heidrun
Zuletzt geändert von Heidrun am 11.09.2007, 11:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.09.2007, 21:43

Liebe Heidrun,

Deine Version gefällt mir sehr gut. Sie ist etwas weicher & schmiegsamer.
Interessant, dass du das sagst, ich finde sie nämlich eher trockener.

Du stellst hier auch deine Urfassung vor und willst meine Meinung dazu hören. Sie unterscheidet sich von der aktuellen vor allem durch die Setzung, oder? Sie ist auch noch etwas "rigider", also strenger, ja.

Das, was Pjotr gefällt, die -nd Endungen, sind eben nicht meins. Aber das ist gewiss Geschmacksache.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

mori

Beitragvon mori » 10.09.2007, 22:17

Ja Heidrun- bevor ich mich in den Urlaub verabschiede, doch noch ein paar kurze Anmerkungen.
Der Text ist ja von allen Seiten beleuchtet worden, inhaltlich mit Kommentar und Gegenkommentar. Ich habe mich auch schwer getan- wie Herby- der nicht erklären kann, warum. Und das ist meiner Ansicht nach die Stärke dieses Textes. Er ist spröde, er ist sperrig, aber ruft ein Gefühl hervor. Ob Ablehnung oder Zustimmung- egal. Als ich Elsas Version las, war mein erster Gedanke- ja, so muß es sein. Diese Version ist gefälliger, griffiger, wirkt intuitiver.

In deiner Version sehe ich die Arbeit und das Ringen um jedes Wort. Aber was mich nach häufigem Lesen selbst verblüfft, ist die Erkenntnis-es paßt zur Thematik (Kriegsverherrlichung kann ich allerdings nicht erkennen).Ich würde diesen Text so lassen, wie er ist. So anders und nicht greifbar.

Grüße
Annette

Heidrun

Beitragvon Heidrun » 11.09.2007, 05:26

Liebe Annette,

schön, dass ich vor deinem Urlaub noch etwas von dir höre, noch dazu etwas so Angenehmes. -

Das Sperrige, Spröde wird dadurch hervorgerufen, dass hier gewissermaßen eine gedoppelte "Distance" zu Ausdruck gebracht wird. Der Maler sieht, und zeigt auf, das LI beobachtet den Künstler. So habe ich versucht, dem Grauen Worte zu verleihen. Nicht vordergründig, wie etwa in einem politischen Gedicht, sondern über die Betrachtung der Kälte. Vielleicht alten Schwarz-Weiß-Filmen angenähert, die ja auch oft mit solchen Mitteln arbeiten.

Herzliche Grüße
Heidrun

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.09.2007, 13:11

Hallo Heidrun,

Das Sperrige, Spröde wird dadurch hervorgerufen, dass hier gewissermaßen eine gedoppelte "Distance" zu Ausdruck gebracht wird. Der Maler sieht, und zeigt auf, das LI beobachtet den Künstler.


M.E. kann man deine Zeilen aber nur aus der Ich-Perspektive des LIs lesen. Da sehe ich kein Beobachten.

Werde schöne Frauen malen:


Das ist Ich-Form, hm?
Saludos
Mucki


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